Noch weiß niemand so genau wann es wirklich losgeht. Eine der Ursachen dafür ist die denkbar ungünstige Lage und die nicht vorhandene Infrastruktur des Tschad.
Martin Rosenkranz für www.airpower.at über den logistischen Albtraum "EUFOR TCHAD/RCA" auf Basis einer Analyse des MIT Security Studies Program und der Air Mobility Planning Factors der USAF.
Der Einsatzraum liegt mitten in Afrika.
Sechs An-124-100 Ruslan wurden im SALIS Vertrag der NATO für strategische Transporte unter Vertrag genommen.
Schweden ist mit dabei im SALIS-Pool. Österreich hat sich nicht getraut.
Foto: Martin Rosenkranz
Für die Verlegung der ISAF-Truppe stellte die USAF C-17s zur Verfügung.
Richtung Tschad wird sich Österreich selbst um brauchbaren Transportraum kümmern müssen.
Foto: Martin Rosenkranz
Der Tschad kommt für die A400M um Jahre zu früh.
Der Prototyp ist noch nicht einmal geflogen und bis Serienmaschinen bei den Streitkräften landen und zum Einsatz kommen wird das Ende des Jahrzehnts erreicht.
Grafik: Airbus
Den drei Herkules des ÖBH steht ein geschäftiges Jahr bevor.
Eine Maschine geht in die Generalüberholung die anderen beiden werden permanent Unterstützung brauchen um neben dem Kosovo und dem Golan auch noch den Tschad versorgen zu können.
Foto: Martin Rosenkranz
Nicht nur Österreich sondern die ganze EU ist offenbar weiterhin auf Chartern und Subchartern angewiesen. Das skurille Resultat: Dieselben Flugzeuge die heute Rebellennachschub an Waffen fliegen, können morgen die EUFOR-Truppe in den Einsatzraum bringen. Passiert nach wie vor im Irak...
Foto: Georg Mader
Wo immer die US Streitkräfte auftauchen wird die lokale Flugplatzinfrastruktur repariert und erweitert um den Nachschubbedarf für die Truppe sicher zu stellen.
Foto: US Air Force
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Am 16.Oktober 2007 beschloss der Rat der Europäischen Union auf Basis der Resolution 1778(2007) des UN Sicherheitsrats den Einsatz "EUFOR TCHAD/RCA" für bis zu 4.000 Soldaten. Angesichts der bereits laufenden vielfältigen Einsätze der div. EU-Länder im Rahmen der Vereinten Nationen, der NATO(pfp) sowie der EU hat man jedoch nur etwa 2.500 Soldaten aus Frankreich, Finnland, Irland, Polen, Rumänien, Spanien, Schweden und Österreich für den Einsatz bereitstellen können.
(Über 50.000 europäische Soldaten sind im Auslandseinsatz - die Löwenanteile im Libanon, in Afghanistan, im Irak, im Kosovo, der Karibik, im Bosnien/Herzegovina und Zypern). Die 2.500 Soldaten für den Tschad sollen unter dem irischen Generalleutnant Pat Nash mit Beginn des Jahres 2008 zur Stabilisierung der Lage im Osten des Landes zum Einsatz kommen. Bis es jedoch soweit ist müssen noch logistische Probleme gelöst werden wie es sie bisher noch nicht gab.
Infrastrukturelle Voraussetzungen
Der Tschad ist eines der ärmsten Länder in einer der unterentwickeltsten Regionen der Welt - dementsprechend mager ist die lokale Infrastruktur in und um den Tschad.
Das Einsatzgebiet der "EUFOR TCHAD/RCA" liegt ca. 1.600km vom Roten Meer, 1.900km vom Atlantik sowie ca. 2.000km vom Mittelmeer entfernt. Es gibt im Tschad nur wenige hundert km asphaltierte Strassen, keine Eisenbahn und keine Wasserwege. Das in einem Land welches die dreifache Größe Deutschlands aufweist wovon der Einsatzraum alleine 200.000km² umfasst.
