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"Hello Mr. President...!"
Barack Obama und die Sicherheitspolitik - Chance oder Risiko für die Welt?

Die US-Bürger haben am 4. November den 47jährigen farbigen Senator Barack Obama zum 44. Präsidenten der USA gewählt. Vor ihm liegen allein innen- und wirtschaftspolitisch herkuleanische Aufgaben, aber diese haben die AmerikanerInnen ihm offenbar zugetraut. Er wird als Präsident vor allem in den ersten zwei Jahren eine enorme Machtfülle haben, weil die Demokraten auch im Kongress die Mehrheit erlangten. Ein so stark abgesicherter Anführer könnte von Anfang an versuchen, auch Republikaner in sein Kabinett zu berufen um als Übergangsfigur Gräben zuzuschütten. Einer zu werden, der die USA nachhaltig verändert.

In Sachen Außen- und Verteidigungspolitik ist aber viel weniger gewiss, was Barack Obama's Schlachtruf - für den gesamten Planeten - mit sich bringen wird. "Yes we can...!", aber was...?

Pro &Contra

Was Amerikas (ich verwende hier das in den USA für sich selbst gebräuchliche Synonym) künftige Rolle in der Welt betrifft, hat der Autor wenige Wochen vor den US-Wahlen das Land als zutiefst gespaltene Nation erlebt. Senator Obamas Unterstützer - angetroffen in durchaus auch weißen, urbanen Bildungsschichten, unter Journalistenkollegen oder am Straßenrand - sahen die geopolitischen Herausforderungen für Barack Obama deutlich differenzierter als Viele in Europa. Amerika müsse "stark bleiben und weiterhin den Terror bekämpfen der sich gegen unsere westliche Lebensart generell stellt." Darüber hinaus aber wurde die Hoffnung vertreten, dass er das Vertrauen in die USA wiederherstellen werde, welches durch die Bush-Administration weltweit so tief gesunken ist wie nie zuvor. Wird er der Welt beweisen können, dass Amerika wieder etwas werden zu dem man in dunkler Stunde oder durch Gitterstäbe aufschauen kann? Dass es nicht mehr als der "gefährlichste Schurkenstaat des Planeten" gesehen wird sondern noch immer oder wieder als Partner für Gerechtigkeit, Stabilität und Frieden? Gelingt Barack Obama dies nicht, so würde er während seiner gesamten Amtszeit nichts anderes zu tun haben als irgendwo Krisen irgendwie zu managen - und er würde politisch scheitern. Denn Amerika bräuchte x-Milliarden zur Modernisierung von Wirtschaft, Soziales, Gesundheit, Infrastruktur - nicht für Kriege. Wobei auffällig war, dass zwischen Aufwand für die Streitkräfte (z.B. Beschaffungen) und Kriegskosten genau unterschieden wird...

Viele US-Bürger - speziell jene in Uniform - waren diametraler Ansicht und bekannten sich als Unterstützer des unterlegenen Vietnam-Helden John McCain. Ihre nüchterne Einschätzung kommender Zeiten kann desillusionierend sein: Ein Irankrieg sei unverzichtbar, solange der Iran Uran anreichere und damit jeden Tag ein kleines Stück näher an die eigene Atombombe rückt. Israel sei sicher, dass Tehran Atomwaffen gegen Israel einsetzen werde sobald es darüber verfügt. Die Sicherheit Israel aber sei US- und auch europäische Staatsräson, daher hätte man eminentes Interesse, Iran notfalls durch Krieg zu stoppen. Völlig unbeeindruckt von allen evidenten Fakten militärischer Überdehnung, konnte man vernehmen dass zuvor noch der Syrienkrieg kommen müsse. Weil Syrien den Terror im Irak fördere und weil die Golanfrage nicht anders als durch einen Waffengang zu klären ist - sollte die Türkei keine Vermittlungslösung zwischen Israel und Syrien erreichen. Und sonst? "Auch wegen Venezuela's Chavez müsse man ‚was' machen" und China sei - illustriert durch jüngste Aufregung um eine RAND-Studie die den kommenden F-35/JSF chinesischen Sukhois unterlegen darstellte - militärisch viel relevanter als Russland. Ein Offizier der ‚Special Forces' zum Autor: "Glauben Sie mir, Soldaten sind immer die besten Pazifisten - sie erfahren das Scheitern des Friedens als Erstes. Leider fällt der Friede nicht vom Himmel, er müsse oft militärisch erzwungen werden. Die ‚Kräfte der Finsternis' würden das ‚Land der Freiheit' stets herausfordern und das wird auch ein Barack Obama rasch lernen (müssen)..."

