"Viele Wege führen nach Rom", manche steiniger als andere...
Der Eurofighter macht Schlagzeilen - meistens schlechte - und das oft ungerechtfertigt.
Was hinter der Spiegel Story "Der Eurofighter sei praktisch flugunfähig" wirklich steckt und wie sich die Situation beim Jagdgeschwader 73 "Steinhoff" (JG73 "S") im norddeutschen Laage und bei "Case White" an der irischen See in England wirklich darstellt, erhob Martin Rosenkranz für www.airpower.at bei Besuchen an beiden Standorten.
Etwas vollkommen neues zu "erlernen" ist für die wenigsten Menschen leicht. Selbiges gilt auch für Organisationen die technische Neuerungen einführen - in diesem Fall die Deutsche Luftwaffe und die Royal Air Force, welche gleichzeitig den "Eurofighter Typhoon" erlernen. Während die Deutsche Luftwaffe auf "Learning by Doing" setzt, hat sich die Royal Air Force für Supervision und logistische Unterstützung durch die nationale Industrie entschieden.
Learning by doing - "Nur die Harten kommen in den Garten"Oberst Günter Katz ist auf die Medien gar nicht gut zu sprechen. Der Kommandant des JG73 "Steinhoff" im norddeutschen Laage, Herr über sämtliche an die Truppe ausgelieferten Eurofighter, lässt das die über 30 versammelten Fachjournalisten auch unmissverständlich wissen.Dass ein deutscher Fernsehsender ein Monate zuvor gegebenes Interview bis zur inhaltlichen Umkehrung zusammenschnitt und dies dann in einen aktuellen Bericht über die Einführung des Jets in die Deutsche Luftwaffe skandalgerecht einpasste, ließ sein Vertrauen in die Medien offenbar genau so auf Null sinken, wie die "Spiegel"-Story, welche für ihn vollkommen irrelevante Details skandalisiert, um den Eurofighter und die ohnehin harte Arbeit seiner Truppe in den Dreck zu ziehen.
Seinem Informationsoffizier vom JG73, Major Frank Kiel, geht es nicht viel besser:
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Oberst Günter Katz
Foto: Georg Mader |
Major Frank Kiel
Foto: Georg Mader |
Und so gibt es auch absolut keine Daten und Details über den "Truppenversuch" bei der Deutschen Luftwaffe, sondern Oberst Katz präsentiert nur seinen Auftrag und streicht heraus, dass er diesen unter den gegebenen Bedingungen erfüllen kann.
Und darauf, auf Qualität nicht Quantität, kommt es ihm an - und auf nichts anderes!
Die Deutsche Luftwaffe habe sich entschieden ohne Unterstützung durch die Industrie den Eurofighter in den Staffelbetrieb der Luftwaffe einzuführen. Man kriegt alles was man an Ersatzteilen ordert wie bestellt und versucht ansonst alleine zurecht zu kommen.
Der kantige Titel "Truppenversuch" spiegelt nur unzureichend die derzeitigen Aufträge des JG73 - auch genannt "Six Pack", weil dort derzeit sechs Eurofighter stehen - wider. Diese lauten in Phase 1 (läuft derzeit) die Konzepte für die theoretische Schulung und die taktische Ausbildung der zukünftigen Eurofighter Piloten zu erarbeiten und die Handbücher für den Flugbetrieb in der Deutschen Luftwaffe zu erstellen.
Die Schwierigkeiten auf die man dabei traf, sind nicht unerwartet aufgetreten sondern man hat mit ihnen gerechnet. Diese sind mannigfaltig und treten in den unterschiedlichsten Bereichen auf. Dass alle viel lernen müssen und die Herausforderung eine große ist habe man schon im Vorfeld gewusst. Fest steht jedenfalls, dass am Flugzeug kein generelles technisches Problem festzustellen ist und es keine signifikanten Systemzusammenbrüche gibt. Und das sieht man bei der Luftwaffe in Laage genau so wie bei der RAF in Warton.
Hand in Hand mit dem Eurofighter führt die Luftwaffe ein neues Wartungs- und Logistiksystem ein, dass keinen Stein auf dem anderen lässt. Von vier unterschiedlichen Wartungsstufen, welche die bisherigen Flugzeuge von Zeit zu Zeit absolvieren mussten, wird beim Eurofighter auf zwei zusammengestrichen.
Jedenfalls wirft das BITE automatisch ein "NOGO" für jedes nicht einsatzbereite System oder Subsystem im Flugzeug aus. Das GSS übernimmt diese Fehlermeldungen, holt aus dem elektronisch vorliegenden Wartungshandbuch die Prozeduren für die betroffenen Systeme hervor und erstellt mit ihnen eine Liste mit Fehler samt zugehöriger Anleitung zur Behebung.
