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Stellen Sie sich vor, jemand will sich ein neues Auto zulegen, er hat auch schon eine kleine Vor-Selektion getroffen, und die meisten in der Familie wissen ziemlich genau was es werden soll. Weil das gewünschte Paket aber teuer ist und Oma sowie Bank bei der Finanzierung Mucken machen, verzichtet er sukzessive auf ABS, Winterreifen, Radio, Reserverad, Pannendreieck...und zuletzt sogar auf die Fahrschulausbildung am Wohnort ! Nur um die gestrenge Bank zu becircen, will er sogar zur Fahrschule ins Autowerk reisen. Ja er verpflichtet sich sogar jede etwaige Nachschulung später ebenfalls dort zu durchlaufen, selbst wenn er es später seinen Kindern lernen lässt....!!
Sie meinen, da war doch was mit Schilda...? Sie irren sich...!!

Plädoyer für den Zweisitzer !

Zweisitzer können nicht nur zu Ausbildungszwecken die vollen Waffenkapazitäten der einsitzigen Variante nutzen, sie finden auch bei Kampfeinsätzen Verwendung.
Foto: US Air Force
Zweifellos ist es Faktum, dass die Mehrzahl der Jagdflugzeuge Einsitzer sind - jetzt und in Zukunft. Für viele dieser Jagdflugzeuge wurde zu Beginn auch eine zweisitzige Variante gebaut um damit Piloten mit dem neuen Typ vertraut zu machen. Ein Gutteil dieser Flugzeuge war primär für nichts Anderes vorgesehen als für dieses Ausbildungsziel, man konnte sie mangels geringerer Geräteausstattung - viele hatten z.B. kein Radar - auch für nicht viel Anderes verwenden.

Von der technischen Notwendigkeit...

Es gab (gibt) aber auch Jägertypen die nur als zweisitzige Variante gebaut wurden wie z.B. F-14 "Tomcat" oder "Tornado" ADV. In diesen Maschinen wurde eine Arbeitsteilung zwischen dem Piloten im vorderen Cockpit und einem Waffensystemoffizier im hinteren Cockpit vorgenommen. Ursächlich für diese Lösung war, dass die großen und leistungsfähigen Radaranlagen für Langstreckenabfangjagd ein erhebliches Ausmaß an Aufmerksamkeit und Bedienung benötigten, mangelnde Computerleistung machte eine automatisierte Applikation der Daten unmöglich. Der Pilot benötigte Hilfe bei der Bedienung dieser komplexen Erfassungssysteme.

Foto: Saab
Keine der beiden Philosophien trifft auf die für Österreich zur Diskussion stehenden Flugzeugtypen zu. Mit Ausnahme der MiG-29 - und auch hier gäbe es inzwischen eine "echte" zweisitzige Variante mit vollwertigem Radar (M2) - sind alle zweisitzigen Varianten in ihren Kapazitäten zu ihren einsitzigen Pendants nahezu identisch. Meist muss der zweite Pilot mit etwas geringerem Treibstoffvolumen und etwas höherem Abfluggewicht bezahlt werden, bei manchen fehlt auch die Bordkanone. Aber sonst ist der Zweisitzer ein vollwertiges einsatzfähiges Kampfflugzeug welches hochspezielle Kapazitäten bietet, die immer mehr Luftwaffen dazu veranlasst sich mit dem Potential intensiver zu beschäftigen.

