MAKS 2007 special:
"Sukhoi Su-34"
Die eierlegende Wollmilchsau der russischen Luftstreitkräfte
Am 19. Dezember 2006 wurden die ersten beiden Su-34 an die russischen Luftstreitkräfte übergeben. Als Ersatz für die Su-24 und Su-24M sollen 200 Stück dieses Jagdbombers eingeführt werden. Parallel dazu werden einige der jüngeren Vorgänger zur Su-24M2 aufgerüstet.
Im Rahmen des diesjärigen Moskauer Luft- und Raumfahrtsalon "MAKS 2007" wird der Su-34 sicher besondere Aufmerksamkeit zuteil werden.
Wir bringen einen Überlick über das Su-34 Programm. Autor des Artikels ist unser Forumsgast "Foxhound".
Verkehrsbüro Reisen und www.airpower.at präsentieren:
MOSKAUER LUFT- und RAUMFAHRTSALON "MAKS 2007"
21.08. - 26.08.2007
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Übergabe der ersten beiden Su-34 an die russischen Luftstreitkräfte am 19. Dezember 2006.
Foto: NAPO
Mikhail Pogosian (links), Direktor der Sukhoi-Holding hofft in zwei oder drei Jahren die Produktion in Novosibirsk auf 12 Stk. pro Jahr hochfahren zu können.
Foto: NAPO
2010 soll das erste Regiment mit 24 Maschinen einsatzbereit sein.
Foto: NAPO
Mit bis zu 8 Tonnen Waffenlast und einer Reichweite von bis zu 4.000km ist die Su-34 ein ausserordentlich leistungsfähiger Jagdbomber.
Foto: Martin Rosenkranz
In naher Zukunft wird Rosoboronexport das Flugzeug als "Su-32" im Export anbieten.
Grafik: NAPO
Ein Upgrade-Programm wird die Su-24 waffentechnisch auf das Niveau der modernsten Su-30-Varianten bringen.
Foto: NAPO
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Vorgeschichte
Anfang der 80er Jahre hatten die sowjetischen Frontfliegerkräfte einen breiten Umfang an Jagdbombenflugzeugen, der sich von der Su-17 über MiG-27 bis hin zum schweren Frontbomber Su-24 erstreckte. Die vorhandenen Flugzeuge erfüllten die Forderungen bei ihrer Einführung in jeder Hinsicht, doch das sollte nicht lange so bleiben.
Vor allem veränderte Arten der Gefechtsführung und zunehmende Teuerungsraten machten die Entwicklung von Mehrzweckkampfflugzeugen notwendig. Es wurden Flugzeuge gefordert, die sowohl als Abfangjäger als auch als Jagdbomber einsetzbar waren. In Europa flog inzwischen der
Tornado und die Amerikaner formten den Kampftrainer F-15B kurzerhand zum Mehrzweckjäger F-15E
Strike Eagle. Das zwang die sowjetischen Konstruktionsbüros zu einem radikalen Umdenken.
Zwar hatte man mit dem leichten Frontjäger MiG-29 und dem schweren Luftüberlegenheitsjäger Su-27P bzw. Su-27S hervorragende Flugzeuge, die der F-15E in vielen Bereichen überlegen waren, aber keines der genannten Muster war in der Lage, schwere Schläge gegen Bodenziele im Hinterland des Gegners oder gegen Seeziele wie Trägerverbände zu führen. Die Su-27P war rein auf den Luftkampf ausgelegt und die Su-27S konnte außer den Luft-Luft-Raketen lediglich ungelenkte Luft-Boden-Raketen kurzer Reichweite verschießen.
Entwicklung
So begannen auf Befehl des Ministers für Luftfahrt-Industrie am 21. Januar 1983 im OKB
Sukhoi die Entwicklung eines schweren Jagdbombers. Die Forderungen der Luftstreitkräfte lauteten: hohe Manövrierfähigkeit, hohe Waffenzuladung, hohe Geschwindigkeit, weiter Einsatzradius.
Das alles ließ ich nur mit den neuesten Erkenntnissen in Aerodynamik und modernster Technologie - erst recht in den Bereichen Avionik und Bewaffnung - realisieren. Mit der Su-27 hatte man zumindest schon einmal eine Vorlage. Die spezielle Form des Rumpfes und der Flügel ermöglichte extreme Luftkampfmanöver, mit denen kein Flugzeug des Westens mithalten konnte. Auch die Waffenzuladung war mit sechs Tonnen nicht schlecht und große interne Tanks ermöglichten Kampfradien von mehr als 2 000 Kilometern. Die starken Triebwerke Al-31F brachten die Maschine auf Mach 2,35. Also war alles da, was Erfolg versprechend weiterverwendet werden konnte.
