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Broken Wings
Die Ursache für die F-15 groundings

Als Mj. Stephen Stilwell am 2. November am Lambert Field Int. Airport, St.Louis, Missouri in seine F-15C Eagle stieg, stand eigentlich nur ein Luftkampftraining mit drei anderen Eagle-Drivern des 110th Fighter Squadron, 131st Fighter Wing auf dem Programm. Doch das Ergebnis des Fluges war ein Schock den die USAF vielleicht nie ganz verdauen wird.

20 Minuten nach dem Start, Mj. Stilwell manövrierte seine F-15C im Übungsraum der Missouri Air National Guard - der Lindbergh and Salem Military Training Area - mit 450kt in eine 7.8G Rechtskurve, traten heftige Vibrationen auf. Stilwell brach das Manöver ab, aber noch während er versuchte wieder in eine ruhige Fluglage zu kommen saß er mit seinem Aces II Schleudersitz auf einmal im Freien. Seine F-15C (Tail-Nr. 80-0034) war bei 1.5G etwa 90 Meilen südsüdwestlich von Lambert Field in zwei Teile zerbrochen. Noch bevor Stilwell den Schleudersitz betätigen konnte, hatte sich dieser bereits von den Resten seiner Maschine getrennt. Stilwell verletzte sich bei seinem ungeplanten Ausstieg am linken Arm und der linken Schulter, konnte aber mit der Rechten den Schirm noch ausreichend kontrollieren um eine saubere Landung mit dem Schirm hinzubekommen. Er wurde anschließend in einem lokalen Spital erstversorgt.

Was war geschehen ?

Gen. T. Michael "Buzz" Moseley ordnete eine Untersuchung des Vorfalles an und verfügte vorübergehend ein Flugverbot für sämtliche F-15 A/B/C/D/E Modelle der Air Force - immerhin über 600 der leistungsfähigsten Maschinen der USAF.

Dies wurde am 21. November durch das Air Combat Command wieder aufgehoben - unter Inkaufnahme eines gewissen Risikos. Experten des Warner Robins Air Logistics Center/Georgia hatten bis zu diesem Zeitpunkt die F-15E "Strike Eagels" von der Liste der betroffenen Maschinen gestrichen. Das Accident Investigation Board (AIB) hatte die Fehlersuche auf den Bereich hinter dem Cockpit vor den Lufteinläufen der A-D Modelle fokussiert. Es wurden spezielle Vor- und Nachflugkontrollen angeordnet.

Doch was man in nur einer Woche an Daten auswertete reichte aus um am 28. November abermals ein Flugverbot für die F-15 der USAF auszusprechen. Das AIB sprach auch eine entsprechende Empfehlung an die F-15 Betreiber Japan, Israel und Saudi Arabien aus.

Für sämtliche der 442 Maschinen USAF wurde eine erneute Inspektion angeordnet - speziell ausgerichtet auf den kritischen Bereich am Cockpitrand - ausgearbeitet durch das Warner Robins Air Logistics Center.
Bis Anfang Dezember hatten 87 F-15s diese Überprüfung bestanden und waren wieder bereit für den Flugbetrieb.
Am 2.Dezember wurde das Flugverbot für die bereits inspizierten Maschinen wieder aufgehoben. Dies offenbar auch unter dem Eindruck, das inzwischen 70% der Eagle-Piloten ihre Lizenz für Solo-Flüge eingebüßt hatten und eine weitere Woche Stillstand dies auf 100% bringen würde.

Doch das Ergebnis der flottenweiten Inspektion war ernüchternd - um nicht zu sagen ein Schock. USAF Gen. John D.W. Corley sah sich angesichts der Zahlen am 3.Dezember - also nur 24 Stunden nach der Aufhebung des zweiten Flugverbotes für die inspizierten Maschinen - erneut gezwungen ein flottenweites Flugverbot für alle F-15A/B/C/D Modelle auszusprechen - und diesmal für unbestimmte Zeit.

Die Untersuchungen hatten teils schwere Strukturschäden und Produktionsmängel an mehreren F-15 Eagles ergeben. Betroffen ist ein Bauteil im Bereich des Cockpits - ein so genanntes "Longeron". Das Bauteil trägt einen markanten Teil des Gewichts des Cockpits und verbindet es mit dem Rest der Zelle. Und genau dort fanden sich an mehreren Maschinen Brüche und Risse im Metall.

Insgesamt waren bis 10. Dezember acht Maschinen mit diesem Defekt identifiziert - zwei in Kadena AFB/Okinawa/Japan, eine in Tyndall AFB/Florida, eine der ANG 131st Fighter Wing, St. Louis/Missouri sowie vier in ANG Kingsley Field/Oregon. Darüber hinaus hatte man an 40% der Maschinen festgestellt, dass jenes fragliche Bauteil dünner ausgeführt war als in den Blaupausen spezifiziert. Genau dieser Mangel fand sich auch beim gebrochenen Longeron von 80-0034.

Die mittlerweile weitgehend entblößte Homeland-Defense war hastig umorganisiert worden. In weiten Bereichen übernahmen F-16s die Aufgaben im Rahmen der Operation "Noble Eagle". Die California Air National Guard musste sich sogar F-16 aus Indiana and Arizona ausborgen und geplante Ausbildungsmaßnahmen zurückstellen um den auf die gesamte Westküste plus Teilen von Arizona und Nevada ausgedehnten Verantwortungsbereich abdecken zu können.
In Alaska kamen erstmals auch F-22 zum Einsatz und teilten sich dort die Aufgaben im nördlichsten Bundesstaat mit Kanadischen CF-188 Hornets.

