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USAF & JSF: "30° nose-low and 90°bank - all we see is ground..."
Finanzierung des "War on Terror" erschüttert JSF-Programm in Grundfesten.

Bilder von den ersten Flügen:
Am 5. Februar legte das Department of Defense (DoD) der USA den Budgetplan für das nächste Finanzjahr (Fiscal-Year - FY - 2008) vor. Ein gewaltiger Verteidigungshaushalt von US$ 623.1 Milliarden (EUR 481,6 Mrd.) schwebt der Bush Administration vor, mehr als die restliche Welt zusammen ausgibt. Das Budget besteht aus zwei Elementen. Das ‚Basis-Budget' des DoD soll um 11,3% auf US$ 481,4 Milliarden steigen. Ein eigenes Zusatz-Budget für den ‚Global War on Terror' (GWOT) soll US$ 141,7 Milliarden betragen.

JSF in Nöten

Doch zwei laufende Kriege weit weg kosten Unsummen und so scheint selbst dieses massive Aufstocken an Finanzmitteln nicht genug zu sein um gehegte Schlüsselprogramme der Teilstreitkräfte zu schonen. So muss auch das größte Beschaffungsprogramm des DoD - der F-35 ‚Lightning II' / "Joint Strike Fighter" - offenbar gewaltig Federn lassen.

Bereits im laufenden FY07 wurden dem DoD vom US-Congress nur Mittel für zwei F-35A statt der geplanten fünf genehmigt. Fürs FY08 wären Mittel von US$ 6,1 Milliarden bzw. die Produktion von insgesamt lediglich 12 Flugzeugen (sechs konventionelle F-35A und sechs VSTOVL F-35B) geplant. Die USAF sucht im laufenden FY07 nach US$ 200 Millionen um 2 F-35A zusätzlich fertigzustellen und will aus ihrem GWOT-Budgetanteil US$ 189 Millionen für noch einen F-35A abzweigen. Das macht mit heutigem Tag ‚Funds' für insgesamt 15 Maschinen - wohlgemerkt enthalten diese Summen beträchtliche Entwicklungsanteile...!
Die wahre Tragödie spielt sich aber bei der Langfristplanung für die Serienproduktion ab. Ist die US Air Force bisher davon ausgegangen, dass die Fertigungsrate der F-35A nach - holprigem - Anlauf bis auf 110 Stk./Jahr hochfährt, ist jetzt nur mehr ein Hochfahren bis auf 48 Stk. im Jahr 2012 (!) und danach ein Einfrieren auf eben dieser Fertigungsrate geplant! Eine Planung die das ganze Finanzgefüge des Programms nicht nur ins Wanken sondern nahezu zum Einsturz bringt. Verliert der als massenhafter F-16-Ersatz vermarkteter JSF doch damit sein vielleicht wichtigstes Asset: Leistbarkeit!

Die "konventionelle" Air Force Variante F-35A ist mit geplanten 1.763 Stk. der Eckpfeiler im Programm und war zuvor mit valorisierten Fixkosten von max. US$ 50 Mio./Stk. über den gesamten Fertigungszyklus geplant. Die nun um 56% reduzierte geplante jährliche Fertigungsrate (von 110 auf 48) hat jedenfalls dramatische Auswirkungen auf den Stückpreis. Nicht wenige Analysten sehen US$ 100 Mio. Marke pro Flugzeug schon überschritten. Doch damit der schlechten Nachrichten nicht genug:

US Navy und US Marine Corps könnten auf Teile der für sie geplanten Stückzahl von 680 JSFs verzichten und sich stattdessen für zusätzliche Boeing F/A-18E/F ‚Super-Hornets' entscheiden. Auch die Entwicklung des zweiten Triebwerks für den JSF steht abermals auf der Kippe. Jenes General Electric/Rolls-Royce F136 ist für Großbritannien neben dem R&R Lift-Fan des F-35B ein ganz zentrales Element ihrer Beteiligung am Programm. Das DoD tritt nun erneut an den Congress heran um das F136 zu stoppen - was letztendlich nur dazu führen kann, dass London's Lord Drayson erneut schärfstens protestieren und wieder die Möglichkeit des Ausstieg in den Raum stellen wird.

