Die Europäische Union hat sich im November 2004 zum Ziel gesetzt, bis 2007 dreizehn schnell einsetzbare Gefechtsverbände für Krisenmanagementaufgaben auch außerhalb Europas zu organisieren, die vieldiskutierten sogenannten "EU-Battle Groups". 20 Nationen hatten ihre Beteiligung zugesagt, Malta und Dänemark ausgenommen - letzteres nimmt überhaupt nicht an den EU-Militärstrukturen teil. Nicht-NATO EU-Länder und EU-Assoziierte waren ebenfalls aufgefordert bzw. eingeladen. Als erste solche Expeditionsbrigade steht seit Anfang 2008 die "Nordic Battle Group" (NBG) bereit und ihr Kommandant, der schwedische Brigadegeneral Karl Engelbrektsson, informierte im März die permanente Mission der OSZE in Wien über die NBG. Er bestätigte auch gegenüber airpower.at, dass die Nordic Battle Group zu Jahresbeginn auch in Diskussion um den EUFOR-Einsatz im Tschad war:
"Aus meiner Sicht wären wir ab 1. Jänner bereit gewesen und hatten unsere Sachen dazu in Ordnung gehabt. Ich war ja seit 2005 mit dem militärpolitischen Konzept der EU-Battle Groups beschäftigt und was den Tschad betraf, gab es die Diskussion, ob diese Mission als eine "Battle Group-Situation" interpretiert werden würde oder ob sie als 'traditionelles' Konzept der Streitkräftegenerierung der Mitgliedstaaten verstanden würde. Als Letzteres gewählt wurde, war die NBG kein Thema mehr, aber sie wäre absolut bereit gewesen."
'Famous last word'
Was das Konzept der EUBattle Groups betrifft, hatte Engelbrektsson die internen Debatten in einigen - neutralen oder paktfreien - EU-Mitgliedsländern aufmerksam verfolgt, bezüglich der in manchen Statements geäußerten Philosophie dass am Ende die Nationen das 'letzte Wort' der Entscheidung über eine Mission bzw. eine Entsendung haben würden:
"Das sind ja zwei verschiedene Begriffe, Mission und Entsendung. Der Schwedische Rykstagen hat natürlich prinzipiell das ,letzte Wort', weil sonst könnte Schweden nicht zustimmen - aber das geschieht ganz zu Anfang. Es wird nicht passieren, dass Schweden auf EU-Ebene einer Mission zustimmt, dann aber seine Elemente doch nicht schickt. Daher ist es so wichtig, den ganzen Entscheidungsprozess durchzuspielen, denn das ist die nötige Interaktion zwischen den militärischen ‚Fähigkeiten' und dem politischen Willen. Es kann nur so ablaufen. Würden manche Nationen dann ‚am Ende' letztlich nicht teilnehmen, würde das die Fähigkeiten der gesamten Battle Group ernsthaft stören, ja lähmen. Da sind etwa Pioniere, Flugzeugbesatzungen oder Logistiker, die haben oft Wochen miteinander trainiert und jeder ist auf die Elemente des anderen angewiesen. Das ist eine EUStreitmacht und am Ende ist alles eine politische Entscheidung, aber man muss früh im Meinungsbildungsprozess interagieren, gerade um zu verhindern, dass jenes ‚letzte Wort' überhaupt ein Problem wird. Deshalb muss ich unterstreichen, dass das eine Sache gegenseitigen Vertrauens ist auf allen Ebenen."