Ausgehend von der Su-27 und ihren in Entwicklung befindlichen Modifikationen wurde also der Nachfolger für den Frontbomber Su-24 projektiert. Allerdings sollte die neue Maschine auch noch den Mittelstreckenbomber Tupolew Tu-22M ersetzen.
Sukhoi-Chefkonstrukteur Rolan Martirossow gab dem Vorhaben zunächst die Werksbezeichnung T-10W und später wurde auch die Bezeichnung Su-27IB (IB = Istrebitel Bombardirowtshik = Jagdbombenflugzeug) bekannt.
Mit der Entwicklung eines funkelektronischen Komplexes zur Waffenlenkung wurde die Vereinigung
Leninets in St. Petersburg (damals noch Leningrad) beauftragt. Das Triebwerk wurde wieder von
Saturn entwickelt. Die Luft-Luft-Raketen sollten von
Wijmpel stammen, die Luft-Boden-Raketen von
Raduga. Den Auftrag für die Bordkanone bekam das Konstruktionsbüros für Gerätebau
Totshnost in Tula. Konkreter Ausgangspunkt für die T-10W war schließlich der nicht fertig gestellte Prototyp des bordgestützen Kampftrainers T-10KM-2 mit nebeneinander angeordneten Sitzen. Ursprünglich war lediglich die Aufrüstung der Su-27UB ins Auge gefasst worden, allerdings wäre die Belastung für die Besatzung bei Langstreckenflügen im engen Cockpit zu hoch geworden.
In Nowosibirsk wurde schließlich ein neues Rumpfvorderteil mit gepanzerter Kabine angefertigt und an die T-10KM-2 angebaut. Durch die nebeneinander liegenden Sitze erhielt das Rumpfvorderteil keinen runden, sondern einen flachen, elliptischen Querschnitt mit scharfen Seitenkanten, welche in die vorderen Tragflügelkonsolen übergingen. Der Einstieg ins Cockpit erfolgt über den Bugfahrwerksschacht. Da sich das Gewicht des Flugzeuges vor allem nach vorn verlagerte, wurde das Bugfahrwerk mit Doppelbereifung versehen und das Hauptfahrwerk als Tandem ausgelegt. Wesentlich verändert wurden auch die Luftansaugschächte, die nicht mehr regelbar sind. Das war möglich, da das Flugzeug als Jagdbomber vor allem im Tiefflug in Bodennähe eingesetzt werden soll und somit die Maximalgeschwindigkeit in großen Höhen an Bedeutung verliert.
Das Schnabeltier lernt fliegen
Am 13. April 1990 hob der erste Prototyp der Su-27IB, die
Blaue 42 zum Erstflug ab. Im Gegensatz zu den späteren Prototypen und Serienmodellen hatte die Maschine noch nicht das Tandemhauptfahrwerk. Geflogen wurde die Maschine von Jewgenij Aleksejewitsh Iwanow über dem Forschungsinstitut der russischen Luftstreitkräfte in Aktjubinsk.
Die Öffentlichkeit bekam das neue Flugzeug erstmals am 13. Februar 1992 anlässlich einer Beratung der GUS-Staaten in Matshulistshe in der Nähe von Minsk zu sehen. Die Organisatoren der Show rechneten offenbar damit, das mit der Vorstellung der Maschine staatliche Gelder zur Fortsetzung der Erprobung der Su-27IB losgeeist werden würden. Aber die Welt hatte bereits früher von der neuen Superwaffe erfahren, denn im Sommer 1990 befand sich das Flugzeug kurzzeitig auf dem Flugplatz Nowofjodorowka nahe der Stadt Sakij am Schwarzen Meer, wo sich das Testzentrum der russischen Fliegerkräfte der Seekriegsflotte befindet. Hintergrund war der Besuch des damaligen Präsidenten der Sowjetunion, Mikhail Gorbatschow, auf dem Flugzeugträger
Tbilissi, heute
Admiral Flota Sowetskowo Sojuza Kusnezow, der sich nach Deckerprobungen von Su-27K, MiG-29K und Su-25UTG und danach erfolgter Umbauten auf einer Werksfahrt befand. Diese Gelegenheit machte sich das OKB
Sukhoi zur Vorstellung des neuen Mehrzweckkampfflugzeuges zunutze. Der Testpilot führte mit der Su-27IB einen Landeanflug auf die
Tbilissi durch, fing die Maschine jedoch kurz vor dem Aufsetzen ab. Aufsetzen konnte die Maschine wegen des fehlenden Fanghakens ohnehin nicht und außerdem war sie für den Schanzenstart viel zu schwer. Die Bilder gingen natürlich um die Welt und prompt wurde angenommen, die Maschine sei auf dem Träger gelandet. So sprach man in Westen zunächst vom neuen bordgestützen Kampftrainer Su-27KU. Bis 1992 tappte man im Westen noch im Dunkel, bis die Su-27IB erstmals in Shukowskij 1992 offiziell präsentiert wurde.
