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Eiszeit im Eurofighter-Programm
Längster Extremkältetest der militärischen Luftfahrtgeschichte erfolgreich verlaufen

Ein Wintertag am Polarkreis besteht aus wenigen Stunden Dämmerlicht und viel Dunkelheit und Kälte.
Fotos: EADS
Seit im Herbst des Jahres 2003 ein geheimer Bericht des deutschen Rechnungshofes von den Medien veröffentlicht wurde in dem ein Teil der bisher nicht erbrachten Leistungsnachweise aufgelistet wurde hängt dem Eurofighter etwas der Mythos des "Schönwetterfliegers" am Hals.

Mit IPA4, dem ersten Eurofighter-Serienflugzeug, welcher am 27. Februar 2004 erstmals flog und welcher von EADS Spanien für Test und Leistungsnachweise im Zusammenhang mit Luft/Luft-Bewaffnung, Bordkanone, Umweltsysteme und Kommunikationssystem verwendet wird, hat man sich im Dezember 2004 nach Nordschweden aufgemacht, um sich mit einem Eurofighter-Serienflugzeug der Herausforderung eines Winters am Polarkreis zu stellen.
"CET" bzw. "Cold Environmental Trials" wird die Testreihe genannt, welcher sich ausgerechnet die sonnenverwöhnten Spanier im nordschwedischen Vidsel zu stellen hatten. Dort oben am Polarkreis hat es im Winter ein knackiges Gefriertruhen-Klima, bei dem selbst ein Kübel heißes Wasser im Freien binnen kürzester Zeit durchfriert.
Geradezu erhofft hat sich das CET-Team deshalb Temperaturen von bis zu unter Minus 30°C. Kein Wunder, dass die rund 50 Mitarbeiter des Testteams daher ein spezielles arktisches Training erhielten. Immerhin können bei solch niedrigen Aussentemperaturen selbst kleinere Probleme im freien sehr schnell lebensbedrohliche Ausmasse annehmen - wehe dem der keine Schutzkleidung trägt.

Die ursprüngliche Planung sah ein zweimonatigen Erprobungsphase ab 7. Dezember 2004 bis Mitte Februar 2005 vor - doch das Wetter machte dem CET-Team gleich mal einen strich durch die Rechnung - es war im Dezember "zu mild" am Polarkreis. Die erhofften stabil tiefen Temperaturen im Bereich zwischen -25°C und -31°C wurden nicht dauerhaft erreicht - es war einfach zu warm für die Erbringung der geforderten Nachweise. Also wurde die Testphase bis Mitte März 2005 verlängert und das Eurofighter-Team nutze die wärmeren Tage für außerplanmäßige Zusatz-Tests.
Dabei wurde etwa das Roll- und Bremsverhalten des Flugzeuges auf völlig vereisten und/oder verschneiten Startbahnen überprüft und der Eurofighter hinsichtlich der Richtungsstabilität und der ABS-Funktion des Fahrwerkes getestet.
Hauptaufgabe blieb aber die CET-Testreihe, bei der mit mehr als 45 einzelnen Funktionsnachweisen sowohl am Boden als auch mit 17 Flügen, bei denen die fehlerfreie Funktion des gesamten Flugzeugs und seiner Bordsysteme im geforderten Tieftemperaturbereich verifiziert wurde.
Zweck dieser Tests ist es, die besten operationellen Verfahren des Flugzeugs unter derartigen Verhältnissen festzulegen. Im Vorfeld aller Tests wird das Flugzeug ungeschützt den Außentemperaturen zur Anpassung ausgesetzt.
Testschritte sind unter anderem:


Erst nachdem der Eurofighter so richtig schön "durchgefrohren" war (Cold-Soak) wurdeer wieder in Betrieb gesetzt.
Fotos: EADS

Die Inbetriebnahme muss sich auch bei solchen Extrembedingungen mit minimalem Zeit- und Arbeitsaufwand bewerkstelligen lassen.
Fotos: EADS

