Im Zuge der ideologisch bis schon religiös geführten Debatte rund um die heimische Eurofighter-Beschaffung - aber auch von Kritikern in Europa - war oft zu hören: "Das ist ein Kind des kalten Krieges, man braucht heute keine solchen ‚sündteuren' Superfighter mehr, die 1000en russischen Jets kommen nicht mehr", etc... Während das angesichts von 20- und mehr jährigen Entwicklungszeiten auf alle heute überall zulaufenden Flugzeugtypen zutrifft, mutierte das Flugzeug in Österreich - mittels Drehen an der Populismus-Stellschraube - aber zum ‚Kampfbomber'. Zwar existiert dieser Terminus in der Fachsprache gar nicht und in der 2003 von Österreich bestellten Konfiguration war er auch nie ein Thema - egal. Mittels - jüngst wieder frisch befüllter - Populismusschublade wurde das weltweit erfolgreichste Programm zuerst als ‚Funktionsprototyp' und dann wieder als ‚Luxus-Kampfjet' gegeißelt und medial solange weichgeprügelt, bis er unter Darabos vom pösen ‚Tranche-2 NATO-Bomber' zum - offenbar viel korrekteren - ‚Tranche-1 Neutralitätsfighter' abgespeckt wurde und als solcher endgültig gelandet ist.
Es ist schon vor Einleitung der Beschaffung klar gewesen und die Autoren haben in Zeiten jener polemischen Aufwallung immer daran erinnert: Unter den heute verfügbaren Kampfflugzeugen gibt es keine reinen Abfangjäger oder Luftpolizeiflugzeuge (oder sonstige Verrenkungen) mehr, nur mehr Mehrzweckmaschinen welche entsprechend der verfügbaren Mittel, der beschafften Ausrüstung sowie der Ausbildung des Personals für unterschiedliche Einsatzzwecke geeignet sind. Aber die können alles und auch auf einmal, ganz egal was man - auf einem Bein hüpfend - damit dann (nicht) macht… Und natürlich ist auch schon die Tranche-1 des Eurofighters - samt ihrer Block-2B oder Block-5 - von ihrer Auslegung und den Bordsystemen her ein modulares Mehrzweckflugzeug. Und das wird - speziell in den Betreiberländern England und Spanien - nun auch zügig zur Mehrrollenfähigkeit gebracht. Der mit den Autoren freundschaftlich verbundene, britische Luftfahrtjournalist Craig Hoyle ("FLIGHT"), hat eine Verlegung von 10 englischen Eurofightern auf den US-Übungsplatz Nellis (Nevada) begleitet und für www.airpower.at einer Übernahme seiner Reportage zugestimmt.
"CLOSE AIR SUPPORT MIT DEM EUROFIGHTER"
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Mit dem Rafael Litening III Pod (Bild links / mittleren Rumpfstation) wird per Laserstrahl das Ziel für die Paveway II Lenkbomben markiert. Per Datenlink können die Bilder des aufgeschaltenen Zieles in Echtzeit an eine Bodenstation zur Verifikation übermittelt werden. Fotos: Planefocus Lee |
Die Waffenwirkungs-Genauigkeit der 'Typhoons' in Davis-Monthan war für die Briten angenehm überraschend. 100% der Munition ‚landete' innerhalb ihres wahrscheinlichen, typenspezifischen Fehlerkreis, 65% davon waren sogar direkte Treffer.
Ein weiterer Aspekt war das scharfe Feuern mit der Mauser 27mm Bord-Maschinenkanone des ‚Typhoon'. Die RAF hatte anfänglich auf eine Aktivierung der an sich eingebauten Waffe verzichten wollen, Erfahrungen aus Afghanistan haben aber das aber inzwischen zugunsten von Überlegungen zum Einsatz gegen Bodenobjekte verändert. Nach Arizona wurden sogar Piloten der 3. Staffel zugezogen, welche den Typ nur in der Luftverteidigung fliegen. Lt. Stu Atha wurden "700 Schuss scharf abgegeben, das ist ja wichtig auch für deren operationelle Einsatzbereitschaft. Mit der reaktivierten Waffe muss man sicher noch weiter arbeiten, aber das war ein wichtiger Schritt."
Die Eurofighter erzielten in Arizona einen Klarstand von 99,3%, nur zwei Missionen mussten ausfallen, eine wegen starker Winde im Übungsraum und einer wegen eines technischen Gebrechens. "Das ist nach meinem Wissen bisher unerreicht", merkte Wing Commander Parker an. Eine Leistung die auch dem RAF Panavia TornadoGR4-Kontingent "den Kopf verdreht hat", welche ebenfalls an "Torpedo Focus" teilgenommen hatte.
