5) Wie weiter ?Das technische Drama, welches sich inzwischen bei der US Air Force abspielt spottet jedweder Beschreibung. Im Auftrag des US-Kongresses ist es - auf Grund der stetigen medialen Thematisierung - der Air Force inzwischen verboten, Flugzeuge der Type KC-135 außer Dienst zu stellen.Diese würde gerne die marodesten Zellen ausschlachten um so kostengünstig wie möglich die besseren Flugzeuge auch wirklich flugfähig zu halten. Stattdessen sind eine ordentliche Anzahl der Maschinen gegroundet, werden aber regelmäßig am Boden bewegt (die Räder wöchentlich, die Triebwerke monatlich) um nicht vollständig bzw. dauerhaft flugunklar zu werden. Und die Situation wird absehbar kaum besser werden. Gingen doch die Väter jener Leute die heute diese Flugzeuge fliegen und warten noch zur Schule, als diese Maschinen gebaut wurden. Problematisch ist diese auch weil sich niemand vorherzusagen traut, was in Zukunft mit diesen Flugzeugen passiert. Es gibt schlicht keine Erfahrung mit Luftfahrtsystemen welche ein so fortgeschrittenes Alter aufweisen. Auch wenn sich Kabel, Leitungen, Schalter, Instrumente - sogar ganze Triebwerke und Subsysteme - austauschen ließen, die Zelle selbst - auch wenn man ihr alle erdenklichen Maßnahmen zur Korrosionsunterdrückung angedeihen lässt - altert einfach. Und es gibt keine Modelle die deutlich machen wann die Grenze erreicht ist. Zwar gibt es Leute, die es für möglich halten bis zu einem Alter von 80 Jahren solche Maschinen zu fliegen. Diese Modelle berücksichtigen aber nicht die Menge an Flugstunden die bereits absolviert wurden und noch stattfinden müssen. Eventuell wird der Air Force nichts anderes übrig bleiben als eine repräsentative Zelle aus dem Dienst zu nehmen und einem Bruchlasttest zuzuführen um die notwendigen Daten für einen sicheren Einsatz in den nächsten Jahrzehnten zu ermitteln. Das deswegen der Wartungsaufwand trotzdem nicht sinken wird, sollte aber klar sein - schon jetzt stehen 10 Mann-Wartungsstunden pro Flugstunde am Programm. Inzwischen scheint es der US Air Force bereits ziemlich egal zu sein welches der beiden Flugzeuge das Rennen macht. Zumindest die Aussage vom 3. September von 4-Sterne General Arthur Lichte - selbst ex-Tankerpilot - als Cdr. des Air Mobility Command's, welches die USAF-Tanker betreibt, geht in diese Richtung: "Jedes der beiden Flugzeuge wird einzigartige Fähigkeiten einbringen, die entscheiden wie die Air Force zukünftig ihre Flugzeuge betreibt. Aber ich fürchte mich vor einem "Albtraum-Szenario" welches die ganze KC-135 Flotte an den Boden fesselt. Die machen einen tollen Job, aber sie benötigen 10 Wartungsstunden für jede Flugstunde. Jedes Jahr oder zwei, welches wir jetzt verlieren, bedeutet dass wir die Dinger bis nach 2040 fliegen und das bedeutet die KC-135 wird über 80 Jahre alt! Es ist unerhört, dass wir Menschen fragen mit 50-Jahre alten Zellen in den Kampf zu fliegen. Mir ist egal welcher Tanker gewinnt. Ich brauche nur einen neuen Tanker ...!" Doch (in) der US-Innenpolitik geht es längst nicht mehr darum welcher der bessere Tanker ist, wer das günstigere Angebot legt oder schneller liefert. Ähnlich wie die Präsidentschaftskandidaten ihre Wahlmänner, lobbyieren die Hersteller die Kongressabgeordneten der einzelnen US-Staaten. Northrop-Grumman rechnet für sein KC-45 Tanker-Programm 48.000 direkte und indirekte US-Arbeitsplätze bei 230 Zulieferern aus 49 Staaten vor. Boeing hält mit dem "buy American" Argument dagegen, will selbst 44.000 Jobs schaffen und führt 400 US-Zulieferer in seiner Liste. Und es ist auch ein Kampf Nord gegen Süd. Während Boeing das Everett-Werk in Seattle als Produktionsstandort vorsieht möchte Northrop Grumman in Mobile, Alabama sein neues Werk errichten.
