Generalleutnant Günter Höfler: "Es ist überhaupt keine Frage, dass das Primat der Politik Vorrang hat, die Politik muss dieses Primat auch in Anspruch nehmen."
Foto: Martin Rosenkranz
>> Zum PROFIL-Artikel
|
Letzte Wochen war es soweit. Dem ranghöchsten Soldat im Land platzte in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin PROFIL der Kragen. Generalleutnant Günter Höfler beklagt gut hörbar das klare politische Vorgaben für das Bundesheer fehlen und fordert im selben Atemzug "Leadership" bzw. die Wahrnehmung des sehr gerne zitierten Primats der Politik über das Militär durch eben jene Politik.
Wenn der oberste Militär im Lande in die Medien gehen muss um von der Politik Führung einzufordern, dann muss es schon sehr schlimm stehen im Verhältnis zwischen Regierung und Bundesheer.
Wen wundert es? Wer ein bisschen hinter die Kulissen schauen kann merkt schnell wie schief der Haussegen am Donaukanal hängt. Deutlich wurde das vor etwas über einem Jahr als bekannt wurde, dass der Bundesministers für Landesverteidigung sich geweigert haben soll einen Brief des Generalstabschefs und seiner ranghöchsten Offiziere entgegenzunehmen und im Gegenzug angeblich eine Weisung erging, über den Inhalt eben jenes Briefes Stillschweigen zu bewahren.
Was soll man dazu noch sagen, wenn nicht mal mehr die Kommunikation auf dieser rudimentären Ebene klappt ?
Thema non grata
All das ist das konsequente Ergebnis einer "Verwahrlosung" des Themas Sicherheitspolitik in der Öffentlichkeit. Das beginnt mit der nur für Insider merkbaren Absenz der österreichischen Politik auf int. Sicherheitskonferenzen - selbst wenn diese im geografischen Nahbereich stattfinden - worin nur allzu deutlich wird, dass das Interesse auf diesem Gebiet sich - freundlich formuliert - in engen Grenzen bewegt.
Für den Normalbürger wird dieser Umstand schon eher ersichtlich anhand eines Ressortministers der einst den Dienst mit der Waffe in jenem Bundesheer verweigerte welches er heute politisch leitet. Nur dass für besagten Normalbürger die Bundesheer-Welt schon in Ordnung ist wenn es am Nationalfeiertag mit Militärmusik und Gulaschkanone reibungslos klappt und bei Hochwasser wer zum Sandsäcke schlichten kommt.
Sicherheitskonferenzen ohne Öst. Beteiligung....
|
Und selbst die österreichische Medienlandschaft bleibt hier nicht ungeschoren. So bedeutsam können wichtige Gäste und Konferenzen in der OSCE in der Wiener Hofburg gar nicht sein, dass sich im Rudel von 50 und mehr int. Medienvertretern kaum mal ein Vertreter heimischer Massenmedien findet - und das Mitten in Wien! Entsprechend dürftig der Widerhall des dort gesagten in der nicht gerade von hoher Qualität geprägten Österreichischen Medienlandschaft.
Conclusio - dieses Thema ist hierzulande keines....
Trittbrettfahrer
Da darf es nicht wundern, dass Österreich von Zeit zu Zeit der sicherheitspolitischen Trittbrettfahrerei bezichtigt wird. Doch Halt! Österreich ist kein sicherheitspolitischer Trittbrettfahrer - Nein! - es ist schlimmer - Österreich ist selbst die Trittbrettfahrerei zu mühsam und ist längst dem sicherheitspolitischen Zweck-Opportunismus anheim gefallen.
Und Österreich ist in diese zweifelhafte Nische nicht hineingerutscht - Nein! - die Politik betreibt in diesem Sinne offenbar gezielt die Demontage des Heeres. Dazu ist jedes Mittel recht.
Jahrelange Vorbereitung, Ausbildung, Planung und Beschaffungen werden ins Leere gelaufen lassen, weil Fähigkeiten, bevor sie diese endgültig realisieren, abgewürgt werden. Am allerbesten gelingt das in Kombination von Budgetverknappung einerseits und Aufgabenverzettelung andererseits.
