Der Erstflug von GT001 am 13. Februar 2003 über dem schneebedeckten Bayern - von wegen "absolut winteruntauglich".
Fotos: eurofighter.com |
airpower.at: Herr Hoeveler! Welche Schritte müssen bei diesen Zertifizierungen/Abnahmen passieren, wie wird das überprüft und wer macht das ?
Wolfdietrich Hoeveler, Leiter Kommunikation Militärflugzeuge bei EADS: Mit der NATO-Agentur NETMA (Repräsentant des viernationalen Auftraggebers - der Luftwaffen von D, GBR, IT, SP) wurde im Rahmen der Waffensystemspezifikation vereinbart, welche Forderungen der Spezifikation auf welche Weise (Rechnung, Bodentests, Flugversuche) und in welchem Zeitraum nachzuweisen sind.
Nach Durchführung dieser Arbeiten legt die Industrie dem Auftraggeber zusammen mit der Dokumentation die Verification Claims vor, mit deren Genehmigung Repräsentanten des Auftraggebers die Erfüllung der jeweiligen Forderung bestätigen.
Die Ergebnisse des Flugversuchs - einschließlich aller Rohdaten - stehen dem Auftraggeber uneingeschränkt zur Verfügung. Darüber hinaus führt der Auftraggeber während des Flugversuchsprogramms mit eigenen Besatzungen (Piloten der Luftwaffen, Anm. der Red.) Bewertungsflüge durch, um die Ergebnisse der Industrieerprobung zu bestätigen.
airpower.at: Jetzt schreibt der Bundesrechnungshof (BRH), dass die Luftbetankung und das Mitführen von Treibstofftanks verboten ist, es gibt aber Fotos davon. Macht die Industrie da etwas illegales ?
Wolfdietrich Hoeveler: Nein. Die Leistungsanforderungen an den Eurofighter wurden mit den Prototypen bereits nachgewiesen.
Da haben wir die Musterzulassung.
Das gilt insbesondere auch für die vom BRH angesprochenen Punkte, wie beispielsweise für den Winterbetrieb, den Einsatz der Kanone, die Luftbetankung, die Nutzung von Zusatztanks, Raketeneinsatz, Geschwindigkeit und Flughöhe.
Die Serien-Eurofighter werden das natürlich auch können, sie dürfen es nur derzeit nicht weil der vorher beschriebene Zertifizierungsprozess hier noch nicht abgeschlossen ist.
Zahlreiche Nachweise liegen schon zur Bearbeitung bei den zuständigen Stellen der NETMA sowie in den vier Partnernationen zur Bearbeitung vor, wo sie nach und nach abgewickelt werden.
Bei vier Nationen dauert das eben.
Das hat aber mit dem Flugzeug nichts zu tun.
Der Eurofighter flog bereits in Höhen bis zu 18.000m.
Fotos: eurofighter.com |
airpower.at: Was würde passieren wenn - theoretisch - einzelne Parameter mangels technischer Realisierbarkeit von der Industrie nicht erfüllt werden können ?
Wolfdietrich Hoeveler: Dann hätten wir wirklich ein Problem. Falls Forderungen nicht erfüllt werden können, werden vertraglich vereinbarte Strafzahlungen fällig, deren Höhe sich nach der operationellen Bewertung der Minderleistung richtet. Allerdings sind in diesem Prozess Mehrleistungen und Minderleistungen gegeneinander aufzurechnen. Und bis jetzt trat keine unlösbare Aufgabe auf und es ist auch keine absehbar.
Was z.B. den Winterflugbetrieb betrifft wissen wir, dass wir das nachweisen können. Wie kann jemand nur annehmen, dass vier wichtige NATO-Luftwaffen ein Flugzeug kaufen würden und die europäische Luftfahrtindustrie ein Flugzeug bauen würde, dass im Winter am Boden steht? Wir haben bereits und werden die für den Betrieb bei extremen Wetterbedingungen noch ausstehenden Nachweise erbringen und inzwischen arbeiten wir andere Punkte auf der Liste ab.
