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MAKS 2007 Spezial: Pantsir-S1 (SA-22)
Russlands neuestes Flugabwehrsystem

Der Panzir-S Prototyp 1994, zum Zeitpunkt als die Entwicklung eingestellt wurde.

Panzir-S1 im scharfen Schuss

Nach längerer Wartezeit, verursacht durch Probleme bei der Entwicklung, stellte das KBP Instrument Design Bureau auf der MAKS 2007 erstmals das neue Flugabwehrsystem Pantsir-S1 in Serienreife vor.

Entwicklung

Am 24. Mai 2000 kündigte Russland den Verkauf von 50 Stk. Panzir-S1 Flugabwehrsystemen an die Vereinigten Arabischen Emirate an. 24 Systeme sollten auf gepanzerten Kettenfahrgestellen der Type GM-352M1E installiert werden, die anderen 26 auf schweren 8x8 Trucks der Type MZKT-7930. Die kolportierten Kosten betrugen USD 734Mio. wovon 30% im Voraus bezahlt wurden um die Entwicklung zu komplettieren. Als abschließender Liefertermin wurde 2005 genannt und das Gerät sollte erstmals auf der IDEX 2005 im Februar 2005 in Abu Dhabi präsentiert werden. Doch daraus wurde nichts. Die Probleme mit dem System, mit dessen Entwicklung 1990 als "Pantsir-S" begonnen wurde um einen Bedarf der russischen Streitkräfte zu decken, setzten sich fort.
Basierend auf dem Tunguska Lenkwaffen/Kanonen-Flugabwehrpanzer war bis 1994 ein Prototyp fertig gestellt, welcher auf der MAKS 1995 ausgestellt wurde. Danach stoppte die Weiterentwicklung aufgrund der ökonomischen Situation in Russland. Erst das Engagement der VAE im Jahr 2000 ermöglichte die Fortsetzung der Entwicklungsarbeiten - Pantsir-S1 wurde zum ersten russischen Waffensystem dessen Entwicklung das Ausland finanzierte. Zwar blieb das ursprüngliche Layout erhalten aber faktisch alle Hauptkomponenten wurden inzwischen ausgetauscht - manche sogar zweimal.

Systembeschreibung

Bodengestütztes Flugabwehrsystem auf Rad, Kette oder stationär mit zwei oder drei Mann Bedienung.
Flugabwehr mit Kanonen und Lenkwaffen mit Radar oder optischer Zielzuweisung und Kommandolenkung in tiefen und mittleren Höhen zur Verteidigung von zivilen und militärischen Punkt- und Flächenzielen, für motorisierte und mechanisierte Verbände bis Regimentsebene sowie für übergeordnete Flugabwehrsysteme gegen alle Typen von Flugzeugen, Hubschraubern, Drohnen, Cruise Missiles sowie Präzisionslenkwaffen aller Art mit einem Radarquerschnitt von mind. 2 cm² - 3 cm², in Entfernungen von 0m bis 20.000m, Höhen von 0m bis 15.000m sowie Geschwindigkeiten bis 1.000m/Sek.

Fahrgestell

Das ursprüngliche Ural-5323 Fahrgestell dürfte inzwischen nicht mehr ausreichen. Statt dessen gibt es offenbar mehrere Optionen auf Räderfahrgestell.
Das aktuelle Ausstellungs- und Testgerät steht auf einem 8x8 KAMAZ-6560, welcher 23t Nutzlast bei 38t Gesamtgewicht ermöglicht und mit einer 400PS Maschine angetrieben wird. Angeboten wird auch der wesentlich schwerere weißrussische 8x8 MZKT-7930 mit 680PS Maschine
Weiterhin wird ab Hersteller ein gepanzertes Kettenfahrgestell weißrussischer Produktion mit der Typbezeichnung GM-352M1E angeboten. Damit ist Pantsir-S1 auch in der Lage während der Fahrt Kanonen und Lenkwaffen zu verschiessen. Es ist aber nicht klar ob sich schon Kunden für diese Konfiguration gefunden haben.
Die Emirate haben offenbar entschieden auf die Kettenfahrgestelle zu verzichten und statt dessen der KAMAZ-6560 als Plattform gewählt.


Panzir-S1 auf 8x8 KAMAZ-6560

Panzir-S1 auf GM-352M1E

Panzir-S1 auf 8x8 MZKT-7930

Das Phased-Array arbeitet im EHF-Bereich um sehr kleine Objekte erfassen und verfolgen zu können. Die Anlage stellt gleichzeitig die Kommandolenkung der im Flug befindlichen Lenkflugkörper sicher. Der Erfassungsbereich des Radars entspricht einem Kegel von +/-45°.
Foto: Martin Rosenkranz

Die optische Zielfolgeeinrichtung ermöglicht die passive Erfassung und Zielverfolgung eines Zieles und eines Lenkflugkörpers im IR-Bereich.
Foto: Martin Rosenkranz

Das Rundsuchradar ermöglicht die rechtzeitige Erfassung von Luftzielen.
Foto: Martin Rosenkranz