Dass inzwischen alles erlaubt ist um den Deal an Land zu ziehen, zeigt auch das jüngste Angebot von Northrop-Grumman. Während Boeing fieberhaft an einem neuen Konzept bastelt um kapazitätsmäßig der KC-30 gegenzuhalten, offerierte Northrop Grumman der USAF zuletzt den schnellen Deal gegen die alternde Flotte - ganz ohne Ausschreibung rasch 20 neue Maschinen mit Preistaferl - frei nach dem Konzept "friss Vogel oder stirb"....
Das Pentagon wird angesichts des Drucks der Industrie auf die Politik ein Ausschreibungskunstwerk abliefern müssen, wenn es ein Papier mit gleichen Chancen für beide Bieter welches auch Akzeptanz bei der Politik findet und welches zu einem brauchbaren Ergebnis führt, dass dann auch gilt - ohne nochmaligen Rekurs. Schon gibt es Stimmen die gar nicht daran glauben, dass dies je funktionieren kann und die Lösung darin sehen den Auftrag zwischen Boeing und Northrop-Grumman zu teilen. Das wäre dann aber die endgültige Kapitulation des Militärs vor jenem industriellen Komplex den es beständig füttert...
Die KonkurrentenFür beide Hersteller geht es um viel. Zwar ist der US-Tankerauftrag nicht der einzige Deal der zu holen war bzw. ist, aber es ist mit Abstand der Größte. Mit den dreistelligen Stückzahlen für die US Air Force hält niemand mit. In den letzten fünf Jahren und auch in den kommenden werden sonst nur vergleichsweise kleine Aufträge an Land zu ziehen sein.Die Boeing KC767 hat Aufträge von Japan und Italien verbuchen können, während Airbus bzw. EADS für den KC330 Orders aus Großbritannien (14 als Leasing), Australien (4), den Vereinigten Arabischen Emiraten (3), Saudi Arabien (3) an Land zog und für Kanada und Deutschland einige A310 in Tanker/Transporter konvertierte. Heiß wird der Kampf auch, weil die Tankertechnologie faktisch am Beginn einer technologischen Evolution steht. Wer den Auftrag gewinnt, kann umso leichter seine Entwicklungskosten unterbringen. Während die aktuell im Betrieb stehende Tanker-Generation technologisch nur eine manuelle Betreuung des Tankvorganges ermöglicht - mit einem Boom-Operator im Rumpfheck welcher den Tankvorgang manuell durchführt - wird der neue Tanker die Vorstufe zur Automatisierung mit sich bringen. Sowohl Boeing als auch Airbus haben einen fly-by-wire Boom und Weitwinkel 3D-Stereokameras entwickelt und werden die Boom-Operator-Konsole künftig anschließend ans Cockpit im vorderen Teil der Maschine platzieren. Und dies ist nur die Vorstufe zum nächsten Schritt. Die NASA hat bereits Tests erfolgreich durchgeführt die eine vollkommene Automatisierung des Tankvorganges mit beiden Systemen als durchführbar bestätigten. Selbst UAVs (Unbemannte Luftfahrzeuge) können so vollautomatisch den benötigten Sprit abholen. Eine weitere Entwicklungslinie ist die Verwendung der Tanker - welche im Einsatzfall in ihren Orbits nahe der Konfliktzone kreisen - als fliegende Relaisstation für Netzwerkkommunikationsdienste. Auch hier wird der Sieger der Tankerausschreibung künftig entsprechende Beträge für Um- und Einbauten in die Flugzeuge lukrieren können...
Martin Rosenkranz
Die Flugzeuge
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Der Betankungs-Trichter von aussen...
Foto: Georg Mader
...und von Innen. (PS: Diese Bastelarbeit soll noch mal rund 20 Jahre in Dienst bleiben.)
Gen. Arthur J. Lichte, Chef des Air Mobility Command hat keine Sonderwünsche sondern nur noch Grundsätzliches zu sagen: "Ich brauche nur einen neuen Tanker ...!"
Von der Fähigkeit in der Luft zu tanken, hängt letztendlich die Fähigkeit der US Streitkräfte ab global agieren zu können.
Der Fly-by-wire Boom des Airbus-Tankers
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