Gedanken zum - auch von neutralitätshütenden Kräften aktiv mitgetragenen - EU-Vertragstext:
Wäre am Eurofighter-Projekt nicht massiver - auch volkswirtschaftlicher - Schaden entstanden, wäre es ja fast lustig. Dieselben österreichischen PolitikerInnen, die sich gerade dem Eurofighter als vermeintliche "Kampfbomber-Eintrittkarte in die NATO und in EU-Interventionskriege" so heldenhaft entgegengestemmt haben, geben nun vor wie wichtig es war, den Großteil der Inhalte der ersten EU-Verfassung zu "retten". (Natürlich legitimieren sie das mit der Ratifizierung des einstigen EU-Verfassungsvertrages im Mai 2005 im Wiener Parlament.) Nun wurden aber kürzlich eigentlich alle Regelungen des alten Verfassungsvertrags für den Militärbereich in den neuen EU-Reformvertrag übernommen - ja sogar erweitert.
Macht aber eh' nix. Denn in die österreichische Bundesverfassung wurde - schon anlässlich der Ratifizierung der österreichischen EU-Beitrittsakte - eine Bestimmung aufgenommen, die bewirkt, dass Beschlüsse die im Rahmen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik getroffen werden, Vorrang vor dem Neutralitätsgesetz haben. Das ist der so genannte Verfassungsbestimmungs-Artikel 23f. Anm.: Bei der Volksabstimmung im Juni 1994 hatten 2/3 der österreichischen Wähler einem EU-Beitritt zu diesen Bedingungen zugestimmt. 23f wurde im Zusammenhang mit der Ratifizierung des EU-Vertrages in der Verfassung von Amsterdam dahingehend novelliert, dass die Mitwirkung Österreichs an den Petersberg-Aufgaben, dazu zählen auch Kampfeinsätze zur Friedensdurchsetzung, durch das Neutralitätsgesetz aber keine Einschränkung erfährt. Jenes ist aber immer nur bezüglich der VerteidigungsPOLITIK relevant, nicht gegenüber mutuellen Beistandsverpflichtungen.
Der deutsche Grüne EU-Abgeordnete Tobias Pflüger - mit dem die Autoren sonst eher wenig verbindet - verdeutlicht den sich für Österreichs Parlamentarier auftuenden Spagat etwa so: "Der Militärbereich war das Rückgrat des Verfassungsvertrages. Der absehbare Reformvertrag ist ebenfalls ein Militärvertrag. Mit ihm wird kein sozialeres, friedlicheres Europa geschaffen. Das heißt: Nein zum angeblich "neuen" EU-Reformvertrag. Im Unterausschuss Sicherheit und Verteidigung habe ich gelernt: Der bisherige Nizza-Vertrag verbietet einen eigenen EU-Militärhaushalt (zusätzlich zu den einzelstaatlichen), der neue Vertrag wird dies ermöglichen. Deshalb auch der Druck der Rüstungs- und Militär-Lobby für den neuen Vertrag."
Aus der österreichischen EU-Präsidentschaft 2006:
"Das Bekenntnis Österreichs zu einer aktiven und solidarischen Mitwirkung an der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik stellt eine konsequente Fortsetzung jener Politik dar, die Österreich seit seinem EU-Beitritt im Januar 1995 verfolgt. Mit seinem Beitritt zur EU hat Österreich den gesamten rechtlichen und politischen Justizstand der Union übernommen, der auch den Vertrag von Maastricht und dessen Bestimmungen über die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik umfasste. Artikel J 4 dieses Vertrages eröffnet die Perspektive einer gemeinsamen Verteidigungspolitik, die zu gegebener Zeit zu einer gemeinsamen Verteidigung führen könnte.
