"Das reicht nicht!"
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Nein, hier geht’s nicht um Österreich. Es wäre in unseren Breiten auch ein wohl schwer vorstellbarer Vorgang, dass freie Parlamentarier in einem militärischen Beschaffungsprogramm "zuwenig" davon sehen und eine Regierungsvorlage im Hinblick auf "mehr davon" überstimmen.
Es geht um die USA und dort mag das wohl auch mit der regionalen Bedeutung der Rüstungsindustrie für die - vielmehr als bei uns ihren Wahlkreisen und den Jobs verhafteten - US-Senatoren zusammen hängen. Aber nicht nur. Denn was zurzeit vorgeht zeigt auch, dass Politiker die in einem Sachthema zuständig sind, sich andernorts mit hohen Offizieren austauschen bzw. – oft schmerzlich vermisst in Europa – sich langjährig Fachkenntnisse zugelegt haben. Der Autor konnte das erst heuer in persönlichen Unterhaltungen mit US-Senatoren erleben, mit jenen wäre ein fröhlich-unbekümmertes ‚Ausräumen’ eines modernen Flugzeuges - KRONE-Niveau und Wahlversprechen geschuldet – ebenso unmöglich wie als Einsparung gepriesenen Leistungsverzicht schönzuschreiben. Dort ist vielen die nationale Sicherheit – ein hier gern auf Wahlkampfniveau an die Ostgrenze delegiertes Gut – zu wichtig. So wichtig, dass es die unabhängige non-profit US-Organisation ‚Project On Government Oversight’ (POGO) jedenfalls eine „Kriegserklärung an Secretary Gates Verteidigungsbudget“ nennt. Am 17. Juni stimmte das Streitkräfte-Komitteé des US-Repräsentantenhauses knapp gegen ein symbolisches Herzstück der Budgetpläne des US-Verteidigungsministers. Dem von ihm geplanten Auslaufen des modernsten Kampfflugzeuges der Welt, des Stealthjägers F-22. Mit 31 zu 30 Senatoren entschied man, 369 Millionen US$ aus dem Umweltfonds der Streitkräfte umzuschichten, um nochmals Produktionsvorbereitung und Zuliefererverpflichtung für (mindestens) 12 Lockheed F-22 ‚Raptor’ zu ermöglichen. Anfang April hatte Bob Gates – unterstützt vom neuen USAF-Kommandanten Gen. Schwartz – mit seinem Budgetentwurf für 2010 das ‚Aus’ für die F-22 nach 187 Stück im Jahre 2011 fixiert. Viele in Politik, Streitkräften und Industrie wollen das aber nach wie vor nicht hinnehmen und kämpfen weiter dagegen an. Angeführt vom republikanischen Senator Rob Bishop aus Utah, erlangte die Überzeugung knapp die Mehrheit, dass mehr F-22 als „Versicherung für mögliche künftige Konflikte mit anderen Militärmächten sowie deren qualitativ ansteigender Ausrüstung“ nötig wären. Obwohl die beiden demokratischen Vorsitzenden Ike Skelton und der Vorsitzende des Unterausschusses für die Luft- und Landstreitkräfte, Neil Abercrombie, gegen die Vorlage stimmten, bekräftige letzterer kurz danach dass „der Kongress das letzte Wort darüber haben wird, wie viele ‚Raptors’ das Pentagon braucht. Jenes muss lernen, wer das Kommando hat – und das ist der Kongress.“