Am 18. Dezember 1992 startete die erste Vorserienmaschine T-10W-2,
Blaue 43, jetzt mit Tadem-Hauptfahrwerk. Dabei handelte es sich um den zweiten Prototyp in Serienkonfiguration. Der Jagdbomber wurde so ausgelegt, dass er stark gesicherte Bodenziele bei allen Wetterbedingungen bei Tag und Nacht wirksam angreifen und vernichten konnte. Auch wurde der Heckkonus vergrößert, um Platz für zwei Bremsschirme und ein nach hinten gerichtetes Radar zu schaffen.
Im März 1994 wurde eine Su-27IB nonstop von Nowosibirsk nach Shukowskij überführt und dort als Su-34 vorgestellt. Die zweite Vorserienmaschine T-10W-3 erhielt die Seriennummer 45 und wurde 1995 als Su-32FN mit der Ausstellungsnummer 349 als statisches Display in Le Bourget vorgestellt. Diese Maschine war für Marineeinsätze mit dem Ortungssystem
Otklik ausgerüstet, mit dem sich U-Boot-Periskope auf bis zu 150 Kilometer Entfernung orten lassen. Außerdem war sie mit Antischifflenkwaffen bestückt.
Die Bezeichnung Su-32FN war jedoch nur eine neue Bezeichnung für ein und dasselbe Flugzeug. Erst beim letzten Besuch des Chefs der Luftstreitkräfte beim Hersteller in Nowosibirsk wurde festgelegt, dass die Maschine als Su-34 in die russischen Luftstreitkräfte aufgenommen wird. Der Hersteller bezeichnet jedoch die geplanten Exportmodelle als Su-32NF und Su-32M.
Am 25. Dezember 1996 startete das nächste Exemplar, die T-10W-4. Im Unterschied zu ihrer Vorgängerin führte sie bereits die gesamte funkelektronische Ausrüstung mit. Anfang 1997 begann die Testphase. Die Maschine bekam der weiße Nummer 44 und die Ausstellungsnummer 343. 1997 entstand mit der T-10W-6 ein weiteres Muster. Ende der 90er Jahre wurde bekannt, dass die Maschine mit dem Triebwerk Al-41F mit schwenkbarer Schubdüse ausgerüstet war.
Avionik und Bewaffnung
Mit T-10W-4 hatte die Waffensystemerprobung begonnen, mit Konzentration auf das Radar mit fester Antenne und optischer Strahlschwenkung. Es besitzt die Fähigkeit der Erstellung von hochauflösenden Radarkarten. Die Navigation übernimmt ein Empfänger in Kombination mit einer Trägheitsplattform, der sowohl mit GLONASS als auch mit GPS kompatibel ist und eine Genauigkeit von bis zu einem Meter ermöglicht. Ein Radarwarnempfänger, ein Infrarotsensor und ein Laserwarner sichern die Warnung vor Angriffen. Durch die Formgebung des Rumpfbugs, den Wegfall der Stabilisierungsflossen unter den Seitenleitwerken, dem Einbau radarabsorbierder Materialien und einem Radarschutzanstrich wurde die Radarsignatur beträchtlich verringert. Die Besatzung kann außerdem einen Störsender und die üblichen IR-Täuschkörper aktivieren.
Eine höhere Gefechtszuladung wurde unter Verwendung neuester Baustoffe sowie den Verzicht auf schwenkbare Tragflügel erreicht. Im Hecksteiß ist durch Verlegung der Bremsschirme ins Rumpfheck neben der funkelektronischen Ausrüstung noch Platz für einen Treibstofftank frei geworden.
Wie Su-27K, Su-30 und Su-35 verfügt nun auch die Su-34 über einen Luftbetankungssystem, dass ihr mit drei bis vier Luftbetankungen praktisch globale Reichweite verleiht. Grenzen setzt hier lediglich die Belastbarkeit der Besatzung. Doch diese Belastung verringert sich, da in der großen Kabine eine Toilette, ein Mikrowellenherd und ein Kühlfach für Getränke vorhanden sind. Außerdem kann ein Besatzungsmitglied durch die verstellbaren Sitze in liegender Position ruhen.