Die Reaktionszeit im Automatikmodus von der Zielerfassung durch das Rundsuchradar, über die Übergabe zum Zielfolgeradar bis zum Start der Lenkwaffe beträgt 4-6 Sekunden.
Foto: Martin Rosenkranz

In der Operator-Kabine sind moderne Flatscreens und eine Klimaanlage eingezogen.
Foto: Martin Rosenkranz

Zielfolgeradar

Das ursprüngliche Dualband-Trackingradar, welches Fazotron im Jahr 1995 entwickelte, wich einer phased-array Antenne, ebenfalls von Fazotron, nur um festzustellen, dass die geforderte Leistung nicht erreicht wurde. KBP wandte sich daher an die Emirate um mehr Zeit für den Abschluss der Entwicklungen zu erhalten. Die VAE gewährten die Terminverlängerung und leisteten weitere USD 66Mio. für die angebotene Mehrleistung. Die neuen Liefermine lauten seither - Prototyp 2006, Auslieferung Serie 2007-2009.
KBP entwickelt darauf hin ein neues multifunktionales EHF-Phased-Array-Radar.
Das Gerät erfasst Ziele mit einer Geschwindigkeit bis zu 1.000m/Sek., einem Radarquerschnitt von 2cm² - 3cm² in einem +/-45° Sektor horizontal und vom Boden bis +85° vertikal auf Entfernungen von bis zu 28km. In diesem Bereich können gleichzeitig 20 Ziele im 3D-Modus (Richtung, Höhe, Entfernung, Geschwindigkeit) erfasst werden. Im Automatikmodus erfolgt nach Prioritätenreihung automatisch die Aufschaltung auf die drei dringlichsten Ziele. Simultan dazu ist das Radar in der Lage bis zu vier Lenkflugkörper zu verfolgen um Daten für die Kommandolenkung dieser Flugkörpers ans System zu melden.
In der aktuellsten Ausführung wurde das vormals optionale IFF-System in die Anlage integriert.

Optische Such- und Zielfolgeeinrichtung

Parallel zum Trackingradar steht eine passive elektro-optische Infrarot-Zielfolgeeinrichtung zur Verfügung welches auf Entfernungen von bis zu 26km Ziel im 3-5micron Band selbsttätig erfasst und automatisch verfolgt. Weiters ist das Optronische System in der Lage einen Lenkflugkörper im 0,8-0,9micron Band zu verfolgen um Daten für die Kommandolenkung dieses Flugkörpers zu melden.

Rundsuchradar

Als Rundsuchradar kommt nun ebenfalls ein Phased-Array Gerät im UHF-Band zum Einsatz welches Ziele in einem 360° Sektor in bis zu 36km Entfernung erfassen kann.

Lenkflugkörper

Gesteigert wurde auch die Leistung der Lenkflugkörper deren Trefferwahrscheinlichkeit abhängig vom Umfeld bei 70-90% liegen soll.
Der zweistufige Bikaliber-Lenkflugkörper 9M335 (57E6) wich der stärkeren 57E6E womit ein Geschwindigkeitszuwachs von 1.100m/sek. auf 1.300m/sek., eine Reichweitensteigerung von max. 12.000m auf 20.000m (min. 1.200m), eine max. Steigleistung von 8.000m auf 15.000m und ein Steigerung der Gefechtskopfmasse von 16kg auf 20kg erzielt wurde.
Im Einsatz wird der Lenkflugkörper vom Booster binnen 2 Sek. auf 1.300m/Sek. beschleunigt. Danach fällt der Booster ab und der Sustainer gewährleistet den Erhalt des größten Teils der Energie. Pro 1km Flug verliert der Lfk ca. 40m/Sek. an Geschwindigkeit. Die Gesamtflugzeit beträgt max. etwa 15 Sek, die Engeschwindigkeit zu diesem Zeitpunkt 700m/Sek.
Bis zu 12 Raketen werden in versiegelten Containern am Turm feuerbereit mitgeführt. Die Lebensdauer der Lenkflugkörper- welche einen Multiple-Rod/Fragmetation-Gefechtskopf besitzen - beträgt laut Hersteller 15 Jahre.

Radar-Kommandolenkung

Die Lenkflugkörper besitzen bis auf die Annäherungszünder keine Sensoren sondern werden über eine Kommandolenkung durch das Zielfolgeradar geführt. Maximal vier Lenkflugkörper können gleichzeitig gelenkt werden wobei für einen optional auch die optische Zielfolgeeinrichtung die Daten zur Lenkung liefern kann.
Das System kann Semiautomatisch oder Vollautomatisch mit einer Reaktionszeit von 4-6 Sek. arbeiten und pro Minute bis zu 10 Lenkflugkörper auf Ziele abfeuern.

Kanonen

Ebenfalls getauscht wurden die beiden Kanonen. Die beiden 2A72 30mm Kanonen aus dem ersten Prototyp wichen zwei doppelläufigen 2A38M 30mm Kanonen welche eine Weiterentwicklung der GSh-30 Bordkanonen für Kampfflugzeuge darstellen.
Der Einsatzbereich der Kanonen beträgt min. 200m sowie max. 4.000m horizontal und max. 3.000m vertikal. Das Magazin fasst 700 Schuss pro Geschütz, die Kadenz beträgt 1.950 oder 2.500 Schuss/Minute.