Am Prominentesten noch die Bundesheer-Reform. In so einem breiten Konsens kann so eine Reform gar nicht aufgestellt werden - vom allseits beliebten Altbürgermeister und Fernsehtalkmaster geleitet und beschickt mit Skilegenden, Kammervertretern, Parteifunktionären und Jugendvertretern (ach ja - auch eine Hand voll sicherheitspolitisch Beschlagener war sogar mit dabei) - dass das Ergebnis obwohl formal beschlossen nicht doch noch, real kaum umgesetzt, im Rundordner Platz fände.
Dafür leistet man sich einen inzwischen völlig sinnentleerten Assistenzeinsatz. Der war einst dazu gedacht die Migration durch die Schengen-Außengrenze zu verhindern. Doch diese ist nicht mehr. Statt dessen darf sich das Bundesheer auf Geheiß der Politik in einer Art staatlicher "Wach- und Schließgesellschaft" versuchen. Dass bewaffnetes Militär permanent durch Wohngebiete hirscht gibt's zwar sonst nur in Militärdiktaturen a la Burma und Nordkorea - und ist auch verfassungsrechtlich nicht gedeckt - aber das Primat der Politik will es so. Das solcherart erzeugte "subjektive Sicherheitsgefühl" auf burgenländischen Supermarktparkplätzen kostet dem Heer nicht nur gut € 30Mio. im Jahr (exklusive Personal!) sondern - nicht zu vergessen - auch noch eine runde halbe Million Manntage an Ausbildungszeit PRO JAHR!
Und zur selben Zeit siechen militärische Kernkompetenzen langsam dahin. Ganzen Waffengattungen fehlt der Sprit um die eigenen Fahrzeug zu bewegen. Andere Einheiten können nicht mal mehr Übungsschießen abhalten, so knapp ist man an Munition.
Aus Höflers Munde stammt der Satz "Der Stellenwert der Streitkräfte im Staat wird über die Bereitstellung von Mitteln definiert." Nun, die Ausgaben fürs Bundesheer in Österreich gehören im internationalen Vergleich zu den niedrigsten. Soweit zum "Stellenwert".
Neutralitätsfalle
Um nur ja keine Diskussion aufkommen zu lassen ist kein Argument zu blöd. Bei der zuletzt von Streitkräfte-Kommandant Höfler aufgeworfenen Diskussionsgrundlage der "robusteren Auslandseinsätze" z.B. mit dem Eurofighter, muss - wie kann es anders sein - wieder einmal die Neutralität herhalten obwohl weit und breit kein Neutralitätsfall zu erblicken ist.
Ob man in einen Auslandseinsatz ein paar hundert Soldaten - eventuell sogar das Jagdkommando -, oder ein paar Hubschrauber oder Flugzeuge schickt ist kein Frage der Neutralität sondern eine von Bedarf und Kosten.
Aber wenn einem nichts anderes mehr einfällt, muss ja in Österreich die "Neutralität" ins Feld getragen werden, immerhin ist das kleine Land ja vom "Gottseibeiuns" der Sicherheitspolitik umzingelt - der NATO.
Es ist geradezu ein Treppenwitz der öst. Landesverteidigung, dass dem aktuellen Ressortminister die geltende Doktrin "zu NATO-affin" ist, obwohl die NATO heutzutage praktisch den einzigen realen militärischen Schutz der Alpenrepublik darstellt - das Bundesheer wäre zur "militärische Landesverteidigung" im Sinne der Worte schon längst nicht mehr in der Lage (falls es das je war). Trotzdem gehört es in weiten Kreisen zur gepflegten Tradition jedweden Versuch das Bundesheer zeitgemäß auszustatten sofort als Vorzeichen für einen unmittelbar bevorstehenden Beitritt zum Bündnis zu interpretieren.
Dabei kann etwas schlimmeres kaum passieren. Die Funktion der NATO für die Sicherheit in der Region ist viel zu kostbar, und der Beitritt einer sicherheitspolitisch derart abseits stehenden Gesellschaft würde das Bündnis nur unnötig politisch belasten und organisatorisch gefährden.
Der Eurofighter wird, obwohl ihm der Streitkräftekommandant mehr zutraut, politisch in Ketten gelegt.
