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MAKS 2007 special:
Mikojan-Gurewitsh MiG-35
5th Generation Fulcrum

Man könnte fast meinen, den Russen ist die Modernisierung der Streitkräfte ihrer besten Kunden wichtiger, als die der eigenen. Das stimmt sogar bis zu einem gewissen Grad. Während die Modernisierung der russischen Luftstreitkräfte eher langsam verläuft, kann den Russen im Export kaum jemand dazwischen funken. Indiens Ausschreibung für das Medium Multi Role Combat Aircraft, kurz MMRCA ließ so manchen Hersteller von Kampfflugzeugen aufhorchen. So auch die RAC MiG, die zur Überraschung aller auf der Aero India 2007 prompt ihre neue MiG-35 ins Rennen schicken - die erste MiG der 5. Generation.
Marco "Foxhound" Friedrich für www.airpower.at über die neue MiG-35

Vorgeschichte

Der Zusammenbruch der UdSSR war für Mikojan ein schwerer Schlag. Bis dato Nummer eins in der sowjetischen Flugzeugindustrie für den Export von Kampfflugzeugen, konnten nach 1991 nur wenige Kampfflugzeuge verkauft werden. Das galt leider auch für Mikojans Flaggschiff, die berüchtigte MiG-29. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurde klar, was in der MiG-29 steckte. Von der ehemaligen NVA der DDR wurden kurzerhand alle 24 MiG-29 in die Bundeswehr übernommen und erprobt. Im Nahkampf galt die Maschine bis dahin als unübertroffen. Ihr Schub/Gewichtsverhältnis und ihre Wendigkeit kombiniert mit der Luftkampfrakete R-73 brachten so manche NATO-Piloten in Manöver gegen die deutschen Fulcrum ins Schwitzen. Aber die MiG-29 hatte Schwächen, und die waren gravierend.

Nach 1990 durchlief die MiG-29 einige Modernisierungsprogramme. Schon 1983 wurde klar, das die MiG-29 auch zum Mehrzweckjäger taugen könnte. Bei Sukhoi arbeitete man an den Mehrzweckflugzugen Su-30 und Su-34, beides waren Doppelsitzer. Ob zum damaligen Zeitpunkt bereits eine zweisitzige Mehrzweckversion der MiG-29 geplant war, ist fraglich. Jedenfalls flog 1986 die MiG-29M, die Urahnin der jetzigen MiG-35. Glascockpit, HOTAS, Fly-by-wire-Steuerung, Radarschutzanstrich, Waffenleitsystem N010 Zhuk. Die Luft-Boden-Schlagkraft reichte knapp an die der F-16C heran. Einziges Manko war die Verkleinerung des Kampfsatzes der Kanone auf 100 Schuss. Die geplante Einführung der MiG-29M in die russischen Luftstreitkräfte war 1992. Bis 2000 sollten zwischen 300 und 400 Maschinen angeschafft werden. 1990 dann das Fiasko - kein Geld mehr. Und das, obwohl die MiG-29M die staatliche Erprobung sogut wie abgeschlossen hatte. Das Chaos der Jelzin-Ära und die einseitige Ausrichtung der Luftstreitkräfte auf die Su-27-Serie taten ihr übriges. 1996 sollten zunächst 30 MiG-29M angschafft werden, dann wurde die Bestellung wieder storniert. Die MiG-29M verschwand im Hangar, ihre Exportversion MiG-29ME und der Kampftrainer MiG-29UBM verschwanden in der Schublade. Auch die Variante für Flugzeugträger MiG-29K wurde nur für den Export weiterverfolgt. Aber damit war es nicht ganz zu Ende ...