...zum operationellen Bedürfnis

Wie in allen High-Tech Bereichen hat die Entwicklung der Informationstechnologie auch im Bereich der Kampfflugzeuge zu enormen Fortschritten geführt.
Intensive Forschungen über die optimale taktische Nutzung des Zweisitzers laufen in mehreren Ländern.
Foto: Saab

"Der zweite Sitz ist die beste Erfindung, seit sie den Propeller abgschafft haben", leicht abgewandeltes Zitat eines US-Navy - Piloten
Foto: Boeing

Heute sitzt der Pilot nicht mehr vor einem Cockpit voller "Uhren" die ihn hauptsächlich über den Zustand seines Fluggerätes informieren, sondern vor einer Anzahl an Multifunktions-Farbbildschirmen, deren Primärzweck darin besteht, dass sie den Piloten darüber informieren was "draußen" so alles vor sich geht. Wichtigstes Entwicklungsziel ist seither die "Situational Awareness", das Situationsbewusstsein, der Piloten zu verbessern. Gleichzeitig ermöglicht dieser Technologiesprung der IT Branche nicht nur eine verbesserte Darstellung der verfügbaren Daten sondern auch deren Vervielfachung. Nicht nur, dass moderne Radargeräte Luft-, Boden- und Seeziele in vergrößerten Bereichen erfassen und manchmal auch gleichzeitig abscannen oder umgekehrt auch gegnerische Elektronik "niederstören" können, auch die Auswertung von elektronischer Immissionen, sowie von optischen Erfassungsgeräten fließt hier in die "Workload" ein. Schließlich ermöglichen Datenlinks zwischen allen Arten von Aktionsteilnehmern eine Multiplikation der Sensordaten mit der Anzahl der angeschlossenen Linkpartner, was zwar oft billiger in Betrieb oder Simulation ist, aber auch komplexer. Dazu kommt, dass taktische Aufklärung unter modernen Bedingungen heute fast ausschließlich von Zweisitzern durchgeführt wird. In nur wenigen Jahren hat die Entwicklung am IT-Sektor die Situation vollkommen gedreht. Hat man sich früher darum bemüht seinen spärliches Situationsbewusstsein so gut es geht aufzubessern, steht man heute vor der Situation sich zu überlegen welche Informationen aus dieser Unzahl an Daten für den Auftrag wichtig sind und welche weggelassen werden können. Eine Selbstbeschränkung auf das Wesentliche um den Überblick noch bewahren zu können lautet das Gebot der Stunde.

Gleichzeitig mit diesem Phänomen, wurde man sich auch eines anderen Problems gewahr: Mit moderner Datenlinktechnologie sind nicht nur die Sammlung von umfangreichen Daten sondern auch neue Formen der Führung möglich. Derzeit beschäftigen sich mehrere "echte" Luftwaffen intensiv mit der Idee, den Zweisitzer als Führungsflugzeug zu verwenden. Zum Tragen kommt dabei eine neue Art von Aufgabenteilung zwischen Pilot und Copilot. Bildeten diese früher ein Team fürs Abfangen, so wird in Zukunft der Mann im hinteren Cockpit als Kommandant für eine ganze Einsatzgruppe fungieren. Somit wird es auch für kleine Luftwaffen möglich, eine Art von Echtzeitkoordination durchzuführen wie sie bisher nur großen Streitkräften unter der Verwendung von luftgestützten Frühwarnsystemen (z.B AWACS) möglich war. Die Zeiten, in denen die zweisitzige Variante eines einsitzigen Jagdflugzeugs ausschließlich zur Ausbildung verwendet wurde, sind jedenfalls endgültig vorbei.

Die Folgen für die Ausbildung

Ohne Zweisitzer- Draken steht das Ausbildungskarussell
Foto: Flight Researc Inc.

Ein- und Zweisitzer können mit-, neben- und füreinander Arbeiten.
Foto: US Air Force

30 Jahre Luftraumüberwachung mit 24 Flugzeugen kann nur ein Provisorium sein. Ob es nicht besser ist LRÜ provisorisch auch mit Zweisitzern durchzuführen als provisorisch gezwungenermaßen im Ausland auszubilden?
Foto: Saab

Aber auch der Kernbereich der Ausbildung selbst ist natürlich ein Hauptgrund für die Existenz des Doppelsitzers. Als man Mitte der 80er in Österreich die Beschaffung des Drakens finalisierte, wurde - bewusst - auf die damals schon raren Zweisitzer Sk 35 verzichtet. Die 10-jährige Systemgarantie für den Draken beinhaltete auch eine Garantie für die Ausbildungsmöglichkeit über diesen Zeitraum. Wie heute alle Involvierten leidvoll wissen, wurde der Draken aber nicht wie vorgesehen ab 1996 ersetzt sondern steht weiterhin im Einsatz - und das noch weltexklusiv bis 2005.