"Zu gegebener Zeit..." Naja. Nun gibt es ja bezgl. einer schon länger diskutierten Beistandspflicht die sog. "irische Klausel" um den Sonderstatus der Neutralen Länder. Völkerrechtler Rotter hat jene dieser Tage im STANDARD ("Strategie des Überschmähs ") thematisiert. Diese gibt es schon mehrere Jahre. Der ehem. Sektionschef im BMLV DDR. Erich Reiter schrieb dazu anl. der Nizza-Fassung des Vertrages im April 2004: "Die offizielle Außenamtsinterpretation sieht die Frage, ob und wie Österreich den anderen Mitgliedsstaaten Beistand leistet, in der souveränen politischen Ermessensentscheidung der Bundesregierung. Die anderen Staaten, die nicht die gleichen verfassungsrechtlichen Beschränkungen geltend machen können, schulden Österreich aber sehr wohl Beistand. Dass diese Vorgangsweise Österreichs letztlich von den anderen EU-MS akzeptiert wurde, war keine diplomatische "Meisterleistung", sondern resultierte vielmehr aus dem Umstand, dass ein Beharren auf ursprünglich stärkeren Formulierungen die Gefahr mit sich gebracht hätte, dass der gesamte Verfassungsvertrag am irischen Plebiszit gescheitert wäre"
Nun - die "stärkeren Formulierungen" kann man im zur Ratifizierung anstehenden Vertragstext ablesen.... Und zur unehrlichen Neutralitätsglorie welche die - nun wieder regierende - Kanzlerpartei morgen in Gestalt von Oberbefehlshaber, Kanzler und Verteidigungsminister am Heldenplatz zelebrieren wird, passt das Eingeständnis dass die Bevölkerung das unehrliche Spiel 1.) in Wahrheit eh' durchschaut und 2.) auch deshalb "skeptisch" ist. Alfred Gusenbauer sagte in jener Nacht in Brüssel, die Forderung nach einer Volksabstimmung "läge der EU-Skepsis der Österreicher zugrunde und diese könne nicht mit einer Volksabstimmung behoben werden."
Diese "Skepsis" liegt bezüglich Neutralität auch darin begründet, dass das was man ohnehin schon tief drin und dunkel erahnt (man sieht ja fern), von der gewählten politischen Führung nicht erklärt bekommt, ja man offenbar peinlichst uninformiert gehalten werden soll. Das kurzzeitige Denken in angstbesetzten Legislaturperioden wird sich rächen. Z.B. durch Zulauf an politische Kräfte die "Raus aus der EU" oder "Neutral & Frei" propagieren. Aber das Entsetzen der Betroffenheitsgesellschaft wird wieder groß sein und TV-ModeratorInnen werden auf Knopfdruck wieder belegte Stimmen bekommen. Selbstverständlich erklären uns jene Bademeister dieses Auffangbeckens der EU-Gegner auch nicht, wie man wirtschaftlich außerhalb der EU so tun soll und sie stehen natürlich auch für 3% Verteidigungsbudget in Wahrheit nicht zur Verfügung.
Das wäre aber die reale Alternative einer autarken und auf sich allein gestellten "echten" Neutralität die auch international jemanden interessiert (oder beeindruckt). Neutralität schützt das eigene Staatsgebiet und -volk in einem bewaffneten Konflikt nur, wenn man sich auch militärisch verteidigen kann. Und dafür hat Österreich - mit am Rücken gekreuzten Fingern - niemals auch nur ansatzweise die Voraussetzungen geschaffen. Große Medienmacher haben sich an diesem rot-weiß-roten Grundvergehen aktiv beteiligt. Das alles loszuwerden und sich chic blau-gelb "solidarisch" zu nennen, das winkt im neuen EU-Vertrag - auf den man nachträglich dann mit dem nackerten Finger zeigen kann. Doch dazu muss der alte Rucksack irgendwann abgeschnallt werden, aber der war halt ein Geschenk von der Oma - und die "schnallt" das, todsicher! Nur will man mit ihr nicht deshalb jahrelang herumlallen...
Die reale Konsequenz aus ihren Forderungen kennen auch die Herolde der EU-Gegnerschaft. Deswegen sollten die - im Untersuchungsausschuss noch an der Demontage militärischer Fähigkeiten lustvoll beteiligt - sich (uns) auch nicht in einem Atemzuge mit der Schweiz nennen. Die nimmt sich nämlich militärisch selbst ernst und von dort borgt man sich - als achso "neutraler Schnorrer" - z.B. Flugzeuge aus...
Hier schließt sich der Kreis. In diesem Sinne - schönen Nationalfeiertag...!!
Georg Mader