Man wird ihn testen...

Dieser letzte Satz wird interessanterweise auch von etlichen Demokraten geteilt, die ebenso dafür eintreten dass die USA militärisch stark bleiben. ‚Amerika' ist eben nicht so leicht in schwarz-weiß abzubilden, auch wenn das hier in Europa immer wieder gern versucht wird. "Amerika-feindliche Staaten und Kräfte warten nur darauf, bis ein neuer Mann ins Weiße Haus eingezogen ist, um dann eine Krise anzuzetteln und so den neuen US-Präsidenten zu ‚testen'". Das glaubt niemand anders als der designierte US-Vizepräsident, der demokratische Senator Joe Biden. Präsident Obama's Stellvertreter gilt als erfahrener Außenpolitiker.

Anfang November sagte bei einer Wahlkampfveranstaltung in Seattle: "Es wird nicht einmal sechs Monate dauern, ehe die Welt Barack Obama testen wird - wie das auch John F. Kennedy widerfahren ist." Wir erinnern uns: Nach dem Gipfel von Wien 1961 hielt Nikita Chruschtschow den jungen US-Präsidenten für ein außenpolitisches Leitgewicht. Sieben Monate nach dessen Wahl ließ er die Berliner Mauer hochziehen aber nachdem die USA ballistische Raketen auf Kuba entdeckt hatten, bewies Kennedy Stärke. Sowohl gegenüber den Sowjets mit seiner Seeblockade, aber auch gegenüber seinem eigenen Generalstab, als er Fotoaufklärer statt Bomber über Kuba sandte.

"Die USA haben am 4. November einen brillanten 47-Jährigen zum Präsidenten gewählt. Viele in der Welt haben Angst, dass Präsident Obama ein zu großes Vorbild und ein zu großer Hoffnungsträger wird. Das stört ihre Kreise und ihre Macht. Passen Sie auf, wir werden eine internationale Krise haben, eine gesteuerte Krise, um den Mut dieses Burschen zu testen", erläuterte Joe Biden seine Krisenprojektion. Gefragt, wer denn eine solche Krise provozieren könnte, antwortete der kommende Vizepräsident: "Sie wird vom Mittleren Osten oder von Russland ausgehen."

Das gescheiterte republikanische Duo für das Weiße Haus hatte im Wahlkampf ihren einfachen Standpunkt zu Obama's Qualitäten als ‚Supreme Commander'. John McCain und Sarah Palin warnten davor, dass "das außenpolitische Greenhorn Obama solchen Krisenentwicklungen ratlos und völlig hilflos gegenüberstehen würde..." Grund genug also, sich - abseits der Diskussion um Umfang und Zeitpunkt eines vage geplanten US-Abzuges aus dem Irak - Szenarien eines ‚Crashtests' für Barack Obama's außenpolitische bzw. militärische Fähigkeiten kurz anzusehen:

Krisenherde

Im Nahen und Mittleren Osten werden es vor allem der Iran und auch Pakistan sein, von wo für die Amerikaner ständig Kriegs- bzw. Krisengefahr ausgeht. Neben der Dauerkrise wegen Tehran's ehrgeizigem Atomprogramm hat die theokratische Führung des Iran mit engen Kontakten zur palästinensischen Hamas und zur Hezbollah im Libanon auch extremistische Gruppen an der Leine, die es zum Auslösen einer Krise anstiften könnte. Das nuklear bewaffnete Pakistan gilt mit seinen vielen ungelösten inneren Problemen inzwischen als gefährlichstes Land der Welt. Die (noch) verbündete Regierung steht unter Dauerdruck eigener Islamisten, in Stammesgebieten an der Gebirgsgrenze zu Afghanistan werden die Kämpfe zwischen islamistischen Gruppen, Regierungstruppen und diese unterstützende ‚Warlord'-Paschtunen immer heftiger. Von hier aus operieren die Taliban, welche über die Grenze hinweg die NATO-geführte ISAF in Afghanistan immer mehr bedrängen. US-Truppen wiederum destabilisieren Pakistan's Führung durch unangekündigte Kommandounternehmen und Drohnenangriffe in die Gegenrichtung. In jenem Pulverfass könnten Islamisten jederzeit einen konzertierten Großangriff gegen die Regierung in Islamabad unternehmen, die Taliban könnten ihre Terrorkampagne gegen die NATO-Truppen weiter verstärken. "Was wir an Truppen im Irak stehen haben gehörte nach Afghanistan und umgekehrt", so ein Offizier der Special-Operations-Academy zum Autor.

