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Die Flugsteuerung des Eurofighter Typhoon

Der Eurofighter Typhoon wird über ein "full authority, quadruplex, digital, fly-by-wire, Flight Control System" (FCS) in einer künstlich erzeugten stabilen Fluglage gehalten.
Jeder der vier Steuercomputer des voll autorisierten, digitalen Flugsteuersystems ist für sich in der Lage die Steuerung des Flugzeuges alleine durchzuführen. Grund für die vierfache Auslegung des FCS ist der systemimmanente Bedarf an höchstmöglicher Ausfallssicherheit - denn kein Pilot der Welt ist in der Lage ein aerodynamisch instabiles Flugzeug auch nur für wenige Augenblicke ohne Computerunterstützung in einer sicheren Fluglage zu halten. Der Vorteil dieser aerodynamischen Instabilität liegt in der extrem hohen Manövrierbarkeit im gesamten Flugleistungsbereich.
Sämtliche Eingaben des Piloten mittels Steuerknüppel, Schubhebel oder Pedale werden durch den Computer kontrolliert, interpretiert und in Folge in Signale für die Hydraulikstellmotoren umgewandelt, über welche die Steuerflächen bewegt werden. Der Computer entscheidet über die Stärke der Steuerausschläge, welche notwendig sind um die vom Piloten eingegebene Fluglageänderung zu erzielen, vollkommen autonom.
Neben der Steueraufgabe übernimmt das FCS auch die Überwachung der strukturellen und aerodynamischen Grenzen des Luftfahrzeuges und entlastet den Piloten bei dieser Aufghabe durch das "Carefree Handling" (siehe unten).

Flugsteuer-Hardware
Das FCS besteht aus in vier identen und von einander unabhängigen, etwa 10kg schweren, Computern. Jede der vier Einheiten enthält acht 68020 CPUs, sowie weitere, auf diverse kritische Funktionen, spezialisierte Schaltkreise und mehrfache Anbindungen an das Computernetzwerk. Dazu zählen je ein optischer Datenbus der 1.000Mbit/s Kategorie (STANAG-3910) zur Anbindung an die übrige Avionik, je ein Datenbus der 100Mbit/s Kategorie (Mil-Std-1553) zur Anbindung an das Kontrollsystem für die Flugzeug-Grundsysteme sowie je ein Datenbus zu jeder der drei anderen Einheiten. Das FCS wird permanent mit externen Flugparametern wie Temperatur, statischer Druck und Staudruck sowie Gierwinkel, Rollrate, Anstellwinkel und Geschwindigkeit versorgt. Für jede Fluglageänderung wird dann anhand dieser Parameter ein permanent neu berechnetes Limit für Steuerausschläge errechnet, um die strukturellen und aerodynamischen Belastungs-Obergrenzen nicht zu überschreiten. Errechnet werden diese Limits anhand der im FCS gespeicherten kompletten Dynamik und Flugleistungskurve des Eurofighter Typhoon unter sämtlichen Beladungszuständen. Hydraulikstellmotoren wandeln die Steuersignale in entsprechend um, die Druckänderungen in den Leitungen führen zu den gewünschten Bewegungen der Steuerflächen. Eine manuelle Kontrolle der Steuerflächen ist nicht möglich.

Vertikale Fluglageänderungen werden durch symmetrisches Verstellen der Canards (Entenflügel) sowie der Flaperons (kombinierte Querruder/Landeklappen an der Tragflügelhinterkante) erzielt. Rollbewegungen werde primär durch differentiales Verstellen der Flaperons erzielt. Horizontale Fluglageänderungen werden mit dem Seitenruder erzielt. Künstliche Längs- und Seitenstabilität sowie optimierte Flugleistungen und verbessertes Handling wird über die kreuzweise Ansteuerung aller Steuerflächen erzielt.

