Fotos: Bundeswehr |
Dies führte beim Eurofighter und bei der IRIS-T - beides voll-digitale Waffensysteme - zu ein und derselben Erkenntnis.
Es bedarf sowohl im Eurofighter als auch in der IRIS-T einer auf- und abwärts kompatiblen analog/digital Schnittstelle um die in den NATO-Streitkräften eingeführte AIM-9L Sidewinder weiterhin am Eurofighter verwenden zu können und die IRIS-T ohne teure Umrüstungen auch auf älteren Flugzeugen, wie z.B. dem Tornado, verwenden zu können.
Und so kam es, dass man angesichts begrenzter Entwicklungsgelder und dem Wunsch nach raschen Ergebnissen die aufwändige Digitalintegration der IRIS-T in den Eurofighter auf die lange Bank schob - sich mit der analog Schnittstelle begnügte - und die F&E-Gelder in andere Bereiche gingen. Dass der extrem aufwändige Datenhelm auch noch nicht fertig war gab hier offenbar ebenfalls Vortrieb.
Ergebnis war, dass man in Summe gesehen kaum Mehrarbeit hatte, aber die IRIS-T relativ schnell und günstig auf den Eurofighter brachte. Die Entwicklungsabteilung freute das auch - denn die ist immer froh, wenn mit einer schrittweisen Integration das Risiko verringert werden kann.
Die digital-Integration ist übrigens bis dato immer noch nicht fixiert, die Luftwaffen der drei Partnerländer stört das sichtlich wenig - nur in Österreich wird - mit gerade noch 15 Eurofightern und kaum mehr Lenkwaffen ein Tamtam veranstaltet als wäre eine Welt zusammengebrochen.
Was also kann IRIS-T im analog Modus. Und die hat leistungsmäßig wahrlich nichts mehr mit den alten Sidewindern zu tun. Doch zuerst ein paar Basics, damit - wer das wirklich verstehen möchte - klar ist wie die Sache im Prinzip funktioniert.
AufschaltungEs gibt mehrere Methoden eine Infrarot-Luft/Luft-Lenkwaffe auf ein Ziel aufzuschalten.
Die älteste und herkömmlichste Methode ist "boresight".
Mit Einführung der AIM-9J im Jahre 1977 kam erstmals der Sidewinder Expanded Acquisition Mode (SEAM) zum Einsatz. SEAM steuert den Infrarot-Suchkopf der Lenkwaffe über das Radar der Maschine. Der Suchkopf folgt der Schwenkung des Radars so lange bis eines der beiden an seinen Schwenkbereich stößt. Ab Aufschaltung erfolgt wieder das Brummen, das lösen des Suchkopfes von der SEAM Anbindung und das selbstständige Verfolgen des Zieles durch den Suchkopf in dessen gesamten Schwenkbereich.
Eine vierte Methode ist die Suchkopf-Steuerung der Lenkwaffe über ein Helmvisier - Fachleute kennen das als "Schlemm-Shot". Erstmals kam diese Methode zur Anwendung in der Sowjetunion in den 80er Jahren.
Weitere Methoden sind in Ausarbeitung wobei die Forderung "lock-on-after-launch" (loal) - also Zielerfassung und Aufschaltung erst nach Abschuss vom Trägerflugzeug - zentral im Raum steht. Wann es zu einer Realisierung kommt ist noch unklar. Ebenso unbekannt ist, wie die Aufschaltung auf das richtige Ziel technisch ablaufen soll. Da sich diese Funktion noch auf Ebene der Forschung und Entwicklung befindet ist die Geheimhaltung hier noch sehr rigoros. Denkbar ist, dass die Fähigkeit moderner Suchköpfe zur Bilderkennung ebenso Anwendung findet wie Datenlinktechnologien. Die Lenkwaffe so mitgeteilt bekommt nach welcher Signatur sie in welchem Teil des Luftraumes suchen soll. Klar ist, dass die Zielzuweisung im SEAM-Modus sowohl mit Radar als auch mit FLIR/IRST-System in Tranche 1/Block 5 bereist funktioniert. Nur hat Darabos in seinem Vergleich ja auf FLIR/IRST verzichtet, womit die optische Zuweisung für Österreich wegfällt.
Die Helmvisier-Geschichte wird es erst mit der digital-Integration von IRIS-T geben und wie es mit künftigen Entwicklungen aussieht obliegt faktisch ausschließlich den Wünschen der Partnerluftwaffen. Ob und wann Modis wie "loal" oder andere Entwicklungen kommen wird nebst einer Frage der Kosten auch eine Frage des operationellen Bedarfes sein.
Bleibt der SEAM-Modus per Radar - wie schon bei der Sidewinder. Das ändert sich allerdings nach erfolgter Aufschaltung. Dann kann IRIS-T sehr wohl den vollen Schwenkbereich des Suchkopfes nutzen und die Aufschaltung auch außerhalb des Radar-Schwenkbereichs aufrechterhalten. Das ist vor allem für den Piloten sehr angenehm, der kann seine Maschine wesentlich flexibler positionieren als das mit einer Sidewinder möglich wäre - und trotzdem sein Ziel im Visier behalten.