Das weiß man auch schon längere Zeit in der WTD61 (Wehrtechnische Dienststelle 61) wo neues Equipment der Luftwaffe eingehend erprobt wird, bevor es an die Truppe geht. Auch dort hat man erkannt, dass es so wie jetzt auf Dauer nicht ideal ist. Gesucht wird daher nach Möglichkeiten portable Elektronik, die mit den entsprechenden Informationen geladen auf und in die Maschine mitgenommen werden kann und welche die Härten des Arbeitsumfeldes auch auf Dauer übersteht. Für das JG73 heißt es derzeit "höchstmögliche Betriebssicherheit" zu erreichen. Nur wenn das Flugzeug zu 100% durchgecheckt und alle Systeme einwandfrei arbeiten, erhält es seine Flugfreigabe. Und das gilt selbst für Systeme, welche weder die Flugsicherheit beeinträchtigen noch für den vorliegenden Auftrag von Bedeutung sind. Man könnte meinen dies sei ein etwas übervorsichtiger Zugang. Doch kann man das der Deutschen Luftwaffe vorwerfen? Immerhin ist das Drama um die Starfighter noch in guter Erinnerung und resultierte aus einer überhasteten Einführung eines ungenügend erprobten Systems, welches man dann nicht beherrscht hat. Es bleibt die Evaluierung der Prozeduren so wie der Erfahrungsaustausch mit den anderen Nutzerländern abzuwarten, bevor sich ein Urteil bilden lässt. Und wer letztendlich den besten Weg gegangen ist wird sich zumindest erst in einigen Jahren oder vielleicht auch nie feststellen lassen.
Die Überschall-Supervision - der "Fall Weiß" bei der Royal Air ForceEine total andere Situation findet man im englischen Warton an der irischen See vor. Dort absolviert die Royal Air Force ihren "Fall Weiß"- die Einführung des Typhoon in den Dienst. Im Gegensatz zur Deutschen Luftwaffe lassen sich die Briten dabei helfen und haben BAE SYSTEMS unter Vertrag genommen um die Indienststellung zu unterstützen. Archie Neil, fliegender Chef von BAEs "Case White"-Truppe weiß auch wieso: "Immerhin kennen wir das Flugzeug seit 10 Jahren und haben es ja gebaut. Für die RAF ist das alles neu."Das Ziel der Briten ist eindeutig definiert. Die RAF will sobald als möglich die Einsatzbereitschaft des Eurofighter Typhoon an die NATO melden und als Expeditionsstreitmacht ebenso rasch in der Lage sein das Flugzeug weltweit einzusetzen.
Unter "Case White" werden daher in einem 18 Monate dauernden Programm über 1.000 Flüge mit gesamt ca. 1.300 Flugstunden absolviert. Dabei werden 16 RAF Piloten, 166 Techniker und 24 Mann Flughafenfeuerwehr mit dem System vertraut gemacht - nächsten Sommer will man damit fertig sein.
Sowohl BAE SYSTEMS als auch der Kunde RAF scheinen mit den bisherigen "Case White" Ergebnissen hoch zufrieden.
Damit man feststellen kann wie die RAF alleine zurecht kommt führt man von Zeit zu Zeit kleine Mini-Detachements nach Conningsby, der ersten echten Eurofighter-Einsatzbasis der RAF, durch. Für ca. 3 Tage am Stück muss dann das RAF-Personal alleine schauen wie es zurecht kommt und die Fortschritte die man gemacht hat unter Beweis stellen. Danach geht es wieder zurück nach Warton und die weitere Ausbildung wird gemäß der aufgetretenen Problemen angepasst.
Ganz besonders stolz ist man darauf, dass man es schon so früh im Einsatzleben mit diesem Flugzeug bis nach Singapur und zurück geschafft hat. BAE SYSTEMS glaubt nicht, dass es dafür ein anderes vergleichbares Beispiel gibt.
Der oberste RAF-Techniker vor Ort, Squadron Leader Martin Evans, ist nicht nur vom Flugzeug, sondern auch von der zur Verfügung stehenden Wartungstechnik schwer begeistert und spricht auch offen über Verbesserungen die vorzunehmen sind.
So ist die "papierlose Wartung" zwar ein Meilenstein, aber wie man es einrichtet, dass die Techniker die nötigen Informationen nicht nur im PC sondern auch direkt am Flugzeug haben wenn sie diese benötigen, darüber wird eben noch nachgedacht.