Das FY08 Budget der USAF

Trotz geplanten US$ 153,9 Mrd. fürs FY08 (ein Plus von US$ 7,9 Mrd. gegenüber FY07) sieht sich der Budget-Direktor der US Air Force MajorGeneral Frank Faykes, noch weiteren - ziemlich unlösbaren - Problemen gegenüber.
Der durchschnittliche Bereitschaftsgrad ist aufgrund der hohen operativen Belastungen um ganze 17% gesunken. Das durchschnittliche Flottenalter beträgt inzwischen 24 Jahre und die USAF benötigt daher zusätzliche Budgetmittel um die derzeitigen Fighter für voraussichtlich etliche Jahre länger im Dienst zu halten. Da überrascht es auch nicht mehr, dass fast parallel dazu das Pentagon Mittel verweigert hat um das geplante ‚Core Component Jammer'-Programm zu starten - die Air Force hingegen ist fest überzeugt diesen Jammer im Kampf gegen neue(re) Boden/Luft-Lenkwaffensysteme - a lá S-400 - ab ca. 2012 zu benötigen.

Zumindest ein kleines Trostpflaster beinhaltet das FY08 Budget aber für die Air Force. Das DoD stellt Mittel für die Beschaffung von weitern 20 F-22 Raptor bereit. US$ 3,8Mrd. sind dafür vorgesehen - stolze US$ 190Mio. (EUR 146,9Mio.) pro Maschine - "fly away" - versteht sich...!

So ist es in Summe kein Wunder, dass ein hoher Air Force Offizier im Zusammenhang mit dem Zustand von Budgetplanung und JSF-Programm mit den Worten "We're 30° nose-low and 90°bank, and all we see is ground...!" zitiert wird.

F-35A (US Air Force) F-35B (US Marine Corps & Royal Navy) F-35C (US Navy)
Triebwerk: 1 x P&W F135 oder GE/RR F136 mit 177,8kN
Länge: 15,67m
Spannweite: 10,67m
Flügelfläche: 42,70m²
Leermasse: 13,17t
Kraftstoffkapazität: 8,38t+
Einsatzradius: 1.090km+
max. Mach: 1.6
Preis fly-away (GAO 2006): US$ 44,5 Mio.
Triebwerk: 1 x P&W F135 oder GE/RR F136 mit 177,8kN
Länge: 15,61m
Spannweite: 10,67m
Flügelfläche: 42,70m²
Leermasse: 14,59t
Kraftstoffkapazität: 6,35t+
Einsatzradius: 830km+
max. Mach: 1.6
Preis fly-away (GAO 2006): US$ 58,7 Mio.
Triebwerk: 1 x P&W F135 oder GE/RR F136 mit 177,8kN
Länge: 15,67m
Spannweite: 13,11m
Flügelfläche: 62,06m²
Leermasse: 14,48t
Kraftstoffkapazität: 9,11t+
Einsatzradius: 1.110km+
max. Mach: 1.6
Preis fly-away (GAO 2006): US$ 61,7 Mio.

Und die Partner ?

Den Einzahlern in SDD und PSFD wurden Informationen, Fertigungsaufträge, frühere Lieferung und Wartungsaufträge versprochen - die bisherigen Reaktionen der Mitfinanziers sind "gemischt".
Noch ist das FY08-DoD Budget aber nicht durch den Congress und hängt auch die tatsächliche Zukunft des F-35-Programmes noch etwas im Ungewissen. Trotzdem ist jetzt schon absehbar, dass sich die US Regierung mit den acht zahlenden int. Programm-Partnern massive Probleme einhandeln wird. Über US$ 4,5 Mrd. haben diese Partnerländer in den Finanzierungstopf für die Systementwurfs- und Entwicklungsphase (SDD) eingezahlt - davon stammen über US$ 4 Mrd. aus Europa. Erst zwischen November 06 und Februar 07 erfolgten - nach längerem Feilschen wegen nationaler Unzufriedenheit mit Lockheeds Offsets und US-Geheimhaltungsphobien auch gegenüber engen Alliierten - die Unterschriften der acht Verteidigungsminister bzw. Staatssekretäre unter die anlaufende ‚Production, Sustainment, and follow-on-Development (PSFD) Phase'.

Im Gegenzug zu den beträchtlichen - wenn auch aus US-Sicht vielleicht ‚netten' Summen aus England, Australien, Kanada, Italien, Türkei, Norwegen, Niederlande und Dänemark - wurde den Partnern ein valorisierter Fixpreis von max. US$ 50 Mio. für die A-Variante sowie Anteile an den Fertigungs- und Wartungsaufträgen über die Lebensdauer des Programms versprochen. Inzwischen kann mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Preis pro Maschine erheblich über und die Aufträge aus dem Programm erheblich unter den geplanten Werten liegen werden. Einen wirklich großen ‚Brocken' an eigentlicher JSF-Arbeit hat sich bisher nur die Türkei (SDD Anteil US$ 175 Mio. / geplant 100 Stk.). gesichert, an ‚TUSAS-Aerospace Industry' wurde am 7. Februar - wie Northrop-Grumman - die Fertigung von F-35 Rumpfmittelstücke vergeben. Ob - neben unbestreitbarem Know-How Gewinn - das aber ein anvisiertes Volumen von US$ 3 Milliarden für TUSAS ‚bringen' wird, ist von der letztlich realisierten Anzahl an F-35s abhängig.