Datenlink

Pantsir-S1 kann sowohl autonom als auch als Batterie mit bis zu sechs Werfern im Master-Slave-Modus sowie jeweils mit oder ohne koordinierendes Kommandofahrzeug zum Einsatz kommen. Die Kommunikation zwischen den Fahrzeugen wird durch einen digitalen Datenlink gewährleistet.
Ebenso ist die Kopplung des Pantsir-S1 Systems mit anderen Flugabwehr- oder Luftraumüberwachungssystemen über das Kommandofahrzeug möglich, muss allerdings typspezifisch durchgeführt werden.

Logistik & Training

Zur Versorgung der Gefechtseinheiten im Feld ist ein Transloader für je zwei Panzir-Werfer vorgesehen. Darüber hinaus sind mehrer Fahrzeugtypen vorgesehen um Reparatur, Wartung, Justierung und Ersatzteiltransport im Feld zu gewährleisten.
Das Training kann im Lehrsaal für die Crews von bis zu sechs Werfern parallel bzw. auch im Feld im Gerät mit Hilfe eines mobilen Trainers per Softwaresimulation durchgeführt werden.

Erfreuliche Auftragslage

Das KBP Instrument Design Bureau erfreut das Pantsir-S1 mit vollen Auftragsbüchern. Von den gesamt USD 6Mrd. backlog des Unternehmens entfallen satte USD 2,6Mrd. alleine auf Panzir-S1.
So haben die Emirate neben den bereits bestellten 50 Stk. eine Option auf weitere 28 zu liefern in den Jahren 2009-10. Syrien hat 36 Einheiten geordert, auch Algerien steht inzwischen auf der Liste der Pantsir-Kunden und es gibt auch Gerüchte, dass sich der Iran ebenfalls schon für das neue System entschieden hat.
Verhandlungen laufen sowohl mit China als auch mit EU & NATO-Land Griechenland, welches bereits Flugabwehrsysteme russischer Bauart betreibt und damit sehr zufrieden ist. Auch in Russland selbst ist bereits der Beschluss gefallen Pantsir-S1 zu beschaffen und in Kombination mit S-300 und S-400 zum Einsatz zu bringen.

Und es schein absehbar, dass sich bald noch mehr Interessenten melden.
Immerhin verspricht der Hersteller nicht nur Abwehrkapazität gegen Luftfahrzeuge sondern auch gegen bereits im Anflug befindliche Lenkwaffen.
Und es ersetzt bzw. ergänzt und verdichtet bestehende Flugabwehrsysteme für den unteren Luftraum. Es deckt sowohl den Leistungsbereich radargesteuerter Flugabwehrkanonen wie Oerlikon 35 mm, Gepard und Tunguska und übertrifft in der Reichweite die gängigsten Kurzstrecken-Lenkwaffen mit Radarunterstützung wie Hawk, Roland, Rapier, Crotale, Tor-M1 etc....
Die Flexibilität als stand alone oder im Verbund arbeiten zu können, gepaart mit sowohl militärischer als auch urban tauglicher Mobilität, komplettiert das Paket welches durchaus das Potential für eine weite Verbreitung mitbringt.

Martin Rosenkranz


KAMAZ-6560 8x8

UHF 360° Target Acquisition Radar
max. Gesamtgewicht 38.000kg Reichweite 32km - 36km
max. Nutzlast 23.000kg
Geschwindigkeit 90km/h
Sonstiges Antrieb: 400PS
Wat-Tiefe: 1,85m
Max. Neigung: 31°
Kletterfähigkeit: 60 cm


EHF +/-45° Tracking Radar

Electro-Optic IR Search- and Track System
Reichweite 24km - 28km
verarbeitbare Ziele: 20 verarbeitbare Ziele: 1
simultan bekämpfbare Ziele: 3 bekämpfbare Ziele: 1
simultan steuerbare Lenkflugkörper: 4


2 x 30mm 2A38M doppelläufige Schnellfeuerkanone

12 x 57E6-E Boden/Luft-Lenkflugkörper
Feuerleitung Radar oder Elektrooptisch Feuerleitung 3 x Radar oder 1 x Elektrooptisch
Kadenz 2 x max. 2.500 Schuss/Min Kadenz bis 10 Lenkflugkörper in 60 Sek.
Reichweite horizontal 200 - 4.000m Reichweite horizontal 1.200 - 20.000m
Reichweite vertikal 0 - 3.000m Reichweite vertikal 5 - 15.000m
Kaliber 4 x 30mm Flugzeit: max. 15 Sek.
Munition am Geschütz 2 x 700 Schuss Geschwindigkeit: max. 1.300m/Sek., min. 700m/Sek.
Kaliber/Ausmaße Länge: 3,16m
Durchmesser: 170mm(Booster), 90mm(2 Stufe)
Masse inkl. Container: 94kg
Startmasse: 74,5kg
Masse Gefechtskopf: 20kg