Der nächste brauchbare Hafen wäre Douala in Kamerun - von dort wären 845km auf einer rudimentär ausgebauten Bahnstrecke und weitere 1.500km auf unbefestigten Strassen zurückzulegen um in den Einsatzraum bei Abéché zu gelangen. Inkl. Landweg in Europa, Seeweg nach Afrika, Landweg mit Bahn und auf unbefestigten Strassen sowie Be- und Entladezeiten müssten im Optimalfall 35-40 Tage bis zum Eintreffen im Einsatzraum veranschlagt werden.
Die Militärstrategische Weisung Nr.2 des BMLV für diesen Einsatz geht deshalb auch davon aus, dass der Land-Seeweg als Aufmarschoption wegfällt und von 100% Airlift auszugehen ist. Doch genau diese 100% Airlift sind ein ganz eigenes Problem für sich.
Flugrouten und Flugplatzinfrastruktur
An möglichen Flugrouten steht der so genannte "Lybische Korridor" über Benghazi und El-Khufra nach Abéché zur Verfügung welcher derzeit primär für die Logistik der humanitären Operationen genutzt wird.
Die zweite Variante geht über Algerien und den Niger nach N'djamena oder Abéché.
Während die Flugrouten an sich weniger problematisch sind ist die mangelnde Flugplatzinfrastruktur im Tschad das bei weitem größte Handicap für Verlegung und Versorgung der "EUFOR TCHAD/RCA".
Der leitungsfähigste Flugplatz ist jener der tschadischen Hauptstadt N'djamena.
Mit 2.700m Piste und drei Abstellflächen im Gesamtausmaß von 110.000m².
Bei höchstmöglicher Auslastung dürfte das Tageslimit an Tonnage für N'djamena im Bereich zwischen 1.000t und 1.500t liegen - praktisch werden sich wohl eher so ca. 600-800t ergeben. Allerdings liegt die Hauptstadt N'djamena im äussersten Westen des Tschad während das Einsatzgebiet im äußersten Osten 750-900km entfernt liegt - und das ohne feste Strassen....
Wie diese Pisten eine tägliche Belastung von 50-100 LKWs über mehrere Wochen verkraften wird sich weisen.
Bei weitem optimaler liegt der Flugplatz von Abéché. Die Piste in der größten Stadt im Osten des Tschad ist ebenfalls 2.700m lang, verfügt aber nur über eine 20.000m² Abstellfläche. Die Piste ist allerdings nicht geeignet für schwere Maschinen und verkraftet nur die C-130er bzw. C-160er wobei sich die beste Ausnutzung im Pendelverkehr von/nach N'djamena erreichen lässt.
Das theoretische Maximum für den täglichen Frachtumschlag wird bei etwa 300t liegen - das allerdings nur unter Maßgabe eines 24h Betriebs. Muss der Betrieb auf Tageslichtzeiten beschränkt werden wären etwa 160t pro Tag das höchste der Gefühle. Allerdings sind davon noch die Erfordernisse für die Hilfsorganisationen abzuziehen.
Weitere Flugplätze im Tschad sind Faya-Largeau etwa 500km nordwestlich von Abéché sowie Moundou etwa 800km im Südwesten von Abéché - in der Infrastruktur beide vergleichbar zu Abéché und wenig hilfreich angesichts deren Lage und beschränkter Kapazität.
Eine Option wäre die rasche Erweiterung des Flugplatzes Abéché.
100.000m² zusätzliche Abstellfläche in Abéché würden viele Probleme mit einem Schlag beseitigen.
Sämtliche notwendige Gerätschaft und sogar der Zement (nicht mal den gibt es im Tschad) müssten aber importiert werden.
Eine Möglichkeit die zumindest in Betracht gezogen werden sollte angesichts, dass sowieso niemand ernsthaft daran glaubt, dass man in einem Jahr wieder abziehen kann.
Logistisches Aufkommen
Da 1.000 Mann bereits im Einsatzraum stehen - dies ist das französische Kontingent, welches seit Jahren via bilateralem Vertrag mit der tschadischen Regierung dort stationiert ist - müssen 1.500 Mann samt deren Material in den Einsatzraum verlegt werden.