Flugsteuer-Software
Die FCS-Software ist ein zentraler kritischer Bestandteil eines künstlich stabilisierten Flugzeuges. Probleme mit diesen Programmen haben bei de facto allen aerodynamisch instabilen Flugzeugen zu Programmverzögerungen in der Entwicklungsphase und zum Teil auch Flugunfällen geführt.
Im Fall des Eurofighter Typhoon wird in diesem Bereich mit merkbar erhöhter Vorsicht vorgegangen. Die Verzögerung des Erstfluges um rund 18 Monate lässt sich fast ausschließlich auf die FCS-Software zurückführen. Gemäß Programmplanung wird die Software in mehreren Stufen weiterentwickelt - jeweils abgestimmt auf den Bedarf anderer Produktbereiche. So ist mit bei Auslieferung der ersten Eurofighter das sogenannte "Carefree Handling" nur für Luft/Luft-Bewaffnung sowie Aussentanks programmiert.
Die Integration anderer Bewaffnungskonfigurationen in die Software erfolgt parallel mit der Integration dieser Waffen in andere Bereiche der Bordelektronik, die Freigabe der Software für die Serie mit Auslieferung der Flugzeuge der entsprechenden Batches. Selbstverständlich können neue Softwareversionen sobald abgenommen in sämtliche bereits ausgelieferte Maschinen eingespielt und deren Fähigkeiten so erweitert werden.
Das vierfach Auslgelegte FCS ohne mechanisches Backup erstellt Steuersignale anhand der Piloteneingaben, der aktuellen Flugdaten und der gespeicherten Grenzwerte.
Grafik: EADS
Die FCS-Software ist in ADA programmiert, mit Ausnahme der in Assembler programmierten zeitkritischen Subroutinen.

Neben der grundsätzlichen Funktion der Flugsteuerung steht dem Piloten des Eurofighter Typhoon auch ein ausgereifter Autopilot zur Verfügung.
Dieser kann automatisch die aktuelle Richtung und Höhe halten, automatisch eine vorzugebende Höhe und/oder Flugrichtung einnehmen und halten, automatisch einem Sensorenziel folgen, automatische vorgegebenen Patrouillenrouten folgen und aus diesen auch automatisch in Angriffsprofile übergehen sowie einen automatischen Landeanflug durchführen.
Für den Fall einer Desorientierung des Piloten kann mittels "panic button" das Flugzeug eine automatische Notfallstabilisierung durch den Autopilot durchgeführt werden. Bei erreichen der zulässigen Geschwindigkeits-Untergrenze wird durch den Autopilot eine automatische Restabilisierung auf ein sicheres Geschwindigkeitsniveau durchgeführt (Auto Low Speed Recovery).

FCS-Softwareversionen:

"Carefree Handling" im Eurofighter Typhoon

In den meisten Flugzeugen sieht sich der Pilot mit zwei Arten von Beschränkungen konfrontiert, die er beim Führen seines Flugzeuges unbedingt beachten muss - den strukturellen und den aerodynamischen Grenzen der Flugzeug-Konstruktion. Jeder Pilot in jedem Flugzeug muss sich permanent dieser Limits und die Konsequenzen einer Überschreitung bewusst sein. Er muss jederzeit genug Vorsicht an den Tag legen, um sein Luftfahrzeug innerhalb dieser Limits zu halten.

Die strukturellen Grenzen:
Ein Luftfahrzeug wird beschädigt wenn es einer höheren Schwerkraftbelastung ausgesetzt wird als die Konstrukteure dies beim Entwurf berücksichtigt haben. Abhängig von Flughöhe, Fluggeschwindigkeit und Gewicht gibt es somit unterschiedliche strukturelle Einschränkungen was die Durchführbarkeit von Flugmanövern betrifft. Werden Belastungsgrenzen - zum Beispiel im Kurvenflug - überschritten, können Strukturschäden, angefangen von Verformungen bis hin zu Brüchen auftreten. Diese führen in den harmloseren Fällen zu erhöhtem Wartungsaufwand - und damit verbundenen zu höheren Betriebskosten. Größere Schäden können auch zu geringerer Systemlebensdauer und damit verbunden höheren Lebensdauerkosten (Flugzeugpreis im Vergleich zur nutzbaren Lebensdauer) führen. Der extremst vorstellbare Fall ist ein unmittelbar auftretender schwerer Strukturschaden der noch in der Luft zur Flugunfähigkeit - und damit zum Absturz des Flugzeuges - führt.