Als Abfangjäger konfiguriert kann die Su-34 folgende Bewaffnung mitführen: sechs Mittelstrecken-Luft-Luft-Raketen R-27R oder R-27T, acht Mittelstrecken-Luft-Luft-Raketen R-77 oder acht Luftkampfraketen R-73M2 für den Kurzstrecken- bzw. Nahkampf. Das Arsenal an lenkbaren Luft-Boden-Waffen besteht aus sechs Raketen Kh-29L, Kh-29T, Kh-25ML, S-25LD oder Korrekturbomben Kab-500Kr und Kab-500L, drei Raketen Kh-59M, Korrekturbomben Kab-1 500TK, sechs Antischiffraketen Kh-31A , Kh-41 oder Kh-35U oder sechs Antiradarraketen Kh-31P. An ungelenkten Waffen zur Bekämpfung von Erdzielen können an zwölf Pylonen drei Bomben zu je 1500 Kilo, 16 Bomben zu je 500 Kilo, 36 Bomben zu je 250 Kilo oder 48 Bomben zu je 100 Kilo befestigt werden. Weiter können acht Behälter KMGU, 120 Raketen S-8 (in sechs Behältern B-8M1), 30 Raketen S-13 (in sechs Behältern B-13L) oder sechs S-25 angebracht werden.
Die russischen Luftstreitkräfte sowie die Luftstreitkräfte der Seekriegsflotte verfügen derzeit über 100 Tu-22M3, 475 Su-24 und Su-24M sowie rund 150 Su-24MR, die Aufgrund ihres Alters (und des hohen Treibstoffverbrauchs bei der Tu-22M3) ersetzt werden müssen. Dank ihrer höheren Gefechtswerte und der Mehrzweckverwendung wird die Anzahl der zu beschaffenden Su-34 deutlich niedriger sein. Der erste Liefervertrag für die russischen Luftstreitkräfte wurde im März 2006 mit dem Herstellerwerk
NAPO in Nowosibirsk abgeschlossen. Die erste Maschine
Rote 01 wurde für Erprobungen am 6. Juli ausgeliefert und zusammen mit der 02 am 19. Dezember den russischen Luftstreitkräften im Ausbildungszentrum in Lipetsk übergeben. 2007 sollen dann sechs, 2008 zehn und 2009 weitere sechs Stück geliefert werden. Bis 2010 will man das erste Regiment mit 24 Maschinen einsatzbereit aufgestellt haben. Bis 2015 sollen 58 Maschinen ausgeliefert sein und langfristige Pläne bis 2020 und darüber hinaus sprechen inzwischen von 200 Su-34. Der Stückpreis liegt heute bei 30 Millionen Dollar, doch erst volle Auftragsbücher, vor allem im Export, dürften zur finanziellen Entlastung beitragen. Erste Interessenten sollen Libyen, Syrien und eventuell der Iran sein.
Als einziges halbwegs vergleichbares Waffensystem kann die F-15E Strike Eagle angesehen werden. Flugzeuge mit ähnlich gelagerten Aufgaben wie etwa der Tornado, die Jaguar oder Mirage F.1 sollen demnächst durch den Eurofighter ersetzt werden. Daher ist ein Vergleich mit der Su-34 nicht mehr sinnvoll.
Mögliche Varianten
Man mag spekulieren, was aus der Su-34 noch werden kann. Möglich ist in der russischen Ingenieurskunst alles. Unter Garantie wird es eine Variante zur Aufklärung geben (mögliche Bezeichnung Su-34R). Eine trägergestützte Variante für einen neuen Flugzeugträger nach 2015 scheint ebenfalls möglich. Wie gesagt, man kann nur spekulieren, was noch in den Schubladen schlummert ...
Und der Vorgänger?
Was wird wohl aus dem Vorgänger, der bewährten und robusten Su-24M werden? Die ältesten Maschinen der Baureihe werden wohl komplett ersetzt werden, aber da sich die Einführung der Su-34 verzögert hat gibt es durchaus noch Hoffnung für die jüngeren Su-24M.
Die Su-24M2, ein Upgrade-Programm, dass die Su-24M waffentechnisch auf das Niveau der modernsten Su-30-Varianten bringt, nimmt nach ihrer Präsentation auf der MAKS und der zur Zeit laufenden Erprobungen Gestalt an. Die Maschinen bekommen u.a. neue GLONASS-kompatible Navigationssysteme, verbesserte Systeme zur elektronischen Kriegsführung, sowie Waffenleitsysteme die den Einsatz von modernsten Luft-Boden-Lenkwaffen ermöglichen. Erst 2001 schloss Algerien einen Vertrag zur Modernisierung seiner Su-24MK und Su-24MR ab und bestellte kurzerhand 22 Maschinen nach modernisiertem Standard. Diese als Su-24MK2 und Su-24MRK2 wurden bis 2004 ausgeliefert.
Auf der ILA-2000 wurde ein Modell gezeigt, das die Bezeichnung Su-24bis trägt. Dabei handelt es sich um eine Upgrade-Variante mit modernster Avionik, die eventuelle Komponenten aus der Su-34 erhält. Wobei sich diese Version rein auf den Export beziehen wird.
"Foxhound"