Pro Soldat muss dabei im Schnitt mit 2t Material gerechnet werden - Zelte, Fahrzeuge, Container, Kleidung, Bewaffnung, etc..
Weiters muss pro Soldat im Einsatzraum mit einem täglichen Nachschubbedarf von etwa 50kg gerechnet werden - hauptsächlich Wasser und Treibstoff aber auch Munition, Nahrungsmittel, Ersatzteile usw. bis hin zur persönlicher Post.
Aus Sicherheitsgründen bzw. um die Operation nicht von Beginn an mangels Versorgungsgütern schwer zu beeinträchtigen wird je nach Priorität parallel zur Erstverlegung des Personal zwei bis vier Wochen an zugehörigem Versorgungsgut mit transportiert. Wobei vor allem Wasser und Nahrungsmittel höchste Priorität genießen und am längsten bevorratet werden, danach kommen Treibstoff, Munition, Sanitätsmaterial und dahinter all die anderen Dinge.
1.500 Mann + je 2t pro Mann an Material + 50kg Nachschub pro Mann für durchschnittlich je 20 Tage. Der Gesamtumfang der Erstverlegung von 1.500 Mann samt Nachschubgüter für 2.500 Mann beträgt somit 5.650t.
Hinzu kommt noch die angesichts der hohen Anforderungen an die Truppe notwendige regelmäßige Personalrotation.
Allerdings betrifft das kein Gerät sondern de facto nur die Soldaten samt persönlicher Ausrüstung womit der logistische Merhaufwand dafür in überschaubarem Rahmen bleibt.
Frachtkapazitäten von Flugzeugtypen
Die in der EU und Frankreich am häufigsten anzutreffenden Frachtmaschinen sind die C-130
Herkules sowie die C-160
Transall. Die theoretischen Limits liegen bei 20t für die C-130 bzw. bei 16t für die C-160. Im praktischen Betrieb kann allerdings nur mit 12t bzw. 11t Nutzlast gerechnet werden, da der Frachtraum nicht nur vom Gewicht sonder auch vom Volumen her begrenzt ist.
Weitere Optionen sind die üblicherweise angemieteten Il-76
Candid mit theoretisch 40t praktisch 25-30t.
Vereinzelt könnten eventuell auch An-124-100
Ruslan zum Einsatz kommen welche von mehreren europäischen Staaten im Rahmen des SALIS-Programms angemietet wurden - sie schafft theoretisch 120t praktisch immerhin 80t. Allerdings sind diese Riesen mit den laufenden Operationen vor allem im Irak und Afghanistan faktisch voll ausgelastet.
Flugzeug |
C-130 Herkules |
C-160 Transall |
Typ |
taktisch/strategisch |
taktisch |
Geschwindigkeit |
590km/h |
460km/h |
max. Nutzlast/Reichweite |
19.600kg/3.800km |
16.000kg/1.170km |
norm. Nutzlast/Reichweite |
11.250kg/5.500km |
8.000kg/4.500km |
Flugzeug |
Il-76 Candid |
An-124-100 Ruslan |
Typ |
strategisch |
strategisch |
Geschwindigkeit |
775km/h |
700km/h |
max. Nutzlast/Reichweite |
40.000kg/3.650km |
120.000kg/4.500km |
norm. Nutzlast/Reichweite |
25.000kg/4.500km |
80.000kg/8.000km |
Auswirkungen auf die Praxis
Selbst wenn 50% der Airlifts mit Il-76 durchgeführt würden und der Rest sich auf C-130 und C-160 entfällt bedeutet das noch immer gut 180 Flüge. Angesichts der vorhandenen Frachtkapazitäten müssen zwei bis drei Wochen für diese 180 Lifts veranschlagt werden.
Der tägliche Nachschubbedarf des gesamten EUR Kontingents wird rund 125t betragen - dies entspricht 4-7 Maschinen der Nutzlastklassen Il-76 / C-130.