Intensives Training
Angesprochen auf die Vorbereitungsphase und den Bereitschaftszustand der "Nordic Battle Group", bestätigt Engelbrektsson beträchtliche Planungs- und Trainingsarbeit:
"Die multinationalen Einheiten haben letztlich - auf meinen Befehl - für etwa zehn Wochen miteinander trainiert, also wirklich alle teilnehmenden Elemente zusammen. Ein typisch militärisches System, man trainiert zuerst kleine Elemente gemeinsam, dann größere und am Ende die gesamte Streitmacht - einfach um das Gesamtsystem zu testen. Es war nicht immer leicht, denn das ist eine riesige Interaktion zwischen dem politischen Level, der politisch/militärischen Entscheidungsebene und den diversen logistischen Elementen. Unser Bereitschaftsstand ist heute, wie er geplant war. Wir stehen alleine oder als Speerspitze einer größeren Streitmacht für sechs Monate bereit, innerhalb von zehn Tagen zur Wahrnehmung des - das ist wichtig - gesamten Spektrums friedensunterstützender Maßnahmen in ein Krisengebiet innerhalb eines 6.000 km Radius um Brüssel zu verlegen. Mein 92 Mann-Hauptquartier mit mir natürlich als Erstes."
Geldsorgen
Konfrontiert mit Berichten über beträchtliche schwedische Wehrbudget-Probleme und Kürzungen, bestätigt Engelbrektsson diese, schränkt aber wie folgt ein:
"Das betrifft zuerst mal die eingemeldeten NBG-Elemente nicht. Wir haben ja - neben unseren Kameraden aus Norwegen, Irland, Estland und Finnland - 2.800 Soldaten/-innen aus 23 schwedischen Regimentern und Bataillonen. 2004 rechneten wir übrigens noch mit 1.500. Alle die müssen zumindest mal eine Woche zusammen agieren, um nicht Operationstempo und Feinabstimmung zu verlieren. Dafür sind die Mittel immer da. Das Budgetproblem betrifft aber wohl den Rest der schwedischen Streitkräfte. Und da haben wir ja den Zugang, dass unsere Streitkräfte nicht ,nur international' oder ‚nur national' sind. Natürlich haben wir uns nach den budgetären Fakten zu adaptieren, aber wir ,produzieren' keine Kräfte oder beschaffen keine Ausrüstung, "nur" um damit ausschließlich ins Ausland zu gehen. Unsere NBG-Elemente sind und werden immer Teil der zu Hause existierenden Kräfte für unsere Landesverteidigung sein, jene profitiert ja auch von den Battle Group-Fähigkeiten bzw. Erfahrungen."
Hubschrauberkapazitäten - das alte Lied...
Der General räumt Berichte über einen Mangel an Hubschrauberelementen in der Battle Group ein, noch als sie einsatzbereit erklärt wurde:
"In meiner Battle-Group haben wir Hubschrauberkräfte bezüglich Schwertransport, im Konzept sind - etwas verspätet wegen der MG-Integration - nun vier schwedische bewaffnete Hkp4 ‚Sea Knights'. Wir haben in der Tat noch Herausforderungen an unsere MEDEVAC-Fähigkeiten. Die dafür vorgesehenen Hkp10 ,Cougar'-Hubschrauber waren als ‚State of the Art' geplant, wie immer in Schweden. Aber sie waren - wegen der Integration aller medizinischen ,Gadgets' bzw. Tür-MGs - bis jetzt (Anm.: März) nicht bereit. Da drinnen sind ja tolle medizinische Elemente vom US-Marine Corps, fast wie ein kleines Notfallcenter. Daher hatten wir in der Zwischenzeit die Taktiken anzupassen oder andere Beisteller zu nutzen. Das muss man aber situationsbedingt sehen, wenn man Operationen am oberen Ende der Konfliktskala unternimmt oder plant, braucht man absolut wirkliche ‚Combat Search & Rescue' über weite Strecken. Wenn die Szenarien in kürzerer Entfernung bzw. nicht so ‚heiß' sind, dann kann man andere, einfachere Plattformen nutzen, das ist dann mehr CASEVAC als MEDEVAC."
Transportlogistik - wie kommt das alles wohin?