Länder die ihre zukünftige Luftwaffenstruktur - rund um einen einzigen Typ - ganz auf den JSF ausgerichtet haben werden absehbar schmerzhafte Änderungen an ihren eignen Planungen, bzw. eine Aufstockung der Mittel vornehmen müssen. Besonders betroffen sind der einzige Level-1 Partner Großbritannien (SDD Anteil US$ 2 Mrd. / geplant 150 Stk.), Italien (SDD Anteil US$ 1 Mrd. / geplant 131 Stk.) und die Niederlande (SDD Anteil US$ 800 Mio. / geplant 85 Stk.). Größere innenpolitische Zerwürfnisse kann das besonders in Norwegen oder Dänemark verursachen. Zwar schon mit jeweils US$ 125 Mio. im SDD-Topf vertreten, aber noch vor einer Typentscheidung für die F-16-Nachfolge planten beide Länder bisher mit je 48 Stk. Oslo hat zwar am Silvestertag PSFD unterschrieben, aber die Sozialisten in der Koalition lehnen eine tatsächliche Beschaffung des Typs ab bzw. wollen F-16 modernisieren oder wenigst Gripen beschaffen (kommt uns bekannt vor) und selbst die konservative Fortschrittspartei verlautete im Dezember dass "Lockheed unsere Anforderungen in keiner Weise erfüllt hat."

London plant nicht nur die Beschaffung der Maschinen - tunlichst mit F136 Triebwerken aus britischer Produktion - sondern auch den Bau von zwei VSTOVL-Flugzeugträgern, von denen F-35B zum Einsatz kommen sollen. Sähe sich London gezwungen auszusteigen, käme das einem Supergau für die Streitkräfteplanung der Royal Navy gleich. Nebst erheblicher Änderungen am Trägerkonzept müsste auch eine neue Partnerschaft für ein passendes Trägerflugzeug gefunden werden.
Ähnlich die Probleme in Italien - auch dort soll ein Teil der JSFs von VSTOVL-Trägern aus zum Einsatz kommen. Allein für Rom, es unterzeichnete - Linkskoalition hin oder her - die PSFD am 7. Februar, bedeutet der F-35 beispielsweise Finanzmittel in Höhe von ~US$ 1 Milliarde.

Mit Haut und Haaren dem JSF verschrieben haben sich die Niederlande. Geschieht nicht noch ein Wunder werden die holländischen F-16 statt im Verhältnis 3/2 bestenfalls noch im Verhältnis 2/1 gegen JSFs getauscht - und sich die Fighter-Force der "Koninklijke Luchtmacht" bis 2020 mindestens halbieren.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit Fixstarter unter den JSF-Käufern sind Australien (SDD Anteil US$ 150 Mio. / geplant 100 Stk.) und Kanada (SDD Anteil US$ 150 Mio. / geplant 88 Stk.) Aber zumindest in Australien überlegt man schon, ob es nicht gescheiter wäre gleich ein paar Mio. mehr pro Flugzeug zu bezahlen aber dafür mit dem ungleich leistungsfähigeren F-22 Raptor die alten F/A-18 und noch älteren F-111C der RAAF zu ersetzen. Als ‚Stop-Gap' wegen der absehbaren Verzögerungen wird Canberra zunächst 24 F/A-18E/Fs beschaffen (müssen)...

Ungeteilte Freude wird sich angesichts der neuen Probleme beim JSF in Europa jedenfalls nicht breit machen. Stellen doch die geplant bis zu 414 JSFs für vier EU-Länder - samt der Träger auf denen sie zum Teil zum Einsatz kommen sollen - einen nicht unerheblichen Teil der militärischen Schlagkraft Europas für den Zeitraum ab 2020 dar. Da derselbe "War on Terror" auch in den Budgets der europäischen JSF-Partner kaum mehr Spielraum lässt, wird auch in "good old Europe" der "Erdboden der Tatsachen" formatfüllend vor den Cockpitkanzeln erscheinen...

Martin Rosenkranz
und Georg Mader

Fotos & Grafiken: Lockheed Martin