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"New York, wir kommen!"
Das "4.-reichste Land der EU" kommt in den Sicherheitsrat - aber wie..?

Wie war - und ist - die Freude groß, als unser Land letzten Freitag tatsächlich in den ‚War Room' der UN gewählt wurde. Wer nicht aller aus Regierung und Diplomatie auf den Fronten des ‚Wiener Cafés' in New York, von der Hofburg bis Abeché dafür gekämpft hatte und sich nun in einem OTS-Feuerwerk bestätigt sah. Vom Dank den man den Diplomaten um Fr. Plassnik zolle, über die Message nun gleich die Rechte der Saharauis in der Westsahara anzugehen bis hin zum Verteidigungsminister, der den wahren Grund für den Zuschlag am East River an der Neutralität festmachte - in einer Aussendung des SP-Pressedienstes, nicht des BMLV...

Der Vorwurf ist natürlich einkalkuliert, dass man hier nur Militaristen werken sieht, die sämtliche Grundsatzfragen wieder mal nur auf militärische bzw. Rüstungsaspekte herunter brechen. Wir fordern zwar nur, dass dieser - in Österreich ausgetrocknete - Bereich hier AUCH (s)einen international vergleichbaren Stellenwert zu haben hat, jedenfalls aber darf zum Thema Sicherheitsrat abseits aller Selbstzufriedenheit gefragt werden: Welches ‚Standing' soll dort ein Volk haben, das von einem "…big stick" höchstens auf EU-Ebene was hören will, aber auch nur wenn der möglichst gratis ist? Ein Land in welchem Sicherheitspolitik im Allgemeinen und Militärisches im Besonderen in Politik, Medien und dadurch Bevölkerung stets ausgesprochen nachrangig sind - aktuell ablesbar am BMLV als bloße Restmasse in Koalitionsverhandlungen. Ein Land über das sich die Autoren neulich ausgerechnet in den USA anhören mussten, dass man dort "sogar Wahlen gewinnen könne wenn man aktive Fähigkeiten der Sicherheit einspare"? Abseits der völlig außer Streit stehenden Tradition unsrer UN-Blauhelmeinsätze mit 60.000 Mann in 50 Jahren: Was werden wir dort laut und mutig einbringen, immerhin stehen wahrscheinlich Entscheidungen zu - immer auch zutiefst Militärisches implizierenden - Themen wie Iran, Sudan, Nordkorea oder einer Militarisierung der Arktis an.

Aber - und damit zum Thema - man kann unser ‚Standing' auch an Folgendem ablesen: Österreich hat es in Jahrzehnten nicht erreicht, sich eine Handvoll Flugzeuge für seine Führung bzw. seine höchsten Repräsentanten anzuschaffen. Die Autoren sehen darin einen nicht uninteressanten Aspekt, besonders wenn man sich in fortgesetzter Selbstreflexion als geschätzter Gesprächspartner oder neutraler Vermittler sieht und laufend - nun noch verstärkt - Reise-, EU- und Vermittlungsdiplomatie bis zur Ebene der Staatschefs entwickelt...

Warum gibt's das bei Euch nicht?

Die Autoren wurden das schon in den vergangenen Jahren oft gefragt, "sag, wieso habt Ihr keine Flugbereitschaft oder wenigst eine Regierungsstaffel, das haben doch viele viel ärmere Länder ganz selbstverständlich…?" Antwort: "Weil keiner unserer Landsleute dafür auch nur einen müden Sou ausgeben würde. Ja sie würden vom Boulevard zum Protest aufgebracht werden! Das ganze Land kippt schon, wenn man sich EINMAL in 40 Jahren 18 neue (Unwort) "Luftraumüberwachungsflugzeuge" kaufen will, um die Hälfte der Summe die man JEDES Jahr in die Staatsbahn steckt…" Replik: "Ja aber auch Euch bedeutet Euer Land doch etwas, das kennt man doch in der ganzen Welt. Und Ihr wählt doch Politiker die Euch dann - Boulevard hin oder her - von dieser Notwendigkeit überzeugen können…" Die folgende Erläuterung eher umgekehrter Rahmenbedingungen wird dann generell eher nicht verstanden...