Foto: Martin Rosenkranz
|
Trotzdem - schon die Erwähnung der Wortes "Eurofighter" und "Auslandseinsatz" hat den Minister aufschrecken lassen und ihm zur reflexartigen Feststellung genötigt, dass er "klarer Befürworter der Neutralität ist".
Alles für die Katz
Aber Höfler verwendet das Reizwort "Eurofighter" offenbar bewusst um das gewünschte Echo in den Medien zu erzielen - muss er doch wissen, dass die österreichischen Eurofighter nach der politisch initiierten Kastration nicht nur numerisch sondern auch technisch kaum mehr "konfliktfähig" sind. Es reicht derzeit gerade mal zur Überwachung ohne Eigenbedrohung.
Jedoch eignen sich die 15 Eurofighter perfekt um zu demonstrieren was schief läuft an der Schnittstelle zwischen Militär und Politik, wieso Höfler Leadership fordert und blindes Kürzen kritisiert.
Die Draken-Jahre wurden im Bundesheer genutzt um die aktiven und passiven Fähigkeiten im Bereich Luftraumüberwachung auf hohes internationales Niveau zu heben. Das Bundesheer war mit den Draken und den mobilen Radaranlagen Teilnehmer und Veranstalter an großen multinationalen Übungen mit dem Kernthema "Luftraumüberwachung". Im Rahmen dieser "Amadeus" getauften Übungen wurde exakt das trainiert was Höfler angesprochen hat - und das Bundesheer war zurecht stolz als man bei der letzten dieser Übungen ein voll funktionsfähiges mobiles Kommando- und Kontrollzentrum für Luftraumüberwachungs-Operationen im Rahmen internationaler Einsätze beüben und präsentieren konnte.
All das, die ganze Arbeit, das Geld, die Zeit, Planung und Übung ist faktisch als "verlorener Aufwand" abzuschreiben und wird von der Politik nicht mehr weiter verfolgt.
Und das ist nur ein Beispiel von vielen - und gibt's auch bei der Bodentruppe zur genüge - wo das Bundesheer investiert und trainiert und am Schluss den Teppich unter den Füßen weggezogen bekommt.
Man muss der Politik leider "Absicht" unterstellen wenn sie den Aufbau von Fähigkeiten jahrelang beobachtet und das praktisch fertige Produkt schlussendlich kalt entsorgt bevor es benutzt werden kann.
Offenbar um nur ja nicht in Verlegenheit zu kommen etwas einmelden zu müssen wenn Brüssel danach fragt.
Inkompetenz
Und wenn der aktuelle Minister die Entscheidungskompetenz der Politik betont, dann muss leider attestiert werden - "Entscheidung" JA, gemäß dem Primat der Politik welches zu gelten hat, aber "Kompetenz" NEIN.
Denn wenn Höfler von der "Überwachung einer No-Fly-Zone" spricht, Pilz das als "Luftkrieg" bezeichnet und Darabos die Neutralität gefährdet sieht, beweist das nur, dass die Politiker offenbar keine Ahnung haben - auch nicht haben wollen(!) - wovon der Streitkräfte-Kommandant überhaupt spricht. Und das ist traurig. Immerhin war der eine Vorsitzender des EF-Untersuchungsausschusses und der andere ist gerade Ressortminister.
Solange das "Primat der Politik über das Militär" in einer trüben Mischung aus Beliebigkeit, Belanglosigkeit, Desinteresse und Ablehnung ausgeübt wird sind weitere Reformen oder auch nur Überlegungen wie es mit Österreichs Bundesheer weitergehen soll faktisch sinnlos.
Denn jene, denen der Kommandant der Streitkräfte "Leadership" abverlangt, kennen zum größten Teil nicht mal den Unterschied zwischen "Luftraumüberwachung" und "Luftaufklärung". Hier sprechen quasi Inuit mit Massai - entsprechend dürftig der gemeinsame Wortschatz und die Verständigung.
Man kann nur hoffen, dass für das ÖBH nichts gröberes zu tun ist als das Beseitigen von Sturmschäden und das Bekämpfen von Wasserfluten. Denn wenn es so weitergeht wird das österreichische Bundesheer bei intensiveren Bedrohungen bald nicht mal mehr in der Lage sein die eigenen Kasernen so lange zu halten bis Militär kommt.
Martin Rosenkranz für www.airpower.at