Zur Höhenbeschränkung ist zu sagen, dass es keine technische Höhenbeschränkung gibt.
Das Flugzeug wurde bereits in Höhen bis zu 18.000 m betrieben.
Einschränkungen für noch größere Höhen gibt es nur aus medizinischer Sicht für die Piloten - die bräuchten dann Druckanzüge.
Der deutsche Verteidigungsminister Peter Struck bezeichnete bei der Übergabe des ersten Eurofighter am 30. Juni 2003 das neue Jagdflugzeug als als "Rückgrat der Luftwaffe" und sprach von einem "Meilenstein" europäischer Rüstungskooperation.
Fotos: eurofighter.com |
airpower.at: Mit welchen Luftfahrzeugen werden die Nachweise für die Serie erbracht?
Wolfdietrich Hoeveler : Den Löwenanteil wickeln die IPA's ab. Für einige Dinge - zum Beispiel das Kanonenschießen - leihen wir uns ausgelieferte Maschinen der Luftwaffen aus.
airpower.at: Bis April 2002 waren 1.614 Stunden und 1.935 Flüge absolviert - geplantes zusätzliches Programm damals 2.691 Flüge. Bis Dezember 2002 waren über 2.100 Stunden geflogen.
Es wurden damals also rund 500 Flugstunden in 6 Monaten absolviert.
Wie sieht es jetzt mit der Flugstundenrate aus ?
Wolfdietrich Hoeveler:
Zur Zeit haben wir über 2800 Flüge mit knapp 2400 Stunden mit der Prototypen- und IPA-Flotte geflogen.
Die Serienflugzeuge, die von den Luftstreitkräften selbst operiert werden, sind da nicht mitgezählt.
Die Flugstundenrate wechselt, je nach Verfügbarkeit der Flugzeuge (Layup wegen Nachrüstungen, etc...). Sie kann nicht als Kriterium herangezogen werden.
airpower.at: Wann wird aus heutiger Sicht die Testphase der Tranche 1 abgeschlossen sein ?
Wolfdietrich Hoeveler: Die Entwicklung der Tranche 1 ist fast abgeschlossen. Wir werden bald mit Tranche 2 beginnen können.
airpower.at: Am 30. Juni gab es die internationale Typenzulassung. Wie steht das im Zusammenhang mit den Leistungskriterien? Was musste dafür erbracht werden ?
Wolfdietrich Hoeveler: Wie der Spiegel-Bericht ja richtig wiedergibt, gab es zu dieser Zeit noch eine Reihe von Beschränkungen, die aber nach und nach aufgehoben wurden und werden. Die vier Nationen waren aber der Meinung, dass ein Anfangsflugbetrieb mit dem Eurofighter sicher durchzuführen ist.
Am 4. September 2003 begann der fliegerischer Teil des "Service Instructor Pilot Training" der deutschen Luftwaffenpiloten. Der Luftwaffenpilot äußerte sich nach dem Flug sehr zufrieden mit den Fähigkeiten der Serienmaschine.
airpower.at: Wir haben September 2003 - welche Steps heuer waren für das Programm besonders bedeutsam ? Welche großen Schritte stehen in den nächsten Monaten bevor ?
Wolfdietrich Hoeveler: Sicher der bedeutsamste Schritt heuer war die "Type Acceptance" durch die vier Luftwaffen am 30. Juni in Manching. Das war ein historischer Meilenstein für das Programm, für das Industriekonsortium und die vier Luftwaffen.
Der größte Schritt demnächst ist die Unterzeichnung des Tranche 2 Vertrags über 236 weitere Flugzeuge.
Gemäß einem Framework Agreement, unterzeichnet am 8. Juli 2003, soll der Tranche 2 Vertrag noch dieses Jahr unterschrieben werden.