Aber Aufklärung und der Blick über den Tellerrand können nie verkehrt sein und so möchten wir an dieser Stelle zur deutschen Fachzeitschrift WEHRTECHNIK überleiten. WT beleuchtete kürzlich aber nicht die Anschaffung von Regierungsflugzeugen - nein sie erläutert in schmucker deutscher Schlichtheit warum man diese (ab 2010) zu sogar mitunter ersetzen muss! Die Autoren danken dem WT-Chefredakteur Steinhoff für die freundliche Genehmigung, Teile des Texts der beiden Obstlte. Neumann und von dem Bach hier - sozusagen als ‚Eye-Opener' - gekürzt wiederzugeben:

Die Modernisierung der Mittelstrecke
Flugbereitschaft des BMVg

Zur Sicherstellung einer effektiven Regierungsarbeit sowie zur Wahrung der außenpolitischen Handlungsfähigkeit Deutschlands, benötigt die Bundesregierung einen angemessenen Grad an gesichert verfügbaren und weltweit einsetzbaren Flugzeugen mit hoher Planungs- und Durchführungssicherheit.

Aber ebenso benötigt auch die Bundeswehr selbst zur Erfüllung ihres Auftrages und den damit verbundenen Aufgaben ein Fähigkeitsprofil, bei dem Mobilität von zentraler Bedeutung ist. Für die Mittelstrecke Flugbereitschaft BMVg bedeutet dies im Wesentlichen die Beförderung von hochgestellten Persönlichkeiten aus dem politisch-parlamentarischen Bereich, den Transport von Verwundeten, Verletzten und Kranken im Rahmen der medizinischen Evakuierung (MEDEVAC) sowie von militärischem Personal und Material. Um diese Ziele auch zukünftig mit einem hohen Wirkungsgrad bei wirtschaftlichem Ressourceneinsatz gewährleisten zu können, wurde die Modernisierung der Mittelstrecke Flugbereitschaft BMVg erforderlich.

Operationelle Defizite beseitigen

Die Luftwaffe betreibt bei der in Köln/Wahn stationierten Flugbereitschaft BMVg seit dem Jahr 1985 auf der Mittelstrecke Flug­zeuge vom Typ Challenger CL-601 des kanadischen Flugzeugherstellers Bombar­dier Aerospace (früher Canadair). Veränderte Anforderungskrite­rien für die genannten Lufttransporte und das zunehmende Alter der Flugzeuge führen zunehmend zu Defiziten im Flugbetrieb. Fehlende Flexibilität und Effizienz bei der Beförderung von Delegationen unter­schiedlicher Größe aus dem politisch-parlamentarischen Bereich resultieren aus einer geringen Bandbreite des mit Chal­lenger möglichen Sitzplatzangebotes, das zwischen zehn und 16 Sitzplätzen liegt. Zudem macht die begrenzte Reichweite der Challenger - insbesondere bei Reisen an die amerikanische Ostküste (z.B. New York/UN oder Washington/US) oder in den Nahen Osten - regelmäßig Zwischenlandungen erforderlich, wodurch sich die Beförderungszeiten in erheb­lichem Umfang verlängern. Konstruktions­bedingt eignet sich die Challenger außer­dem nicht für die Nutzung von sehr kurzen Start-und Landebahnen. Weiterhin verfügt dieser Flugzeugtyp über keine Ausrü­stung, um bei sehr geringen Sichtverhält­nissen spezielle Präzisionsanflugverfahren nutzen zu können. Deutlicher Anstieg der technischen Beanstandungsrate hat in den letzten Jahren die Verfügbarkeit der Flugzeuge im täglichen Betrieb beein­trächtigt und zu einem erhöhten Instand­haltungsaufkommen geführt. Bei der Nut­zung der Challenger für militärische Luft­transporte ergeben sich ebenfalls erhebli­che Einsatzeinschränkungen. So führt beim MEDEVAC-Einsatz die eingeschränk­te Reichweite zeitweise ebenfalls zu uner­wünschten Zwischenlandungen und damit zu verlängerten Beförderungszeiten - ein Umstand, der insbesondere bei der Ober­führung von intensivmedizinisch zu be­treuenden Patienten nicht akzeptabel ist.