Die 7 Maschinen der 11. Staffel verlegten dann nach Nellis-AFB, nahe Las Vegas, um bis 6. Juni an einer der 10x jährlichen USAF/US-Army-Übungen ‚Green Flag West' teilzunehmen. Dort gesellten sich drei weitere Eurofighter der RAF 17. Sqn. dazu, zusammen umfasste die britische Präsenz in Nevada dann 20 Piloten und 150 technisch/logistisches Personal. Ziele in der zweiwöchigen Live-Übung waren, Taktiken, Techniken und Abläufe sowie die Fähigkeit des ‚Typhoon' in der Bodenunterstützungsrolle nachzuweisen. Diesen ‚Close Air Support' hatten die Piloten der 11. Staffel schon seit Mitte 2007 mit britischen Armeeeinheiten in England geübt.
‚Green Flag' läuft seit Beginn des Irak-Krieges immer gleich ab. In jede der 10 Übungen pro Jahr sind 5.000 US-Army Soldaten aus Ft. Irwin in Kalifornien involviert, sowie die USAF und wechselnde Koalitionspartner. Das Manöver simuliert ein Irak-artiges Operationstheater, mit Dörfern, Flugplätzen und Luftabwehrraketenstellungen die allesamt von Bulldozern und Bautrupps in die Wüste ‚gepflanzt' werden. Bis zu 5.000 Zivilisten bzw. Zivilistendarsteller - darunter auch eine Menge echter Irakis - bringen für 2 Wochen Leben in die 'Dörfer' und bieten vor der Verlegung den SoldatInnen einen realistischen Hintergrund für ihre Aufgabe "Herzen und Hirne zu gewinnen", so eine Broschüre. Durch die gebirgige Umgebung von Nellis sind auch gute Afghanistan-Simulationen möglich, während es in Davis-Monthan oder Ft. Irwin flach, und somit eher ‚irakisch' ist. "Das ist eine sehr wichtige Übung, weil diese Jungs und Mädels stehen vor dem Einsatz! Wir trainieren den gegenwärtigen Kampf", so Obstlt. Ron Hanselman, der heurige 'Green-Flag'-Leiter.
Zwar gibt es in beiden Konflikten immer wieder die Situation von durch Fliegerleittrupps in urbanem Gebiet angeforderte Luftunterstützung, scharf aus der Luft abgeworfene Munition wird in Nevada aber nicht direkt in der Nähe dieser ‚Dörfer' eingesetzt. Aber während eines Jahres fallen auf der Schießbahn ‚Leach Lake', nördlich des ‚bebauten' Trainingsgeländes 450.000kg Munition und Abwurfwaffen vom Himmel, inklusive Streubomben und thermobarischer Penetratoren. Bei diesen Zahlen ist es kein Wunder, wenn man liest dass bis zu 24 Flugzeuge von Nellis bis zum ‚Death Valley' gleichzeitig an Tagesoperationen von bis zu 9 Stunden teilnehmen. Der Mix ist nur dort so breit, von bewaffneten Drohnen wie der MQ-1 ‚Predator' und der MQ-9 ‚Reaper' - bis zum B-1B Bomber. "Die Komplexität der Übungen hier ist erstaunlich", erläuterte Parker. "Das ist die beste Vorbereitung auf heutige Operationen die man um Steuergeld kaufen kann. Wir alle lernen beträchtliche Pensums!"
In diesen komplexen Szenarien operierten üblicherweise zwei ‚Typhoons' mit ‚Litening-III'-Behältern und PIRATE-IR zusammen (als Verbündete) mit 4 F-16Cs der 14. USAF-Staffel aus Misawa in Japan, letztere werden später im Jahr wieder in den Irak verlegt. Diese Zusammenarbeit bot ebenfalls Gelegenheit, die mit Datenlink-16 ausgestatteten Eurofighter mit anderen Plattformen in der Situationsübersicht zusammenzuspielen. "Langsam kommen wir in die Ära der voll digitalen Luftnahunterstützung", so Parker. Sein OPS-Chef Atha ergänzte: "Ein ganz neues Geschäftsfeld für die RAF!"
"Die ‚Typhoons' haben sich ganz außerordentlich exakt an die ihnen zugewiesenen Lufträume gehalten. Es gab Zeiten da gaben wir ihnen weniger Platz als ihn unsere Jungs hatten und sie hatten kein Problem. Ein sehr agiles Ding", lobte ‚Green-Flag'-Boss Hanselman. Dafür galt es aber zuerst Begriffsbestimmungen auszutauschen bzw. zu vereinheitlichen. Für so manche Luftnahunterstützungsmissionen in bebautem Gebiet wird der Luftraum in kleine und kleinste Sektoren aufgeteilt, in denen dann immer eine Rotte operiert. Die USAF nennt diese ‚kill boxes', die Briten jedoch ‚key pads". Irgendwelche Nutzfahrzeuge auf den Bildschirmen nennt die USAF ‚trucks', bei den Engländern sind das ‚lorries'. "Solche Dinge gehören im Vorfeld geklärt, sie können im Einsatz wertvolle Sekunden bedeuten", ergänze Stu Atha.