Gefragt nach der einherschreitenden internationalen "Mode", dass Streitkräfte mehr und mehr auf Strukturen und Ausrüstung für "out of Area" orientiert werden, während klassische Elemente - wie z.B. Kampfpanzer oder Selbstfahr-Artillerie - scheinbar nie mehr gebraucht würden, meint er:
"Ich erkenne auch, dass das ein Trend ist, nur habe ich den Luxus eine Expeditionsstreitmacht zu befehligen und habe daher alle diese Herausforderungen zu berücksichtigen. Es stimmt, dass es in dieser Art von Kräften sehr schwierig ist, schweres Gerät einzubauen - aber das heißt natürlich nicht, dass wir diese schweren Waffen nie wieder einzusetzen hätten oder abschaffen könnten. Es kommt eben auf die Operationsgebiete an, ob man die dort haben sollte. Was man aber nicht luftverlegen kann, muss man eben per Bahn oder Schiff transportieren. Diese Thematik sollte heute für alle Armeen hohe Priorität haben, wie bringen wir all das über die halbe Welt, alle diese überall zulaufenden gehärteten und gepanzerten Fahrzeuge? Es geht dabei nicht um ‚entweder oder', sondern man muss das manchmal vielleicht nötige Kampfpotenzial schwerer Waffen mit ihrer logistischen Herausforderung auszubalancieren versuchen. Daher hat unsere Führung auch völlig richtig entschieden, dass Schweden sowohl bei SALIS (Anm.: NATOgeleaste An-124s in Leipzig) als auch im kommenden SAC (Anm.: NATO-betriebene C-17s im ungarischen Papá) mit dabei ist. Airlift ist das ‚Um und Auf' in allen diesen Expeditions-Szenarien."
'Gripen' als Intelligence-gatherers
Angesprochen auf die ihm unterstellten Marine- und Luftelemente berichtet Engelbrektsson folgende interessante Details:
"Abseits von ‚meinen' Hafenlogistikern oder Kampfschwimmern sind Marineeinheiten nicht im Battle Group-Konzept inkludiert, aber ich sehe eine Diskussion über eine Marine-Taskforce auf EU-Ebene. Dagegen bin ich speziell froh über die mir unterstellten JAS-39 ‚Gripen'-Kampfflugzeuge. Die sind ausgesprochen gut vorbereitet, waren auf Luftkriegsübungen in Alaska und EloKa-Training in England. Wir haben für die Battle Group acht JAS-39 und ihre Crews ausgesucht und trainiert, mit mehr Piloten als acht. In diesem Element geht es am Ende um praktische Interoperabilität. Das bedeutet, dass die vorgeschobenen Leitoffiziere die Stimmen ihrer Piloten erkennen und umgekehrt. In einem abgeschlossenen Expeditionsszenario irgendwo denken wir, dass beide wissen müssen, dass sie einander vertrauen können, dass das ‚mein Junge' ist. Bis dato habe wir die ‚Gripen' hauptsächlich als Plattformen zur Gewinnung von Nachrichten mit Aufklärungsbehältern genutzt. Sie wissen, als Kommandant enden Sie immer mit der Situation, dass man zu wenige Kräfte für zu große Gebiete hat. Das macht den Nachrichtenaspekt sehr wichtig und deren taktische Aufklärung in niedrigen und mittleren Höhen ist essenziell, weil sie sind schnell und oft ganz nah dran."
Nicht nur nordisch-nobel...
Der General verneint, dass Nordic Battle Group suggeriere, man wäre weniger auf Missionen in heißen oder feuchten Gebieten vorbereitet:
"Wir haben natürlich in heißem Klima trainiert, aber nur meine unterstellten Kommandanten und der Stab. Wir haben viele Vorbereitungen getroffen, wie Klimaanlagen in unseren mobilen Kommandoständen oder ein spezielles Kühlsystem für Öle usw. Außerdem habe ich elf schwedische Dschungel-Instruktoren zum britischen Dschungeltraining nach Belize entsandt, um Spezialisten für diese Gebiete in allen Stäben zu haben."
Engelbrektsson ergänzt, dass nach der Nordic Battle Group eine Battle Group unter britischer Führung übernehmen würde und er selbst schon über die nächste schwedische Teilnahme 2012 oder 2013 nachdenke. airpower.at wünscht ihm alles Gute für sein Kommando, der General bedankt sich für die professionellen Fragen.
Georg MADER-JDW