Ein weiteres Defizit der CL-601 stellt die fehlende Selbstschutzausstattung dar. Luftfahrzeuge, insbesondere Regierungs­flugzeuge, sind weltweit einer potenzi­ellen Bedrohung durch Lenkflugkörper mit Infrarot-Zielsuchkopf ausgesetzt. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um trag­bare Flugabwehrraketen, so genannte Man Portable Air Defence Systems (MAN­PADS). Diese werden weltweit unkontrol­liert weitergegeben. Handhabung und Ein­satz von MANPADS sind einfach. Zudem besitzen sie gegen Luftfahrzeuge ziviler Bauart und Anflugverfahren eine sy­steminhärente hohe Trefferwahrscheinlich­keit, kombiniert mit einer relativ großen Reichweite. Da auch irreguläre Gruppie­rungen über derartige Systeme verfügen, unterliegen Luftfahrzeuge auch im Bereich ziviler Flugplätze einer potenziellen Bedro­hung, selbst in Europa. Die im Einsatz­spektrum der Flugbereitschaft BMVg er­forderliche hohe operationelle Flexibilität muss daher unter anderem auch durch eine adäquate Selbstschutzausstattung gewährleistet werden. Vor diesem Hinter­grund wurde entschieden, die neuen Mittelstreckenflugzeuge mit einem bedro­hungsgerechten automatisierten Selbst­schutzsystem auszustatten.

Rahmenbedingungen für die Modernisierung

Unter Berücksichtigung der operationel­len Defizite sowie fußend auf einer Analyse des Lufttransportbedarfs wurden wesentli­che Forderungen an die neue Mittel­streckenflotte festgeschrieben. Zwei Flug­zeuge mit bis zu 48 Sitzplätzen (sog. 48-­Sitzer) sollen Delegationen mittlerer Größe über eine Entfernung vergleichbar einer Referenzstrecke Berlin-Peking transportieren können. Zusätzliche vier Flugzeuge mit bis zu zwölf Sitzplätzen (sog. 12-Sitzer) sollen einen Nonstop-Flug von Berlin nach Washington ermöglichen. Damit können der vorhersehbare Bedarf des politisch-parlamentarischen Bereichs und der militärische Bedarf, insbesondere MEDEVAC, abgedeckt werden. In der Summe wurde für alle sechs Maschinen ein Jahresbedarf von ca. 3.500 Flugstunden ermittelt.

Lösungsmodelle

Zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Lösungsweges wurden insgesamt vier Al­ternativen, darunter zwei Varianten eines optimierten Eigenmodells der Flugbereit­schaft BMVg und zwei Varianten eines Ko­operationsmodells eines zivilen Betreibers, betrachtet. In der ersten Variante des Eigenmodells kauft die Bundeswehr eine neue 2+4-Flotte und betreibt diese in eige­ner Zuständigkeit. Der derzeitige Betrieb der Mittelstrecke Flugbereitschaft BMVg wird hierzu optimiert. In einer Leasingvari­ante stellt ein Leasinggeber die neuen Flugzeuge für eine vereinbarte Vertrags­laufzeit und gegen Zahlung einer Leasingrate bereit. Der Betrieb der Luftfahrzeuge erfolgt analog zur Kaufalternative.