Die aerodynamischen Grenzen:
Der Luftstrom, der um ein Luftfahrzeug fließt, ermöglicht es ihm zu fliegen (Bernoullisches Prinzip). Wird dieser Luftstrom durch zu extreme Flugmanöver unterbrochen geht die Flugfähigkeit verloren. Eine Vielzahl von durch den Piloten beeinflussbaren Manövern kann zur so einer Luftstrom-Unterbrechung führen - z.B. zu schnelle Rollen, zu scharfe Kurven, zu langsames Fliegen - jeweils wiederum abhängig von Flughöhe, Fluggeschwindigkeit und Gewicht. Bricht der Luftstrom um das Luftfahrzeug zusammen spricht man vom "Strömungsabriss" (engl. "aerodynamic stall"). Je nachdem wo am Luftfahrzeug und wie stark dieses Phänomen auftritt geht der Auftrieb und/oder die Steuerbarkeit zumindest teilweise verloren - bis hin zum kompletten Kontrollverlust.

Was bedeutet nun "Carefree Handling" ?
Der Flugsteuercomputer (FCS) im Eurofighter Typhoon nimmt dem Piloten die Obacht über diese strukturellen und aerodynamischen Grenzen ab. Das FCS berücksichtigt alle Flugparameter, wie Geschwindigkeit, Höhe, Flugzeugmasse, Schwerpunkt und externe Beladung und hält das Flugzeug bei Steuereingaben des Piloten vollautomatisch innerhalb der definierten strukturellen und aerodynamischen Grenzen.

Für Piloten und Konstrukteure des Eurofighter Typhoon ergeben sich dadurch mehrere grosse Vorteile.
Es erfordert normalerweise außergewöhnliches fliegerisches Können und viel Erfahrung mit einer Flugzeugtype um die jeweils äußerste Leistung aus dem Flugzeug zu holen ohne jedoch Beschränkungen zu überschreiten. Jeder Pilot wird sich dabei eine persönliche Grenze setzten, in wie weit er sich den Limits annähert, um sicher zu gehen, dass er diese nicht überschreitet. Der Pilot muss diesen Grenzen - durch Beobachtung seiner Flugzeuginstrumente - also jederzeit Beachtung schenken und zwar umso mehr je näher er sich an die Limits wagt. Im Eurofighter Typhoon kann der Pilot durch das "Carefree Handling" jederzeit die optimale Höchstleistung aus dem Flugzeug abrufen, sicher im Wissen, dass das FCS die Überschreitung von Limits verhindert. Zweitens muss der Pilot seinem Luftfahrzeug diesbezüglich keine Beachtung mehr schenken und kann 100% seiner Aufmerksamkeit der Erfüllung seiner Aufgabe widmen.
Die Konstrukteure von Flugzeugen mussten in früheren Designs Sicherheitsspannen berücksichtigen und mit unbeabsichtigten Überschreitungen der Limits durch die Piloten - welche in der Hitze des Gefechtes vorkommen konnten - rechnen. Das dadurch notwendige höhere Strukturgewicht sowie aus Sicherheitsgründen eingebaute mechanische aerodynamische Begrenzer verringerten die Leistungen des Luftfahrzeuges. Mit "Carefree Handling" können die eingebauten Sicherheitsspannen erheblich verringert werden und somit die Leistung des Eurofighter Typhoon optimiert werden.
Zu guter letzt benötigt der Eurofighter Typhoon dank "Carefree Handling" weniger Wartung im Bereich der Zelle bei gleichzeitig optimaler Nutzung der Lebensdauer des Flugzeuges.

Da sich die Piloten während des Fluges keine Gedanken mehr über die aerodynamischen und strukturellen Limits des Flugzeuges machen müssen, haben die Testpiloten den Begriff "brainless handling" für dieses System kreiert.



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