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Zielerfassungsbereiche in der Draufsicht
Von oben nach unten: AIM-9P, AI9-P5, AIM-9L, IRIS-T
AIM-9P5 = marginale all-aspect Fähigkeiten AIM-9L = die NATO-Sidewinder hat verglichen mit der Non-NATO-Version eine wesentlich bessere Suchkopfleistung. IRIS-T = die enorme Suchkopfleistung hat sowohl den all-aspect als auch den tail-aspect Bereich erheblich vergrößert.
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SuchkopfleistungenDie ersten IR-Lenkwaffen waren mit "tail-aspect" Suchköpfen ausgestattet, konnten praktisch nur von hinten direkt in den Abgasstrahl einer anderen Maschine aufgeschalten werden und rannten oft einfach der stärksten Hitzesignatur nach - und das war nicht selten die Sonne.In weiterer Folge wurden leistungsstärkere Suchköpfe entwickelt, welche mit einem "expanded target-engagement cone" (AIM-9J &P3)in der gesamten hinteren Hemisphäre einer anderen Maschine aufgeschalten werden konnten. Mit Einführung der AIM-9L (sowie ab P-4) und folgend kam der "all-aspect" Suchkopf, welcher prinzipiell aus allen Himmelsrichtungen auf eine anderen Maschine aufgeschalten werden konnte. Allerdings bleibt bis dato bei allen IR-Lenkwaffen ein extremes Missverhältnis zwischen den möglichen Aufschaltreichweiten von vorne und von hinten, denn die Signaturen durch Reibung an den Flügelforderkanten sind marginal gemessen an jenen welche rückwärts - am Auspuff - vorherrschen.
Der moderne Suchkopf der IRIS-T bietet ebenfalls "all-aspect" - im Vergleich zur AIM-9L jedoch mit dramatisch gesteigerter Leistung. So entspricht die Aufschaltreichweite der IRIS-T am schlechtesten Messpunkt in etwa jener der AIM-9L selbst am optimalsten Messpunkt.
Es ist also alleine schon die Leistung des Suchkopfes der IRIS-T gegenüber der Sidewinder dermaßen gesteigert, dass von "nur so gut wie" überhaupt keine Rede mehr sein kann. Statt im Nahbereich eines Zieles noch schnell eine Aufschaltung zu basteln während man Kurs- und Geschwindigkeitskorrekturen vornimmt um sich anzupassen ist der Eurofighter mit IRIS-T in der Lage eine Aufschaltung herzustellen wenn das Ziel bestenfalls noch ein winziges Pünktchen am Himmel ist.
Im scharfen SchussEin weiterer Vorteil - die IRIS-T kann bei allen Fluglagen, selbst bei max. G abgefeuert werden. Und einmal im Flug schlägt die IRIS-T ihre Vorgänger sowieso um Längen.Der Suchkopf schafft mit einem Schielwinkel von annähernd +/-90° selbst die Zielverfolgung bei extremen Begegnungsgeschwindigkeiten. Die Schubvektorsteuerung trägt dazu bei, das die Lenkwaffe nahezu augenblicklich die Richtung ändern kann. Der Einsatz von Flares lässt die IRIS-T faktisch kalt - sie erkennt ihr Ziel als Bild und läuft nicht automatisch der größten Hitzequelle nach. Die Reichweite ist ebenfalls dramatisch gesteigert - man kann faktisch von einer Verzehnfachung der Einsatzschussweiten einer IRIS-T gemessen an den AIM-9Ls ausgehen. Das alles führt zu einer fundamental verbesserten Selbstverteidigungsfähigkeit. Während das Fenster für eine Erfolg versprechende Aufschaltung und Schuss bei einem Head-on Engagement mit relativer Annäherungsgeschwindigkeit von Mach 2 für eine AIM-9L keine 2 Sekunden beträgt - bei einer AIM-9P5 ist es faktisch aussichtslos winzig - beträgt es bei der IRIS-T unter den selben Voraussetzungen beinahe 10 Sekunden. Alternativen ?Faktisch gab es drei Alternativen zur gewählten Variante - dem Ankauf der IRIS-T.
Es hieß zuletzt man solle "nach den Unklarheiten der vergangenen Monate jetzt in die Zukunft blicken" - die Worte hört man wohl - allein es fehlt der Glaube. Martin Rosenkranz |
Head-on-Engagement Bereiche
Bei der AIM-9 "Lima" beleibt nur ein kleiner Bereich in dem die Lenkwaffe aufgeschalten und abgefeuert werden kann.
IRIS-T-analog kann im roten Bereich aufgeschalten werden und behällt die Aufschaltung auch im violetten Bereich bei. IRIS-T-digital & Helmvisier. Der Suchkopf kann über den gesamten Schwenkbereich auf ein Ziel eingewiesen werden. |