Das erste Kooperationsmodell sieht die Beschaffung (Kauf oder Lease), die Finan­zierung und das Betreiben der neuen 2+4-Flotte durch einen gewerblichen Anbieter in eigener Zuständigkeit vor. Die Bundes­wehr behält hier lediglich militärische Kernfähigkeiten bei und bringt diese in die Kooperation mit dem Betreiber ein. In Ab­wandlung dieses Kooperationsmodells hat der zivile Anbieter in der Chartervariante die Möglichkeit, eine reduzierte Kernflotte von vier Luftfahrzeugen (2+2) zu beschaf­fen und kurzfristig auftretenden Spitzen­bedarf sowie außerplanmäßige Ausfälle der militärischen Kernflotte über die Zu­charterung von zwei zivil zugelassenen Luftfahrzeugen mit ziviler Besatzung zu kompensieren. Um eine objektive Vergleichbarkeit über alle Modelle sicherzustellen, wurden Beschaffung und Betrieb der Flugzeuge über einen Nutzungszeitraum von zehn Jahren zugrunde gelegt.

Interessenbekundungsverfahren, Ausschreibung und Auswahl der wirtschaftlichsten Alternative

Im Vorfeld der Ausschreibung wurde im Zeitraum vom 2. August bis 15. Septem­ber 2006 ein Interessenbekundungsverfahren (IBV) durchgeführt, um Ideen und Möglichkeiten der Industrie zu ermitteln und bei der Auswahl des Lösungsweges zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse wurde die parallele Ausschreibung aller Modelle vorbereitet. Das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) forderte am 13. März 2007 die am IBV beteiligten Firmen zur Angebotsabgabe auf.

Die vorgelegten Angebote umfassten native Flottenzusammenstellungen den Flugzeugtypen Airbus A319 Cor­porate Jetliner (A319CJ) und Boeing 737 Business Jet (BBJ) als 48-Sitzer sowie Bombardier Global 5000, Gulfstream G550 und Airbus A318E als 12-Sitzer. Im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsunter­suchung wurden die Angebote hinsichtlich monetärer und nicht-monetärer Aspekte ausgewertet. Die Auswertung der Ange­bote bestätigte die Ergebnisse des im Herbst 2006 durchgeführten IBV, wonach sich ein optimiertes Eigenmodell als deut­lich wirtschaftlicher als die Kooperations­modelle erwies. Innerhalb des optimierten Eigenmodells war die Realisierungsalter­native der Firma Lufthansa Technik AG (LHT) mit Kauf eines Flottenmix aus zwei A319CJ und vier Global 5000 am wirtschaftlichsten. LHT wurde daher als Hauptauftragnehmer der Modernisierung Mittelstrecke Flugbereitschaft BMVg empfohlen. Die Wirtschaftlichkeit dieser Auswahlempfehlung wurde sowohl vom Bun­desrechnungshof als auch durch ein Gut­en einer unabhängigen Wirtschaftsprüfungs-/Steuerberatungsgesellschaft bestätigt.

Parlamentarische Behandlung und Vertragsschluss

Auf Grundlage des Angebots wurde das Vertragswerk mit LHT endverhandelt. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags hat dem Abschluss des Beschaffungsvertrags auf Basis einer 25 Mio. Euro Vorlage am 12. Dezember 2007 zugestimmt. LHT wurde zwei Tage später Erbringung der vertraglichen Leistungen beauftragt.

Ausstattung der neuen Mittelstreckenflugzeuge

Die Kabinenausstattung der beiden Flugzeugmuster folgt stringent den funktional beschriebenen Leistungsforderungen der künftigen Nutzer und basiert auf Ausrüstungsstandards für moderne Geschäftsreiseflugzeuge. Da sich die Ausstattungserfordernisse für die Beförderung hochgestellten Persönlichkeiten des politisch-parlamentarischen Bereichs (im Folgenden als VIP bezeichnet) von denen des militärischen Lufttransports grundsätzlich unterscheiden, war ein gewisser Grad an Flexibilität für Rollen­wechsel zu berücksichtigen.

Für den VIP-Transport ist die funktionale Gliederung der Kabine in einen VIP-Bereich mit Private Office und Konferenzab­teil in der vorderen Kabine sowie einen De­legationsbereich in der hinteren Kabine vorgesehen.