Russland hat während der zweiten ‚Bush'-Administration seinen Ton gegenüber den USA sukzessive verschärft. Moskau sieht sich durch die ABM-Raketenabwehrpläne in Polen und Tschechien umkreist bzw. von den USA auch in seinem Hinterhof herausgefordert. Es hat - und da hat der Wechsel zu Medwedjew nichts geändert - deutlich gemacht, dass es Georgien und die Ukraine in der NATO als Überschreiten einer ‚roten Linie' wahrnehmen wird. Im Augustkrieg gegen Georgien haben die Russen - ob provoziert oder nicht - gezeigt, dass sie bereit sind ihre Interessen in der unmittelbaren Nachbarschaft auch militärisch durchzusetzen. Für Moskau wäre es auch ein Leichtes, z.B. auf der Krim eine veritable Krise zu provozieren die eine Eigendynamik annehmen könnte. Schon nach dem Georgienkrieg operierten russische und US-amerikanische Kriegsschiffe im Schwarzen Meer ganz nahe aneinander. Zuletzt war auch in Washington keine echte Beunruhigung aber Irritation wegen einer Art russischer ‚Revanchestrategie' in Lateinamerika erkennbar. Russische Tu-160 Atombomber und Kriegsschiffe wie der Kreuzer ‚Peter der Große' beteiligen sich an Manövern im - um 4 Mrd. US$ russisch aufgerüsteten - Venezuela, die Kontakte zu dessen US-kritischen Presidente Chavez und zu linksgerichteten Staaten in Südamerika werden intensiviert. "Tausche Eure Aktivitäten in Zentralasien gegen unsere in Südamerika", so lautet 2008 die Neuauflage des alten Spiels um ‚Hinterhöfe' - verschärft durch wiederholte US-Sanktionen gegen ‚Rosoboronexport' wegen Proliferationsvorwürfen.

Auch in anderen Krisenregionen der Welt könnte sich ein Zündholz finden. Nordkorea mit seiner nuklearen ‚doch-nicht-Abrüstung' und seiner unberechenbaren ultrakommunistischen Führung - so sie in Person Kim Jong Ils noch handlungsfähig ist - drohte neulich wegen Flugblättern Südkorea mit der totalen Zerstörung. Dort stehen 50.000 US-Truppen. In Afrika - wofür neuerdings in Deutschland ein eigenes US-Kommando zuständig ist - könnten Islamisten Regionen wie Nigeria destabilisieren, aus Afrikas bevölkerungsreichstem Staat bezieht die USA immer mehr seiner Erdölimporte. Die als Förderer des Terrors angesehene Führung des Sudan und deren chinesische Rüstungs-/Rohstoffachse bleibt ein Quell amerikanischer Besorgnis. Ebenso Somalia wo die Regierung Bush 2006/7 Äthiopien bei seinem Einfall zur Beseitigung der ‚Union der Islamischen Gerichte' unterstützte, diese sind - aus US-Sicht - zwar von der Macht verdrängt, kämpfen immer noch und sind Ziel verdeckter US-Angriffe.

Obwohl nach (vagen) US-Angaben einige Versuche vereitelt wurden, ist überdies ein neuerlicher großer Terrorschlag von ‚Al-Qaida' in den USA selbst oder gegen US-Schlüsseleinrichtungen auf der Welt weiterhin nicht auszuschließen. Osama bin Laden ist - wie Mullah Omar - überdies immer noch nicht gefasst.

Zum Schluss zu uns - zu Europa. Hier herrscht ja hohe Erwartung an Präsident Obama, man erhofft eine ganze Bandbreite von ihm, von weniger Säbelrasseln auf der Welt bis zu mehr Einbindung. Viel eher ist aber zu erwarten, dass die Beziehungen wahrscheinlich komplett neu angedacht werden müssen, es wird keine Rückkehr zu ‚vor Bush' geben. Im Gegenteil, der als ‚Guter' herbeigehoffte Barack Obama könnte für die geschilderten Krisenherde von den Europäern schmerzhafte Mithilfe und Lösungen einfordern, für den Irak aber besonders für Afghanistan. Diese Wünsche der USA - samt NATO-Erweiterung oder Raketenabwehr - können zu ganz unerwarteten Spannungen im Verhältnis EU-USA führen. Was die EU und ihre sonderbare (auch wegen der Neutralen) gerne NATO-Strukturen duplizierende GASP betrifft, wird diese unter - oder wegen - Barack Obama bald eine strategische Entscheidung treffen müssen: Nämlich wie weit ‚die Europäer' mit dem doch ersehnten US-Anführer nun auch an militärische Einsätzen teilnehmen werden und - in einer scheinbar aus den Fugen geratenen Welt - ‚Commitment' und ‚Dedication' beweisen werden. Aus dem Blickwinkel der USA wird Europa als zu sehr nach innen gerichtet gesehen, als segmentiert, ja sektiererisch. Da könnte jemand unsanft laut an die EU-Tür klopfen, jedenfalls - so war es im Sommer in Amerika zu hören - trage Europa zu wenig globale Verantwortung. Diese Erwartung teilt auch der Präsident der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft und Spitzendiplomat, Botschafter Albert Rohan. Er konstatierte neulich auf Ö1, dass es letztlich nebst aller nötigen Diplomatie auf die - in Europa unterrepräsentierte - militärische Komponente zulaufen wird. Und so könnte von Obama und seinen Beratern sogar sturmgeläutet werden, man erinnerte sich diesbezüglich an einen EU-Verteidigungsminister der im Sommer 2007 im russischen TV gepriesen wurde, als er den ABM-Schild "eine Provokation Moskaus" nannte...