Bei 40° im Schatten g-suits statt Hängematten. Dem britischen Steuerzahler kostet die Politenausbildung auf so hohem Niveau enorme Summen. Entsprechend umfangreich sind die Trainingspensums. Nebst den notwendigen Ruhezeiten bleibt da keine Freizeit mehr. Foto: Planefocus Lee |
Die ‚Typhoons' haben sich ganz außerordentlich exakt an die ihnen zugewiesenen Lufträume gehalten. Auch die Fähigkeit in engen Lufträumen zu bleiben macht den Eurofighter gegenüber Flugzeugen älterer Generationen überlegen. Foto: Planefocus Lee |
Typischerweise verließen die ‚Typhoons' Nellis unter Trockenschub (also ohne Nachbrenner), jeweils beladen mit vier ‚Enhanced Paveway IIs', dem ‚Litening'-Behälter, zwei Zusatztanks, zwei AIM-120 AMRAAM radargesteuerten Mittelweiten Luft-Luftlenkwaffen und zwei infrarotgelenkten Kurzstrecken-ASRAAMs. Die Flugzeuge flogen dann in 12 bis 15km (!) Höhe ins Übungsgebiet, insgesamt mit einer - unbetankten - Einsatzdauer von 110 bis 120 Minuten.
‚Green Flag' bedeutet nicht unbedingt immer Waffeneinsatz. Manche Szenarien schließen die Escort-Rolle für eigene Konvois mit ein, dazu brettern 24 Fahrzeuge durch die Wüste und die JaBo-Piloten sollen Aktivitäten Aufständischer in der Nähe bzw. auch an einer Absturzstelle eines Luftfahrzeuges ausmachen und verfolgen. Dazu gehört auch, sehr schnell und tief über jene hinweg zu fliegen um sie zu zerstreuen bzw. abzuschrecken. "Ein Job darf ja auch mal Spaß machen, oder? Das können wir daheim so niemals", so ein grinsender Staffelpilot zu Craig.
Eingebaut in das englische Deployment war auch ein Team von vier vorgeschobenen Fliegerleitoffizieren sowie ein Boden-Verbindungsoffizier zum 4. Battalion des ‚Yorkshire Regiments'. Dieser, Mj. Simon Ness, merkte an dass "ich den Unterschied (zum Tornado) den der Eurofighter mit sich bringt, gar nicht hoch genug einschätzen kann. Seine Fähigkeit einfach hier - über uns - zu bleiben und nicht dauernd irgendwo zu sein wenn man ihn braucht, ist weit überlegener als was wir jetzt haben. Dazu kann er deutlich schneller dorthin kommen, wo bei uns am Boden was los ist…!"
Die Verfügbarkeit in Nellis lag wieder bei nahe 100%, mit zwei Bodenschichten die pro Tag seitens der Technik eingeteilt arbeiteten. "Ich erwartete nach meinen Erfahrungen mit Gästen hier eine höhere Ausfallsquote", so Hanselman. "Sie kamen wirklich vorbereitet hierher, dachten nicht nur an die Flugzeuge sondern auch die logistischen Taktiken und Feinheiten…"
Punkto Verlegephilosophie verlautete die RAF, dass die Flugzeuge der 11. Staffel mit einem sog. 'primary-equipment-pack' in die USA verlegt wurden. Dieses erlaubt Operationen von acht Maschinen mit einer Ersatzteil-Grundausstattung für vier Wochen. Das gesamte Material benötigt nur 3/4 einer C-130J-Ladung, ist also nicht besonders umfangreich. Herausgefunden hat man diese Schnittmenge in kleinen innerenglischen Verlegungen von britischen Eurofightern nach Fairford, Kinloss und Leeming.
"Alle Probleme die wir zuvor hatten, sind nun gelöst und wir können die wahre Bedeutung dessen erkennen, was dieses Waffensystem zu liefern imstande sein wird" erläuterte der Cheftechniker Squadron-Leader Phil Brooker. Er ergänzte zu Craig dass die Ersatzteilbevorratung am Typ werde sich generell bald verbessern, wenn Deutschland, Italien, Spanien und wir die Kontrolle über die nationalen Bestände übernehmen und das ‚gepoolte' Industrie/Luftwaffe-Modell abgelöst wird.