Vergleicht man das Erfordernis der Anschlussversorgung mit den Kapazitäten in Abéché kann man schnell erkennen, dass dieser Flugplatz alleine mit dem Nachschub faktisch völlig ausgelastet wird - sofern soviel Kapazität nach Abzug des NGO Bedarfs - gem. Aussagen der Politik soll der lokalen Bevölkerung durch den Bedarf der EU-Mission ja nichts weggenommen werden - überhaupt noch bleibt.
Somit scheint es Wahrscheinlich, dass die Verlegung vorerst nach N'djamena erfolgt und das meiste Material von dort aus am Landweg in den Einsatzraum verlegen muss. Nur ein relativ kleiner Teil wird nach Abéché weiterfliegen können. Und ein direkter Anflug auf Abéché aus Europa scheint überhaupt äusserst unwahrscheinlich, da die vorhanden Slots so nicht voll nutzbar wären.
Bleibt der Landweg auf unbefestigten Pisten quer durch den Tschad. Für die 750-900km in den Einsatzraum müssen bei normaler Lage 5-7 Tage veranschlagt werden - in der Regenzeit kann das aber auch 14 Tage und länger dauern.
Ab dem Startsignal werden somit insgesamt drei bis vier Wochen benötigt um "EUFOR TCHAD/RCA" in den Einsatzraum zu verbringen - vorausgesetzt man bringt die für diesen Zeitraum permanent benötigten 25 Frachtmaschinen mit einer durchschnittlichen Frachtkapazität von 30t zusammen.
Luftfrachtlogistik Österreich
Im Fall Österreich sind für die Verlegung des Kontingents von 160 Mann zwischen 16 und 30 Flügen mit Il-76 bzw. C-130 zu veranschlagen. Der tägliche Nachschubbedarf im Anschluss wird etwa 8t betragen.
Für eine Hercules ist die Flugzeit auf der Strecke Linz - N'djamena mit an die 18h zu veranschlagen - dazu kommen noch Be- und Entladezeiten sowie eine Zwischenlandung im Gesamtausmaß von etwa 6h. Somit ist im Vollbetrieb eine Hercules theoretisch in der Lage alle 24h ca. 12t Fracht in den Tschad zu liefern.
Allerdings berücksichtigt diese Rechnung nicht die Ruhezeiten für die Crew und auch nicht reguläre Wartungsaktivitäten an der Maschine. Praktisch wird der Trip inkl. Ruhezeiten und Wartung bestenfalls nur alle zwei Tage durchzuführen sein - was knapp ausreichen sollte um die Anschlussversorgung des öst. Kontingents mit einer Maschine abzudecken - dies nur sofern keine ungeplanten Wartungsereignisse anfallen.
Für die Verlegung reichen selbst zwei
Herkules nicht aus. Auch ohne außerplanmäßige Verzögerungen würden diese mind. ein Monat benötigen um die Verlegung zu bewerkstelligen - allerdings sind Teile des benötigten Frachtguts (z.B. LKWs) zu groß um in eine
Herkules verladen zu werden. Ohne Anmieten von Frachtkapazitäten läuft es also nicht.
Kosten des Airlifts
Die Kosten des Airlifts sind relativ schwierig zu kalkulieren, da nicht klar ist welche Maschinen zum Einsatz kommen. Als Faustregel kann man aber mit rund EUR 300,- pro Tonne und Flugstunde rechnen. Nimmt man im Mittel eine Flugzeit von 14h für einen Round-tripp zwischen Europa und dem Tschad wird die Verlegung des Kontingents alleine zwischen EUR 20 Mio. und EUR 25 Mio. kosten.
Ein halbes Jahr Anschlussversorgung mit täglich 125t wird zwischen EUR 80 Mio. und EUR 90 Mio. kosten.
Auf Österreich entfallen davon ca. EUR 3 Mio. für die Verlegung sowie EUR 6 - 7 Mio. für die Anschlussversorgung im ersten Halbjahr.
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