Der Neubeginn

Die MiG-35 kann auf Wunsch auch mit den Schubvektortriebwerken der MiG-29OWT ausgerüstet werden.
Auf der ILA-2006 in Berlin gab die MiG-29OWT ihr Debüt. Die Maschine wurde aus einem der sechs Prototypen der MiG-29M gebaut. Sie besitzt Schubvektortriebwerke RD-33MKB. Testpilot Pawel Wlasow konnte damit erstaunliche Manöver vorführen. Dennoch ist die Maschine nichts anderes als ein Demonstrator. Das Hauptaugenmerk liegt beim Doppelsitzer.
Schon 1999 begann man bei MiG MAPO mit der Entwicklung eines zweisitzigen Mehrzweckjägers auf Basis der MiG-29M. Nachdem Sukhoi mit seiner Su-30MKI in Indien und Su-30MKK in China beachtliche Erfolge erzielt hatte, wollte man gleichziehen. Der neue Mehrzweckjäger erhielt die Bezeichnung MiG-29M2 und flog erstmals 2001. Anfang 2007 flog auch der bordgestützte Kampftrainer MiG-29KUB, der auf der MiG-29M2 basiert und daher auch als Mehrzweckjäger einzusetzen sein dürfte.
2006 entstand aus der MiG-29M2 die jetzige MiG-35 Blaue 154. Der Zweisitzer vereint alle technischen Neuerungen der Modelle MiG-29OWT und MiG-29M2.

Avionik und Bewaffung

Die MiG-35 besitzt den Radar- und Waffenleitkomplex NIIR Zhuk-AE von Phazotron. Das System verfügt als erstes russisches Jägerradar über eine Antenne mit aktiver elektronischer Strahlschwenkung und einer Reichweite von 130 km. Es kann 30 Ziele gleichzeitig begleiten und sechs davon in rascher Folge mit Mittelstrecken-Luft-Luft-Raketen R-77 oder R-27 bekämpfen. Es besitzt die Fähigkeit der Erstellung von hochauflösenden Radarkarten. Ein Empfänger in Kombination mit einer Trägheitsplattform, der sowohl mit GLONASS als auch mit GPS kompatibel ist und eine Genauigkeit von bis zu einem Meter ermöglicht, ist für die Navigation zuständig.
Zur Zielerfassung kommen der Optik- und Infrarotsensor Kols-MG sowie das Helmvisier für den Piloten zum Einsatz. Das optische System verfügt je nach Wetterlage über eine Reichweite von 30 Kilometer. Eine Vierkanal Fly-by-Wire-Steuerung übernimmt bei allen möglichen Flug- und Beladungszuständen zuverlässig die Steuerung der Maschine. Dem Anstellwinkel muss kaum noch Beachtung geschenkt werden, durch eine automatische Begrenzung wird ein Überziehen faktisch unmöglich. Das FBW-System begrenzt die Belastung der Zelle erheblich, indem extrem strukturbelastende Manöver ohne zutun des Piloten automatisch auf erträgliche Werte gesenkt werden. Das verlängert einerseits die Lebensdauer der Maschine und andererseits die Gesundheit des Piloten.
Das vordere Cockpit ist modern gestaltet, mit drei farbigen LCD-MFD und HUD. Das hintere Cockpit umfasst vier LCD-MFD, wobei auf das HUD verzichtet wurde, um TV- und Radarbilder darstellen zu können, die für die präzise Lenkung von Luft-Boden-Waffen notwendig sind. Auch können damit bei Schulungszwecken die Daten des vorderen HUD dargestellt werden. Ein Radarwarnempfänger, ein Infrarotsensor und ein Laserwarner sichern die Warnung vor Angriffen. Die Abwehrmaßnahmen umfassen Störkörperwerfer mit größerer Kapazität. Auch eine Einrichtung zur gleichzeitigen passiven Zielzuweisung an zwei Antiradarraketen Kh-31P ist vorhanden. Das System kann je nach Einsatz durch einen Breitband-Radarstörbehälter ergänzt werden, der mehr als 100 verschiedene Emitter gleichzeitig erkennen und wirksam stören kann.
Als Abfang- oder Luftüberlegenheitsjäger konfiguriert kann die MiG-35 Luftkampfraketen R-73E oder R-73M2, sowie Mittelstrecken-Luft-Luft-Raketen R-77 unhd R-27T einsetzen. Für Angriffe auf Bodenziele stehen TV-gelenkte Luft-Boden-Raketen Kh-29T und Kh-29TE zu Verfügung. Für Nahbereichsangriffe kommen bis zu acht Behälter B-8M1 mit jeweils 20 ungelenkten Luft-Boden-Raketen S-8 zum Einsatz. In der Rolle als Wild Weasel kann die MiG-35 bis zu vier Antiradarraketen Kh-31P tragen und zwei davon gleichzeitig einsetzen. Gegen Schiffe können vier Antischiffraketen Kh-31A oder vier Kh-35 eingesetzt werden. Weiterhin können freifallende, TV-gelenkte Bomben KAB-500Kr und KAB-500Kr-OD, sowie ungelenkte Bomben OFAB-250-270 mitgeführt werden.