Obama und die US-Demokraten

Loren Thompson, Chefanalystin des Washingtoner Sicherheitspolitik-Think-Tanks ‚The Lexington Institute' fragte angesichts dieser Bandbreite an Krisenherden bereits Anfang 2008: "Wird Barack Obama in Sachen Verteidigung ein 'Superman' - oder der 'Invisible Man'?"

Sie stellte in Folge die heutigen US-Demokraten seit Vietnam als derart lautstarke Antikriegsbewegung dar, dass es sie an 1861-1865 erinnere als Lincoln's Anstrengungen den Bürgerkrieg zu gewinnen auf Schritt und Tritt durch sie behindert wurden. Aber - entgegen des Eindrucks den wir in Europa oft zu gerne haben möchten - treffe dieses Image in diesem Umfang lange nicht auf Präsident Obama zu. Dieser sei - wie Ellison's Roman ‚Invisible Man' aus 1953 - ein Opfer von Stereotypen. Aber nicht weil er schwarz ist, sonder weil er liberal ist - in manchen US-Kreisen fast schon mit ‚Kommunist' gleichzusetzen. Außerdem wurde er im Wahlkampf von US-Moslemführer Farrakhan sowie Hamas, Hezbollah und Qaddafi als ‚Messias' gepriesen. Würde ein solcher Mann z.B. mehr F-22 ordern, die Tankflugzeuge erneuern oder F-35s für Israel freigeben?

Zur besseren Einschätzung dieser Widersprüche eine Reihe von Fragen: Wer sagte, dass eine Hamas-Regierung niemals anerkannt werden wird, solange sie ihr Programm Israel zu zerstören nicht fallen lässt? Welcher Kandidat favorisiert nötigenfalls Isolation und Eindämmung des Iran, wenn dieses Land weiter versucht Atomwaffen zu erlangen? Welcher Kandidat sprach sich in TV-Konfrontationen für Angriffe und Operationen auf ‚Al-Qaida'-Hochburgen in Pakistan aus, ob mit oder ohne dessen Zustimmung? Wer sagte im Wahlkampf "ich bin nicht prinzipiell gegen alle Kriege, ich bin nur gegen dumme Kriege...!"? Klingt alles nach John McCain - aber die Antwort ist: Barack Obama. Ostentativ friedfertig klingt das nicht.

Bleibt somit nur unsere ‚Hoffnung' dass die heikle Zeit bis zur Vereidigung am 20. Jänner nicht für die erwähnten ‚Tests' genutzt wird, ob von der abgehenden US-Regierung oder den Feinden ‚Amerikas'. Ob Obama - wie der große Redner es ankündigte - Außen- und Sicherheitspolitik danach multinational bzw. möglichst in Abstimmung mit den vielgerühmten ‚Partnern und Alliierten' der USA macht? Die USA bleiben aber auch für den ‚Hoffnungsträger' das "großartigste Land der Welt", mit allen Implikationen dieser Sichtweise nach außen. Er wird außerdem - so US-Gesprächspartner - bald das Briefing von den Stabschefs und den Diensten erhalten, "aus welchem noch jeder neue Oberkommandierende etwas ernüchtert rausging, wusste er doch erst nun um ‚black budgets' bzw. wo wir überall was laufen hatten..."

 

Es gibt aber auch drüben ganz vertraute Diskussionen: "Not to worry, an Obama Presidency will cancel the F-35, freeze procurement of the remaining order of F-22s, delay the KC-X, and put the money into socialized healthcare…." Daher hier ein paar Links dazu, quer durch den politischen Gemüsegarten..:

Georg MADER/JDW