Zur Vorbereitung jedes dieser Testschritte wurde der Eurofighter über Nacht ungeschützt den Witterungsbedingungen ausgesetzt. Die Kälte sollte buchstäblich jeden Winkel der Flugzeugzelle und der eingebauten Systeme durchdringen. Mit dem solchermaßen tiefgekühlten Kampfflugzeug wurden beispielsweise die Verfahren bis zur Flugklarmeldung und das Einhalten einer zweistündigen Sitzbereitschaft im autonomen Betrieb, bei dem die Flugzeugsysteme lediglich über die bordeigene Hilfsturbine versorgt werden, erprobt und für die Nutzer-Luftwaffen dokumentiert. Im Mittelpunkt des Test-Interesses stand naturgemäß auch das Verhalten aller mit Flüssigkeiten in Zusammenhang stehenden Flugzeugkreisläufe, etwa für Hydraulik und Kraftstoff nebst den dazugehörigen Aggregaten, wie Pumpen, Ventile, Fahrwerk, Luftbremse sowie der Klimaanlage. Aber auch Elektrik bzw. Elektronik sowie vergleichsweise "banale" Angelegenheiten wie das Öffnen und Schließen von Wartungsklappen und die Funktion von Dichtungen nahm man unter die Lupe. Immerhin hat fast jeder Autofahrer schon Erfahrungen gemacht mit festgefrorenen Türdichtungen, vereisten Schlössern, und Batterien die sang- und klanglos ihren Dienst quittieren.
Auch mit Schnee und Eis auf der Piste musst der Eurofighter zurecht kommen.
Fotos: EADS

Zur Überwachung und Speicherung der gewonnenen Testdaten war unter anderem eine mobile MIDS-Bodenstation (Multiple Information Distribution System) nach Vidsel gebracht worden. Integraler Bestandteil von CET war darüber hinaus auch der routinemäßige Bodenbetrieb, das Betanken und die Be- und Entladung von unterschiedlichen Außenlasten bis hin zu einem maximalen Landegewicht von knapp 19 Tonnen.

Nach dem Rückflug von IPA4 ins heimatliche Getafe, der mit einem Zwischenstopp beim deutschen Jagdgeschwader 73 "Steinhoff" in Laage bei Rostock absolviert wurde, zog Fernando Plaza, Programmdirektor bei EADS Militärflugzeuge in Spanien, Bilanz: "Wir sind sehr stolz darauf, den erfolgreichen Abschluss dieser Kampagne verkünden zu können. Alle CET-Programmpunkte wurden erfüllt und damit der Nachweis erbracht, dass der Eurofighter auch unter diesen extremen Umweltbedingungen allen operationellen Forderungen mehr als gerecht wird. Besonders erfreulich ist die Tatsache, dass das Flugzeug und seine Systeme trotz des arktischen Ambientes mit einer phänomenal positiven Klarstandsrate aufwarten konnte." Wie Plaza betonte, seien die Kältetests besonders exemplarisch, als IPA4 vor Beginn der Testreihe auf den aktuellsten Konfigurationsstand einschließlich der Integration der direkten Spracheingabe gebracht worden sei. Der spanische Programmleiter dankte allen beteiligten Firmenangehörigen und Institutionen, die zum Gelingen dieses wohl längsten Kälteversuchs in der militärischen Luftfahrtgeschichte beigetragen haben.
Allerdings - und das muss auch angemerkt werden - hat sich das Eurofighter-Testteam in Vidsel keinen wirklich unbekannten Temperaturbereich "angetan". Der CET-Test diente nur zur Verifizierung und als Abschluss einer langen Testreihe die auch viele Versuche an Prototypen in der Klimakammer umfasste. Insofern ist der erfolgreiche CET-Test auch einer umfangreichen und gewissenhaften Vorbereitung zu verdanken.
Was jetzt noch folgt ist eine ganze Menge "Papierkram" an dessen Ende die offizielle "Freigabe" für den Nutzerbetrieb unter den nachgewiesenen Umweltbedingungen steht.

Ort und Termin für den logischen Gegenpol der CET-Tests stehen übrigens auch schon fest. Im Sommer 2005 steht die sengende Hitze Nevadas auf dem Programm und anstatt bei -30°C den Eiszapfen beim Wachsen zuzusehen werden dann bei +50°C im Schatten Spiegeleier auf der Cockpitkanzel gebraten.

Übrigens wird das dann nicht der erste Auftritt eines Eurofighters in den USA sein. Denn vom 2. bis zum 5. Februar 2005 verlegte der RAF-Zweisitzer mit der Kennung ZJ804 von Warton über Lajes/Azoren und Bangor/Maine nach China Lake/Kalifornien. Im dort ansässigen Naval Air Warfare Center nimmt/nahm die Maschine an der Übung "Highrider" teil. Genaueres ist aber nicht bekannt, denn "Highrider" ist ein Manöver bei dem es sich um "elektronische Kampfführung" dreht - ein Thema bei dem die Lippen üblicherweise geschlossen und die Blicke strenger werden sobald man es erwähnt.

Martin Rosenkranz