Während Mitarbeiter diverser Senatoren danach – inoffiziell – meinten, die Unterstützer der F-22 hätten trotzdem einen schweren Kampf gegen den Rest des Repräsentantenhauses und den Senat vor sich um die Budgetumschichtung durchzukriegen, wurde durch POGO ein neuer Brief des Kommandanten des ‚Air Combat Command’ der US-Airforce bekannt gemacht, welchen er dem republikanischen Senator Saxby Chambliss aus Georgia geschrieben hatte, dem US-Staat wo die F-22 (in Marietta) gebaut wird. Darin meint General John Corely – gegen die Linie von Gen. Schwartz – dass “eine Flotte von 187 F-22 die Umsetzung unserer momentanen nationalen Militärstrategie einem hohem Risiko aussetzt, in naher bis mittlerer Zukunft. Es gibt keine Studien die 187 rechtfertigen, das ist eine mutwillige Stückzahl. Sogar 250 Stück würden die Nation noch einem moderaten Risiko aussetzen!“ Eine mutwillige Stückzahl, hört, hört. Minister Bob Gates ist über das was da passiert natürlich nicht erfreut. Ohne den Brief von Corely zu erwähnen, sagte der Verteidigungsminister einen Tag später dass „bestimmte Gesetzesmacher das F-22-Programm mit aller Macht fortsetzen wollen, das ist für uns ein großes Problem.“ Er wollte nicht soweit gehen vorherzusagen ob der Entscheid vom 17. Juni ein Veto von Präsident Obama nötig machen werde, schien aber einer Auseinandersetzung mit dem Kongress generell nicht abgeneigt. Die Abstimmung erfolgte zu einem Zeitpunkt, als die Unterstützer des Flugzeuges (erneut) mit der Idee herumgehen, eine wie immer ‚abgespeckte’ Version des Stealthjägers an Japan und andere Alliierte zu verkaufen, um die weitere Produktion (über 2011) zu sichern. Die japanische Regierung hat neulich erwähnt, bis zu 40 F-22 gerne kaufen zu wollen, aber das Pentagon hat mitgeteilt dass man wegen der geheimen Low-Observable-Features zuerst eine Aufhebung des vom Kongress verhängten Exportbanns erreichen müsste und Japan dann 1 bis 2 Mrd. US$ extra zahlen müsste um eine ‚downgraded’ Exportversion zu realisieren. „Macht nichts!“, lautete die höfliche Antwort aus Tokio. Auch in Israel und Australien wollen die Rufe nach F-22s (statt F-35s) nicht und nicht verstummen… Die Gesetzesväter in Washington sind weiters besorgt, das deutliche Setzen der Pentagon-Spitze auf die diversen Varianten des noch unerprobten F-35 JSFs würde eine Situation eintreten lassen, in welcher jener wegen technischer Probleme zurück geworfen werden könnte während gleichzeitig heutige F-15, F-16 und F/A-18C massenhaft außer Dienst gestellt würden. Daher haben sie in derselben Sitzung beschlossen, alle Pläne von Bob Gates zu beeinspruchen, bis zu 250 ältere Jets vorzeitig abzustellen (um Geld für den JSF freizumachen). Zuerst solle das Pentagon erklären, wie es diese ‚Fighter-Gaps’ schließen wolle und außerdem wird eine rationale Erläuterung gefordert warum manche Flugzeugtypen vor anderen (älteren) Mustern ausgemustert werden sollen. Trotzdem hat das Komitee am 17. Juni sechs Mrd. US$ für die ersten 28 F-35 Jets authorisiert.
Natürlich hat das Abstimmungsergebnis auch öffentliche und mediale Kritik hervorgerufen. Die ‚New York Times’ hat sich in einem ‚Editorial’ bei den Senatoren dafür bedankt, „wie sehr sie sichtbar bemüht sind in Zeiten der Krise und nötiger Reformen das Geld des Steuerzahlers verantwortungsvoll einzusetzen!“ Die NYT hat schon in Zeiten der Budgeterstellung durch den – wiederbestellten – Bob Gates gegen die F-22 als „Relikt des kalten Krieges um 200 Millionen US$/Stück“ gewettert und immer wieder unterstrichen dass „das Ding in den Kriegen welche die USA zurzeit führen noch nie im Einsatz war“ und dass der ab 2012 kommende F-35 „feindlicher Luftabwehr gegenüber in Sachen ‚Stealth’ wohl ausreichen werde.“ Siehe zur Kontroverse auch: http://www.americanprogressaction.org/actions/sensible_defense/ Georg Mader |