So fängt das BITE an die Systeme automatisch durchzuchecken wenn das Flugzeug in Betrieb genommen wird. Allerdings beginnt es offenbar mit der Arbeit wenn es selbst einsatzbereit ist und das trifft dann aber nicht für alle Systeme zu. Wie auch bei allen anderen Computern dauert es unterschiedlich lange, bis die über 80 Computer im Netzwerk des Eurofighters hochgefahren sind und stabil laufen. So kann es beim ersten Check dazu kommen, dass hunderte Fehlermeldungen ausgeworfen werden. Erst bei einem neuerlichen BITE-Durchgang wir dann erkannt, dass eigentlich alles in Ordnung ist bzw. sehr viel weniger Arbeit anfällt. Des weiteren denkt man auch noch über eine automatische Klassifizierung der Fehlermeldungen nach. Flugsicherheitsrelevante Meldungen sollen so ein anderes Ranking bekommen als Fehlermeldungen aus Systemen, welche die Flugsicherheit nicht beeinträchtigen und ohne welche der Flugauftrag auch ausführbar ist. Eine weitere Klasse von "Fehlermeldungen" betrifft Ursachen, die dadurch auftreten, dass kein Pilot im Cockpit sitzt. Ein offenes Canopy, ein gesicherter Schleudersitz und andere Ursachen, die sich darauf zurückführen lassen, dass jetzt nicht geflogen aber das Flugzeug durchgecheckt werden soll, wird derzeit auch als "NOGO" ausgeworfen - Meldungen, die eigentlich ignoriert werden könnten, aber in derzeitiger Form auf den Displays so erscheinen, als wären sie defekt. So entstehen eine ganze Reihe von NOGO's, die auf der Anzeige gleichzeitig und ident mit echten technischen Problemen erscheinen und die Technik muss es durchsehen um nichts zu übersehen. Evans spricht auch davon, dass BITE und GSS in ihren Grundfunktionen hervorragend funktionieren. Allerdings ist es zu sensibel und es müssen die ausgeworfenen Fehlermeldungen für die Zukunft noch etwas besser organisiert werden. Extra Softwareupdates für den Eurofighter gibt es aber keine. Gemeinsam mit den ersten Einsitzern folgt noch heuer auf das derzeitige PSP1 die Version PSP2. Über ein Zwischenrelease mit einigen Erweiterungen geht es dann innerhalb der nächsten zwei Jahre noch mit PSP3 und PSP4 weiter.
Drum lerne zu schauen, die Welt zu verstehen, dann wirst Du die Zeit mit anderen Augen sehen....Es liegen also zwischen den deutschen und der englischen Fliegern nicht nur organisatorische Differenzen. Auf der Insel ist man merkbar entspannt, spricht offen über Flugstundenzahlen, Verfügbarkeiten und auch Schwierigkeiten auf die man trifft.Für die Österreichischen Luftstreitkräfte ergibt sich die einmalige Situation einen vollkommen unterschiedlichen Zugang zu ein und dem selben Thema in Echtzeit über längere Zeit vergleichen zu können, daraus zu lernen, für sich selbst die entsprechenden Schlüsse zu ziehen und demgemäss Maßnahmen zu setzen. Ein Umstand den man sich beim ersten Exportkunden sicher nicht entgehen lassen wird. Und das ist auch unbedingt notwendig.
Natürlich befindet sich das technische Personal der Luftstreitkräfte auf weit zeitgemäßeren Niveau. Trotzdem - der Mittelpunkt der Bemühungen (der Draken), die heute selbstverständlich mit sämtlichen zeitgemäßen elektronischen Hilfsmitteln durchgeführt werden, hat das technische Niveau der 60er Jahre. Es wird auch in Österreich eine gewaltige Kraftanstrengung aller Beteiligten nötig sein um die zukünftigen Herausforderungen zu meistern. |
In Laage bei Rostock wurde in den 80er Jahren (1979-1988) ein Flugplatz für die Luftstreitkräfte der Nationalen Volksarmee der DDR errichtet und in Folge ein Jagdbomber und ein Marinefliegergeschwader mit jeweils 28 Su-22 stationiert.
Nach der deutschen Einigung verblieb Laage als einziger ex-DDR Flugplatz in militärischer Verwendung und wurde zum modernsten Fliegerhorst Deutschlands ausgebaut.
Foto: Martin Rosenkranz
Die Fachpresse beim Eurofighter.
47 NOGO's und die doch noch nicht so ganz papierlose Wartung.
Der "Case White" Hangar in Warton
Derzeit dürfen die bei BAE in Fertigstellung befindlichen Maschinen für Case White noch als Ersatzteillager herhalten.
Nächstes Jahr ist damit aber Schluss.
Ein Eurofighter startet.
Im Vergleich zum Draken ist der Typhoon zwar sicher nicht leiser aber viel schneller weg.
Nach nur wenigen Sekunden schalten die Piloten den Nachbrenner wieder aus, ansonsten laufen sie Gefahr ruck-zuck die Schallmauer zu durchbrechen.
Mit PKW großen Containern wird der Umlauf der Triebwerke von der Staffel zum Service und Retour durchgeführt.
Vier, fünf Case White-Starts pro Tag & der BAE Systems Testflugbetrieb sowie auch die Abnahmeflüge mit den auszuliefernden Maschinen machen Warton derzeit zum Flustundenspitzenreiter.
In Laage steht zwar auch ein Dom (13 Kanäle zu je 1600 x 1200 pixel, 360°), doch wird dieser noch über ein Jahr bis zur Fertigstellung benötigen.
Bis dahin wird mit der Eurofighter Interim Training Device geschult.
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Martin Rosenkranz