Der VIP-Bereich ermöglicht den rang­höchsten Passagieren ein ermüdungsfrei­es Reisen und bietet die erforderlichen Arbeits- und Besprechungsmöglichkeiten. Der Ausstattungsstandard des VIP-Be­reichs ist mit der ‚First Class’-Ausstattung zivil genutzter Geschäftsreiseflugzeuge vergleichbar. Die Einrichtung ist dem re­präsentativen Zweck entsprechend zeitlos elegant und streng funktional gehalten. Das robuste und pflegeleichte Ober­flächenmaterial trägt der hohen Bean­spruchung durch Flugbetrieb und Rollen­wechsel gleichermaßen Rechnung. ‚Gol­dene Wasserhähne’ oder ähnliche luxuriö­se Ausstattungsmerkmale sucht man ver­gebens.

Der Delegationsbereich bietet mit einer Bestuhlung vergleichbar der zivilen ‚Busi­ness Class’ sowohl Arbeits- als auch Ruhemöglichkeiten für unterschiedliche Delegationsgrößen und ermöglicht den schnellen Umbau zur Nutzung für militäri­sche Lufttransporte einschließlich der Um­rüstung für MEDEVAC-Zwecke. Das Leistungspaket der neuen Mittel­strecke umfasst auch die Beschaffung und Integration eines automatisierten Selbst­schutzsystems. Das ausgewählte ‚Large Aircraft Infrared Counter Measures’ (LAIRCM) System der Firma Northrop Grumman ist das einzige marktverfügbare Selbstschutzsystem, das die Schutzanfor­derungen für die zu modernisierende Mittelstreckenflotte der Flugbereitschaft BMVg zeitgerecht erfüllt. Das System ist bereits in vielen Luftfahrzeugen ziviler Bau­art integriert sowie erprobt und soll den bestmöglichen Schutz für Passagiere und Besatzung vor möglichen Angriffen durch moderne Lenkflugkörper gewährleisten.

Das Projekt ‚Modernisierung Mittelstrecke Flugbereitschaft BMVg’ wird wesentlich dazu beitragen, die erforderliche Pla­nungs- und Durchführungssicherheit zur Gewährleistung eines wirkungsvollen und durchhaltefähigen Einsatzflugbetriebs für die politisch-parlamentarischen sowie mi­litärischen Nutzer wiederzugewinnen. Bis zur Auslieferung der beiden Airbus A319CJ (2010 und 2011) und der vier Bombardier Global 5000 (2011) steht die Ausrüstung der Flugzeuge und die umfas­sende Ausbildung von fliegerischem sowie technisch-logistischem Personal im Mittel­punkt des Interesses. wt

 

Die Autoren, Oberstleutnant i. G. Stefan W. Neumann und Oberstleutnant Volker von dem Bach, sind beide Referenten im BMVg; Neumann im Führungsstab der Luftwaffe, von dem Bach in der Hauptabteilung Rüstung

www.airpower.at bedankt sich für die freundliche Genehmigung des Chefredakteurs der WEHRTECHNIK, Hr. Steinhoff, sowie der Autoren zur Wiedergabe einer gekürzten Fassung des in der WT 11/2008 erschienen Beitrages.

‚Netter Versuch'

Bei der Hilfe nach der Erdbebenkatastrophe von Armenien 1989 wurde es (wieder) klar dass dem österreichischen Bundesheer ernstzunehmender Lufttransportraum fehlt. Man wollte in Folge vier Maschinen ankaufen, eine mit einer Tonne Nutzlast, zwei mit 5 und eine mit 10 Tonnen. Jene hätten vom Bundesheer betrieben, aber zivil gewartet werden sollen. Man testete G-222, CN-235 und BAe-146 und Minister Lichal bestellte darauf eine 146er (heute ‚Avroliner'). Sofort - erraten - hagelte es von allen Seiten samt einer Tageszeitung Vorwürfe über die korrupte Präferenz für BAe und Überschriften wie "Bonzen-Bomber". Auch das Kennzeichen - zufällig oder nicht - OE-BRL wurde als ‚Bundesminister Robert Lichal' skandalisiert. Ende 1990 verließ uns dann der Mut und man bestellte man die - bereits in Nottingham auf ‚Republik Österreich' mit Hoheitszeichen lackierte - Maschine wieder ab. So blieben fallweise die zwei mittlerweile ausgemusterten SC-7 ‚Skyvan' (ein Bundeskanzler nannte sie ‚Rübenbomber'), bzw. Umrüstsätze für die viersitzige Saab-105. Und selbst diese produzierte abstruse Schlagzeilen wie "mit dem Kampfjet in den Urlaub"...