Letztendlich hat dieser Umstand nicht nur zu enormen Problemen im Bereich der Technik, sondern zu nahezu unlösbaren Schwierigkeiten bei der Pilotenausbildung geführt. Draken-Piloten die sich für ein Karriere bei den Luftstreitkräften entscheiden würden, konnten (und können) nicht mehr geschult- solche die (teilweise ernüchtert) abgehen können so seit geraumer Zeit nicht mehr ersetzt werden, denn Schweden hat die SK 35 Doppelsitzer ausgemustert.

Auf den unteren Ebenen kommt es ebenfalls zu großen Problemen. Da ein weiterer Aufstieg nicht möglich ist, verbringen die Piloten wesentlich mehr Zeit auf dem Jet-Trainer Saab 105 als es eigentlich vorgesehen und notwendig wäre. Sie blockieren dabei jene Plätze in den Staffeln und konsumieren jene Flugstunden die eigentlich gebraucht würden, um Piloten vom Basistrainer Pilatus PC-7 in die Jetfliegerei zu übernehmen. Das Fehlen von Zweisitzern hat also inzwischen zu einem Stillstand in der ganzen Ausbildungskette geführt. Mit dem Auslaufen der Draken-Ausbildung in Schweden wurde den Österreichischen Jetpiloten eine wichtige Stufe auf der Karriereleiter genommen, seither läuft das Ausbildungskarussell nur mehr bruchstückhaft und ist in den letzten beiden Jahren in eine stehende Pyramide erstarrt.

Sicherlich kann man nun in einem "Mini-Paket" eine ausgelagerte Ausbildung im Herstellerland festlegen, sie wird aber immer nur nach Verfügbarkeit und Kapazität des Lieferantenlandes bzw. dessen Luftwaffe (über Jahrzehnte ?!) möglich sein. Wie sich die Verhältnisse und Außenbeziehungen (Stichwort: EU-Sanktionen !) über die Systemslebensdauer von mindestens 30 Jahren entwickeln, kann jedoch heute niemand seriös vorhersagen.

Wenn man nun hört, dass im Entgegenkommen an die Finanz gerade der Zweisitzer ernsthaft geopfert werden soll, wohlgemerkt mit all jenen Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart im Hinterkopf, sowie wissend ob der international zu erkennenden Entwicklungen, muss die Ernsthaftigkeit des gesamten Projektes dringend hinterfragt werden ! Angesichts von Systemkosten von rund öS 25 Milliarden und einer Nutzungsdauer von mindestens 30 Jahren, stehen die Mehrkosten in der Herstellung eines Zweisitzers zu einem Einsitzer - sie sind im Bereich von rund 5% zu veranschlagen - somit in keiner Relation zu den über Jahrzehnte auflaufenden Umständlichkeiten, Unwägbarkeiten, Spesen und Mehrkosten die man sich durch eine Nichtbeschaffung von Zweisitzern gezwungenermaßen einhandeln würde ! Endergebnis wäre von vornherein eine Provisoriumslösung, und jedermann weiß wie lange solche in Österreich zu bestehen pflegen. Die Krux ist eben, dass man jetzt versucht, die Beschaffung irgendwie durch das Sieb der Himmelpfortgasse zu passieren, jene erwähnten laufenden (Mehr)-Kosten über die Lebensdauer müssten sowieso immer von laufenden Heeresbudget bestritten werden...