Antrieb

Phazotron-Magazin von der Aero India 07 zum download (5MB).
Die MiG-35 besitzt das Triebwerk RD-33MKB, das auf Wunsch auch mit einer Schubvektorsteuerung bestellt werden kann. Gesunken ist durch das höhere Abfluggewicht die Höchstgeschwindigkeit. Im Tiefflug sind nach wie vor 1 500 km/h möglich, im der Stratosphäre allerdings nur noch 2 200 km/h. Immerhin Eurofighter-Niveau. Gearbeitet wird angeblich an einem Triebwerk mit Supercruise-Fähigkeiten. Die Reichweite der MiG-35 beträgt bis zu 2 000 km und kann unter Zuhilfenahme von bis zu drei Zusatztanks und Luftbetankung auf bis zu 6 000 km erhöht werden. Je nach Einsatz verspricht der Hersteller eine Lebensdauer der Turbine von 4 000 Stunden, was einer Betriebszeit von etwa 40 Jahren (!) entspricht.

Zusammenfassung

Auf der Aero India 2007 hofft Russland auf einen ähnlichen Deal, wie mit der Su-30MKI, von der mittlerweile 140 Maschinen in indischer Lizenz gefertigt werden. Indien ist damit das einzige Land, das Kampfjets mit Schubvektorsteuerung baut und einsetzt. Generaldirektor Wladimir Barkowskij verdeutlichte, dass das OKB MiG in dieser Phalanx bestens positioniert ist, mit dem Angebot einer besonders großzügigen Lizenz 80 Prozent der Maschine in Indien fertigen zu lassen, wobei Know how für die bereits bestellten MiG-29K und MiG-20KUB gleich mit abfiele. Gesucht ist nun aber ein Flugzeug, das zwischen dem Light Combat Aircraft (LCA) Tejas und dem schweren Mehrzweckjäger Su-30MKI angesiedelt ist. Bisher wird diese Lücke von MiG-27 gefüllt, die jedoch trotz Upgrades allmählich zu alt werden. Die Amerikaner gehen mit F-16C/D Block 70 Fighting Falcon und F/A-18E/F Super Hornet an den Start. Dassault schickt das Arbeitspferd Mirage 2000-5 und die neue Rafale ins Rennen, EADS möchte mit dem Eurofighter Typhoon starten und Saab bietet die JAS-39 Gripen an. Die MiG-35 hat also nicht zu unterschätzende Konkurrenz. Schließlich geht es um 127 neue Flugzeuge.

Marco "Foxhound" Friedrich

Verkehrsbüro Reisen und www.airpower.at präsentieren:

MOSKAUER LUFT- und RAUMFAHRTSALON
"MAKS 2007"
21.08. - 26.08.2007

MiG-35 = Fulcrum runderneuert.

Das Zhuk-AE von Phazotron verfügt über 680 T/R-Module.

Im vorderen Cockpit sind im Vergleich zur MiG-29M2 die Uhreninstrumente einem weiteren MFD gewichen.

Auch hinten wurden die Uhreninstrumente entfernt und statt dessen ein weiterer MFD montiert.

Der Optik- und Infrarotsensor Kols-MG

Unter der rechten Triebwerkskanal hat offenbar ein Zielbeleuchtungsbehälter für Luft/Boden-Waffen Platz gefunden.

Mehr MiG-35 Fotos von der Air India auf: http://www.aviapedia.com/exhibitions/mig-35-photos-from-airindia2007