Am anderen Stern - auch in der öffentlichen Wahrnehmung

Wie von einem anderen Stern schreibt dagegen FOCUS im März 2007, dass es nun endlich (!) mit dem Ersatz der deutschen Luftwaffe-‚Challengers' losgehen soll...:

...In diesem Monat soll nun endlich das Ausschreibungsverfahren für die Anschaffung von sechs neuen Jets auf den Weg gebracht werden. Sie werden der Flugbereitschaft des Verteidigungsministeriums aber frühestens Ende 2008 zur Verfügung stehen....

Schon Fischer* wollte neue Jets

...Für den Kauf neuer Regierungsflugzeuge hatte sich bereits Joschka Fischer (Grüne) während seiner Amtszeit eingesetzt. Als vielfliegender Außenminister litt er besonders häufig unter der Unzuverlässigkeit der Luftwaffen-Maschinen. Wie bei Fischer waren es auch bei anderen Politikern vor allem die rund 20 Jahre alten Mittelstrecken-Jets vom Typ CL-601 Challenger, die Probleme bereiteten. Einen der schwersten Zwischenfälle musste bisher Außenminister Steinmeier durchstehen, als er im vergangenen Mai zum EU-Lateinamerika-Gipfel nach Wien flog. Kurz nach Abflug signalisierte ein Instrument im Cockpit einen drohenden Druckabfall. Der Pilot musste auf Sinkflug umschalten und Wien im Tiefflug ansteuern. Vor wenigen Wochen blieb auch Bundestagspräsident Lammert nichts anderes übrig, als auf einen Linienflug auszuweichen, um von einem Besuch in Polen nach Deutschland zurückzukommen. Die Maschine der Flugbereitschaft konnte wegen eines Defekts nicht wieder starten...

*Anm.: Damit ist natürlich nicht unser Hr. Fischer in der Hofburg gemeint. Die Präsidentschaftskanzlei begnügte sich lange Jahre mit den Aufkleber "Presidential Aircraft" auf der AUA...

Der nun eingeleitete Ersatz jener ‚Mittelstrecke' ist aber noch nicht alles. Unsere nördlichen Nachbarn haben mit Beschluss des deutschen Parlaments vom 12. März auch die Langstrecke 'angegangen'. Das Verteidigungsministerium wird zwei gebrauchte A340-300 von der Lufthansa kaufen um die alternden A310 zu ersetzen. Die beiden Viermots werden von Lufthansa-Technik mit einem VIP-Interieur versehen. Das erfuhren auch die zwei ersten A340s der AUA (die mit der tollen Steigleistung) welche seit Mitte 2006 in der französischen VIP Staffel Dienst tun. Um deren Abgabe drehte sich in Fliegerkreisen auch die Diskussion, ob die nicht - als PPP-Modell - hätten der heimischen Regierung dienen können. Der äußerst umtriebige EU-Ratsvorsitzende Sarkozy tauscht übrigens seine A319 gegen einen A330 mit Crypto-Kommunikation und Selbstschutz-System - "mit dem ‚petite Airbüs' komme man ja nirgendwo hin. Es könne nicht sein, dass er Zwischenlanden müsse und die Presseleute direkt fliegen und dann dort auf mich warten müssen...", so EU-Chefmoderator Sarkozy in einer Talkshow...