Im internationalen Vergleich

Dass der Zweisitzer keine exotische Ausnahme sonder einen üblicher Systembestandteil ist, sieht man auch im internationalen Vergleich. Kein europäisches Land - mit Ausnahme Österreichs(!) - betreibt einsitzige Überschallkampfflugzeuge ohne auch wenigstens ein paar zweisitzige Varianten zu besitzen. Und auch in sämtlichen anstehenden Beschaffungen sind Zweisitzer grundsätzlicher und natürlicher Bestandteil des Programms und dienen nachher nicht nur als Trainingsflugzeug sondern selbstverständlich und bewusst auch als Einsatzmaschinen. So lautet zum Beispiel die Tschechische Ausschreibung für 24 oder 36 Mehrzweckkampflugzeuge auf 20+4 oder 30+6 oder die Ungarische Ausschreibung auf 20+6. Und von den durch die Eurofighter-Teilnehmerländern bestellten 620 Flugzeugen werden 98 voll einsatzfähige Zweisitzer sein. Wenn man diese Zahlen so betrachtet stellt man fest, dass ein Anteil von rund 20% Zweisitzern am Gesamtpaket üblich ist.

Die zweisitzige Version der F-16 bietet bezüglich Elektronik und Bewaffnung die selben Kapazitäten wie der Einsitzer. Einzig bei Reichweite und Flugleistungsbereich gibt es leichte Einschränkungen.
Foto: US Air Force

Das zweite Cockpit des Gripen-Zweisitzers kann zur Schulung im selben Betriebsmodus wie das vordere Cockpit betrieben werden. Es kann aber auch einvollkommen unabhängiger Betriebsmodus gewählt werden um als fliegender Kommandostand zu dienen.
Foto: Saab

Aber es gibt auch Ausnahmen. Zwar ist Israel mit all jenen Ländern im politischen wie auch im taktischen Einsatz dieser Maschinen nicht zu vergleichen, hat aber immerhin die letzten 52 F-16 allesamt(!) als Zweisitzer bestellt - und zwar definitiv nicht zum "trainieren".

Kein Verständnis für Halbheiten

Allerorten auf verständnisloses Kopfschütteln trifft man wenn man sich mit internationalen Experten über die Ideen unterhält die in Österreich im Zusammenhang mit der Luftraumüberwachung gewälzt werden. Am Rande des Air Power 2001 - Symposiums in Schweden wurden durch internationale Fachleute heimische "Burden Sharing" Ideen, also die Durchführung der Österreichischen Luftraumüberwachung durch andere Länder, als ebenso "dubiose und unseriöse Idee" bezeichnet, wie eine Abfangjägerbeschaffung ohne Zweisitzer. Laut Meinung der konsultierten Fachleute entsprechen die Österreichischen Ansinnen "schlicht nicht dem internationalen Niveau". Offensichtlich ist "Wien genötigt bzw. bereit, solche politischen Opfer auf Kosten jahrelanger Fehlpotentiale zu akzeptieren".

Und selbst die Statements der Vertreter der Hersteller zeugen inzwischen kaum mehr von Verständnis für die Kapriolen und Forderungen von Österreichischer Seite. Einem Kunden für mindestens die nächsten 30 Jahre Ausbildungsmöglichkeiten zu garantieren, gehört für diese Leute ins Kabinett der Kuriositäten.

Offen bleibt jedenfalls die einfache Frage "Warum können nicht auch bei weniger als den geplanten 30 Maschinen wenigst sechs Zweisitzer dabei sein?"
Zumindest der Verteidigungsminister hat zur Frage der Zweisitzer eine eindeutige Position bezogen.

Verteidigungsminister Scheibner's dazu zu Jane's Defence Weekly im März 2000:
"Ich stehe der Beurteilung von Seiten des Stabs der Luftstreitkräfte nicht im Weg. Ich bevorzuge neue Ausrüstung und diese Beurteilung würde dieselbe sein, selbst wenn wir die Mehrzwecktypen nicht in ihrem vollen Spektrum verwenden. Jedoch muss es diesmal definitiv Zweisitzer geben!"

...und dem ist nichts hinzuzufügen !!