Nach der Rückkehr aus den USA wird in beiden Rollen mit 1. Juli - wie vorgesehen - für Großbritannien Operationsbereitschaft erklärt werden können. Die Maschinen aus Coningsby werden weiterhin russische Bomber abfangen und begleiten, die sich - zuletzt wieder vermehrt - den atlantischen Küsten der britischen Inseln nähern. Wenn die Tornado-Jägerversion F.3 ausgemustert wird, steht auch die Luftverteidigung der Falkland-Inseln für die Eurofighter an, "zuletzt haben die Argentinier dort öfters wieder mal reingeschaut", so Stu Atha. "Wir werden aber - wenn man uns ruft - bereit für den Irak oder für Afghanistan sein, für die unmittelbare Zukunft ist jedoch Rundherum-Kapazitätszuwachs sicher unser Hauptthema".
Weitere Manöver und Übungen mit britischen ‚Typhoons' sind für später im Jahr in den Arabischen Emiraten geplant, im ersten Quartal 2009 im Oman und gleich danach wieder in Nellis. Aber diesmal bei ‚Red-Flag', wenn es gegen andere Piloten und deren Maschinen geht. Inzwischen sehen die amerikanische ‚Aggressors' dort einer absoluten Premiere entgegen. Erstmal werden moderne russische Kampfflugzeuge dort nicht mehr simuliert werden müssen, denn im August kommen die Inder mit Sukhoi-30MKI. Ob man 2009 dann endlich - offiziell - gegen die Lockheed F-22A ‚Raptor' antritt, dazu wollte man sich - obwohl oft direkt nebeneinander abgestellt - nicht äußern.
Angesprochen auf durch die sehr realistische Verwendung vielleicht spruchreif gewordener, künftiger technischer Verbesserungen oder Abänderungen, wurde von Stu Atha zuerst auf die "absolute Zufriedenheit mit der Erfolgsgeschichte dieser Verlegung" verwiesen. Er erwähnte lediglich Diskussionen mit EUROJET/Rolls Royce, die Triebwerksleistung der EJ200s nochmals etwas zu erhöhen. Man spreche angeblich innerhalb der RAF-Führung diesbezüglich von einer präzisen Voraussetzung für Afghanistan und dessen ‚Heiß, Hoch und Schwer'-Bedingungen.
Mit besonderem Dank an Craig HOYLE ("FLIGHT") sowie Geoff LEE (planet-focus)
Einleitung und Übersetzung von Georg MADER / JDW-MILTECH
Überarbeitet für www.airpower.at von Martin Rosenkranz
Seite an Seite mit dem US-CAS Spezialisten A-10 wies der Eurofighter sein Tauglichkeit in der Luft/Boden-Rolle nach.
Foto: Planefocus Lee
Die beschauliche Stimmung trübt. Die RAF-Tyhoons warfen 67 scharfe Bomben ab und feuerten 700 Schuss aus der 27mm Kanone ab.
Foto: Planefocus Lee
Die Komplexität der Übungen ist erstaunlich. Übungen mit bis zu 24 Flugzeugen mit bis zu 9 Stunden Dauer verlangen eine Menge Vorbereitung und fordern den Crews alles ab.
Foto: Planefocus Lee
"Das ist die beste Vorbereitung auf heutige Operationen die man um Steuergeld kaufen kann. Wir alle lernen beträchtliche Pensums!"
Foto: Planefocus Lee
Foto: Planefocus Lee
Trotz der spritfressenden low-level-Mission "Close Air Support" schafft der Eurofighter mit vier 1.000lb Laserlenkbomben und zwei Aussentanks bis zu 2 Stunden airtime.
Foto: Sprucemoose
Nichts trennte einen mehr als eine gemeinsame Sprache - ist ein LKW jetzt ein "Truck" oder doch ein "Lorry". USAF nennt diese ‚kill boxes', die Briten jedoch ‚key pads".
All das muss geklärt werden bis jedem klar ist, dass die "key pads" diesseits des Atlantiks doch das selbe sind wie die "kill boxes" der Amerikaner.
Foto: Planefocus Lee
Die Kombination aus großem Auftrieb, Wendigkeit und Kraft ermöglicht es dem Eurofighter...
Foto: Planefocus Lee
... mit sehr kleinen Lufträumen auszukommen und bei Bedarf sehr schnell neue Einsatzräume zu beziehen.
Foto: Planefocus Lee
Der Fight auf den alle warten. Wie gut schlägt sich der Eurofighter gegen die vielfach teurere Lockheed F-22A ‚Raptor'?
Noch will das - zumindest offiziell - keiner so genau wissen.
Foto: Sprucemoose