Wir meinen, A330 oder gar -340 wären in der Tat für uns um mindestens eine Schuhnummer zu groß. Von den nächsten zwei Jahren New York abgesehen - wofür es ohnehin jetzt zu spät wäre - braucht man nicht dauernd ein Flugzeug zu erhalten, in das die gesamte Regierung passt. Auch gibt es nicht monatlich Wirtschafts- oder Pressedelegationen einzuladen, daher sollte uns als realistische Reichweite die EU + Umfeld wohl genügen, wie die deutsche ‚Mittelstrecke' eben. Wohl erkannt dass das ständige ad-hoc Chartern von VIP-Jets bei privaten Unternehme(r)n - wie hierzulande z.B. Comtel, Grossmann, Jet-Alliance, Bannert usw. - viel Geld kostet, haben andere Staaten sicher auch gerechnet, bevor sie einen (oder mehrere) Regierungsflieger kauften. Immerhin bekommt man um 10 Business-Tickets einer Airline auch schon eine ganze Citation-III als Komplettcharter zu Europa-Destinationen.

Einen Effekt hätte jedenfalls eine sparsame Dauerlösung: Man begegnete damit unschönen, parteipolitisch motivierten Diskussionen, ob dieser oder jener Flug nun (halb)dienstlich ‚geupgradet' wurde oder die sich in der nebenstehenden, kürzlichen HEUTE-Schlagzeile manifestieren.

Ein Frage des ‚Prestige':

...Nach einer Panne am (ex-Interflug) A310 Kanzler Schröders in Südamerika entrüstete sich ein mitreisender Vorstandschef: "Es ist unzumutbar, dass Schröder mit so einer ‚alten Honecker-Maschine' herumreisen müsse. Dies sei schließlich auch eine Prestigefrage."...

Stimmt, das ist sie mindestens ebenso wie das Ansinnen "man wollte in Miami nicht umsteigen..." Neben erwartbar ansteigenden Sicherheitsaspekten - Stichwort: Themenkreis Personenschutz - der Beförderung von politischen Entscheidungsträgern, kommt man in der Diskussion eben rasch an die wohl schwer argumentierbaren, vielleicht irrationalen, jedenfalls anderswo - z.B. bei ALLEN unsrer Nachbarn (!) - aber sichtlich anerkannten Prestigegründe. Dabei wären es ja nicht nur Politiker die das nutzen, auch die Führung des Bundesheeres ist in einem zunehmend international vernetzten Umfeld der Sicherheitszusammenarbeit ‚unterwegs'.

Keine Frage, auch gebrauchte Flugzeuge und ihr Betrieb ergeben Kosten. Das (Er)Tragen derer hat wieder mit Verantwortung und Populismus zu tun, bis hin zum hier völlig unbekannten Begriff ‚Heritage'. An dieser Stelle daher - in einem zugegeben weiten Bogen - nochmals zurück zu Vielflieger Steinmeier. In seiner Antrittsrede als Kanzlerkandidat sagte er am 18. Oktober: ..."Verantwortung als Europäer heißt jetzt: Einig handeln, statt auf unseren jeweiligen kleinen Vorgarten zu schauen! In Krisenzeiten - schaut nach Österreich und andere Wahlergebnisse - da formieren sich eben von Rechts- und Linksaußen die Fronten der Anti-Europäer." Oder etwas später: ..."Verantwortung tragen - das trennt uns von den Populisten. ... Eine Partei, die den Lissabon-Vertrag und damit Europa ablehnt, die die NATO auflösen will, die ihren Katalog haltloser Versprechen auf komplett verrückte Steuererhöhungen gründet - eine solche Partei ist schlicht und einfach nicht regierungsfähig."...

Die Autoren wissen bei seinem letzten Statement jetzt nicht genau, wen Steinmeier da gemeint hat - beim ersten hat er Österreich ja ganz klar angesprochen. Er selbst wird wahrscheinlich die deutsche Linkspartei gemeint haben. Aber schon seine fast 100%ige Übereinstimmung mit von uns hierzulande stets Bekämpftem ist selbst bei - vorauszusetzendem - völligen Zufall KEIN ‚Prestige' für unser Land!