Erst am 9. Jänner entschloss sich das Air Combat Command dazu das Flugverbot wieder aufzuheben - und zwar für jene 60% der Maschinen welche die Inspektion der Longerons ohne Beanstandung absolviert hatten. Dieser Schritt bringt zwar fast 260 Eagles wieder in die Luft, bedeutet aber auf der anderen Seite, dass 191 Maschinen weiterhin an den Boden gefesselt sind. Für neun F-15s ist das Einsatzleben definitiv beendet - sie haben bereits kritische Strukturschäden an den Longerons.
Die Zukunft der anderen 182 Maschinen ist Ungewiss. Die Inspektionen haben Unregelmäßigkeiten an den Longerons ergeben die eventuell zu kritischen Schäden führen können. Derzeit sehen die Planungen der USAF vor diese Maschinen nach und nach wieder zum Flugdienst zuzulassen, allerdings unter rigiden Sicherheitsauflagen, welche zu einem enormen Mehraufwand bei Wartung und Inspektion und somit auch zu höheren Betriebskosten führen. Ob sich das auch so realisieren lässt und welche personellen und finanziellen Auswirkungen diese im Bereich der Watung hat ist aktuell Gegenstand von Prüfungen.

Japan, Israel, Saudi Arabien

Als Folge des Absturzes in Missouri waren auch in Japan die F-15s am 5. November gegrounded. In wie weit diese Maschinen auf Dauer betroffen sind ist allerdings unklar, da dies japanische Lizenzfertigungen sind und somit nicht von der selben Fertigungsstrasse wie die USAF Eagles stammen.
Allerdings war für Japan das vorrübergehende Abstellen der F-15s besonders bitter, das zum selben Zeitpunkt auch die relativ modernen F-2s aufgrund eines Absturzes bei Nagoya Flugverbot hatten. Dies führte dazu, dass für einige Wochen die mittlerweile 40 Jahre alten F-4EJ 'Kai' Phantom IIs sämtliche Aufgaben im Bereich der Luftraumverteidigung wahrzunehmen hatten. Ein Umstand der sogar von Chinesischen Regierungsmedien gemeldet wurde.
Bis zum 13. November hatten sich auch Israel und Saudi Arabien angeschlossen und die Flotte der gegroundeden Eagels umfasste zu diesem Zeitpunkt 1.100 Maschinen.

Inzwischen ist das generelle Flugverbot überall wieder aufgehoben. Unklar ist ob den Eagles weitere Beschränkungen des Flugleitungsbereiches auferlegt wurden oder werden. Ganz auszuschließen ist das nicht. Denn schon seit einiger Zeit - lang vor dem Crash am 2. November 2007 - gelten für die Eagle-Flotte Limits, welche teils weit unterhalb der Norm-Spezifikationen liegen. So wurde die Höchstgeschwindigkeit der F-15s - ein Flugzeug welches für Flüge bis Mach 2.5 konstruiert wurde - im Ausbildungs- und Übungsbetrieb auf Mach 1.5 beschränkt, sowie die Belastungen für div. Flugmanöver limitiert.

Politisch brachte der Crash die USAF in eine schwierige Lage. Die ausufernden Kosten für neue Programme wie F-22 und F-35 haben die geplanten Stückzahlen so sehr reduziert, dass eine längere Verwendung der älteren Maschinen unausweichlich war. Gleichzeitig ist sowohl die Tanker- als auch die Transporterflotte einem ungebremsten Alterungsprozess ausgesetzt. Dass die USAF zudem auch noch kritische Strukturmängel an einem Eckpfeiler der Luftverteidigung der USA übersieht - selbst wenn allen klar ist, dass diese Maschinen länger und schwerer belastet wurden als ursprünglich geplant - hat einige Sympathien gekostet. Und das zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Immerhin streiten sich einige mächtige Kongress-Abgeordnete um Tanker-Aufträge für ihre Wahlbezirke und es gibt auch einen Konflikt zwischen jenen die C-5 Geschwader in ihren Regionen stationiert haben und kalifornischen Abgeordneten, die einer Fortführung der C-17 Produktion das Wort reden.
Kein guter Zeitpunkt um bei der Politik erneut vorstellig zu werden um mehr Geld für eine Steigerung der F-22 Produktion zu erbitten. Und das obwohl 179 F-22s sehr leicht absehbar zu wenig ist um Global betrachtet bei bedarf Luftüberlegenheit herzustellen.

Die entscheidenden Teile des Wraks von 80-0034 bei der Überprüfung.
Foto: USAF

Die Longerons in Rot....
Grafik: USAF

...und deren Poition im Flugzeug.
Foto: USAF

Die Inspektionspunkte für die als "undercut" bezeichneten mangelhaft gefertigten Teile.
Grafik: USAF

Bei den Inspektionen wurden wie hier optisch...
Foto: USAF

...oder mit Röntgen Brüche in den Longerons einiger Maschinen entdeckt.
Foto: USAF

Martin Rosenkranz