Es geht also nicht (nur) um die Kosten für 2 oder mehr Flugzeuge - es geht viel tiefer darum was ein achso modernes, beliebtes und weltoffenes (weitere Substitute erwünscht) Land der ersten Welt sich selbst wert ist. Oder schlicht darum, wo Westeuropa anfängt? Auch wird der Terminus des "4.-reichsten Land der EU" - zurecht - gerne von diversen Sozial- oder Pensions- oder Bildungspolitikern genutzt. Also ist er auch zum Hinweis auf ein Paradoxon tauglich und wir sprechen mit der vielleicht kühnen Einmahnung einer Flugbereitschaft gezielt den Selbstwert eines Staates an, bzw. was jener real kosten darf. Der landete nämlich beim erwähnten EU/Lateinamerika-Gipfel für jedermann sichtbar in Schwechat - und das gleich Dutzendfach...

Natürlich ist es nicht der Nabel der Welt, aber im Lichte der echten Abgründe die sich in Sachen unseres Kernthemas (Militär)Luftfahrt hier auftun (von Ausschuss bis Zwischenlösung) meinen wir: Wieviel mehr Berechtigung für einen ständigen Sitz im - vom Stand 1945 dringend wegzureformierenden - Weltsicherheitsrat hat unser heutiges Themenland Deutschland! Aber auch Japan, Brasilien oder Indien, die haben - aus dem heute gewählten Blickwinkel - ihr ‚Standing' in Ordnung...

 

Links zum Thema (um nicht reflexhaft der Phantasterei geziehen zu werden…):
http://en.wikipedia.org/wiki/Air_transports_of_heads_of_state_and_government
http://www.dailymail.co.uk/news/article-433616/Vladimir-Putins-Airforce-Oneski.html
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,540155,00.html

Das AIRPOWER-Team

"Es hat nicht sollen sein..." Die bereits fertige Örforce-One 1990 in Nottingham.
Foto oder Link: zu AirlinersNet, Bill Blanchard

Der UN-Weltsicherheitsrat spiegelt die Welt von 1945 wieder, er gehört dringend reformiert. Wichtiger als das Gezerre um die 2-jährigen Rotationen wären Indien, Brasilien, Deutschland oder Japan als ständige Mitglieder.
Foto: UN

Bevor jemand sich an die Stirn greift, es geht noch größer! Deutschland betreibt sogar zwei Versionen des A310.
Foto: Bundeswehr

So geht's auch: Deutsche Medien hinterfragen höchstens die Qualität der Flugbereitschaft, aber nicht ihre Daseinsberechtigung.
FOCUS.de

Professionelle Medienarbeit kann man so gleich ‚mitnehmen'. Pressebriefing Außenminister Steinmeiers während eines Fluges.
Foto: Ausw. Amt

So werden die beiden 48-Sitzer der deutschen Flugbereitschaft aussehen.
Grafik: Airbus/WT

Die Inneneinrichtung der Flugbereitschaft-Jets
Grafik: WEHRTECHNIK

Die ‚Corporate'-Version des A319 steht im Inventar der Luftwaffen (Regierungen) von Tschechien, Frankreich, Italien, Brasilien, Venezuela, der Türkei und Thailand.
Foto: G. Mader

A-319CJ als türkische Air Force One
Foto: G. Mader

Greift der Reflex von wegen ‚falsche Prioritäten' nicht zu kurz, wenn Länder wie Peru und Chile mit ihren ‚Precidencia'-Boeings um die halbe Welt fliegen? Oder sind sich gerade deutlich ärmere Länder mehr wert...?
Foto: G. Mader

Oder Gegenfrage: Sind wir uns stets nur DAS wert...?
Grafik: HEUTE

Ob uns jene Herren und Ihr Betrieb vielleicht durch ihr Handeln - unfreiwillig - zu (billigen) Regierungsflugzeugen verhelfen...?
Montage: AUA/Mader