Historische Ausstellung Juli/August 2010:

Relikte und Spuren des Luftschutzes 1944/45 in den Kellern der Inneren Stadt

in der Galerie "Time"

Wollzeile 1- 3, 1010 Wien


Öffnungszeiten: Di 14.00 - 22.00 Uhr, Mi - Fr 14.00 - 19.00 Uhr, Sa 11.00 - 13.00 Uhr, bzw. nach Vereinbarung

Führungstermine: 10. August und 24. August, jeweils um 19.00 Uhr

Kurator: Dr. Marcello La Speranza / Arbeitsgruppe "Verborgene Räume"

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Leitgedanken


Rund 65 Jahre nach den Bombenangriffen auf Wien soll es möglich sein, hierzu eine historische Ausstellung objektiv darzustellen. Es sollen nicht primär "Warntafeln" der Geschichte aufgestellt, sondern "Denktafeln" fixiert werden.

Die Konsequenzen angesichts der alliierten Luftangriffe auf urbanes Wohngebiet, losgelöst durch den Angriffskrieg der Nationalsozialisten, führten dazu, dass sich im Verlauf des anhaltenden Krieges die gesamte Zivilbevölkerung in unterirdische, ausgebaute Schutzräume zurückzog. Nahezu alle Keller der Innenstadt werden untereinander durch Gänge, Stollen und Mauerdurchbrüche verbunden und dementsprechend adaptiert, um das Überleben im Bombenkrieg sicherzustellen.

Der Streit um Schuldzuweisung, das verlockende Wegblenden dunkler Perioden, die Rollenverteilung in "Opfer" oder "Täter", alles das ist nach wie vor nicht abgeklungen. Die baulichen Hinterlassenschaften und die Spuren des Krieges, die teilweise noch in den tiefen Kellern der Innenstadt vorhanden sind, fristen unabhängig davon ein stilles Dasein. Die noch vorhandenen abbröckelnden, ehemaligen gültigen Hinweisaufschriften und die vergilbten Ordnungstafeln ("Zum LS-Raum", "Ruhe bewahren", "Erste Hilfe", "Befehlsstelle", "Gasschleuse", "Sanitätsraum", …), die verblassenden Leuchtstreifen, die feuerfesten Stahltüren, die inzwischen abgemauerten Mauerdurchbrüche, sprechen - nach der Codierung und Zuordnung im Kontext des Bombenkrieges - jedoch eindringliche Worte. An diesen "Hyroglyphen" werden der Wahnwitz und die Verirrung menschlichen Handels offengelegt. Diese "Sachzeugnisse" unserer eigenen Vergangenheit sollen nicht Stoff für geistige Brandstifter sein, sondern die Öffentlichkeit für Begriffe wie Toleranz und Versöhnung sensibilisieren.

Darüber hinaus muss es aber legitim und möglich sein, die technisch-militärhistorisch relevanten Abläufe und Einrichtungen beider damaligen Seiten zu thematisieren, ohne sofort von einer Art 'Mainstream' in eine militaristisch-veherrlichende oder gar faschistoide Ecke gestelt zu werden. Solches ist des Öfteren - graduell per schlichter Ignoranz bis Verachtung - dem Historiker Dr. Marcello La Speranza widerfahren, dessen von Abteilungen der Stadt Wien unterstütztes dokumentarisches Wirken als Experte für diese Epoche, von diversen Architekten bzw. Historikern und Autoren mit sichtlichem 'Nasenrümpfen' und 'in eine Ecke stellen' behandelt wird.

Alle Aufarbeitung von z.B. Zwangs- und Fremdarbeit und jegliches Gedenken an jene Leiden ist richtig und wichtig. Das geschieht auch, gerade in Wien. Deswegen können aber andere Aspekte dieser Zeit nicht weggeblendet werden, wie wenn sie nie passiert wären. Dieses Spannungsfeld gilt auch für die jahrelangen - nur teilweise erfolgreichen - Bemühungen bzw. Rückschläge La Speranza's, in den Flakleittürmen Esterhazypark und Arenbergbark nüchterne Dauerausstellungen zur militärhistorisch-technischen Dimension jener dunklen Jahren zu etablieren.

Historisch-menschlicher Rahmen


Die Kellerräume der Inneren Stadt werden während des 2. Weltkrieges zu Luftschutzräumen ausgebaut. Dabei werden auch historische Kelleranlagen, die zum Teil auf das Mittelalter zurückgehen, alte Weinkeller und Lagerräume mit eingebunden. Um Fluchtmöglichkeiten zu bieten, werden die Keller untereinander durch gekennzeichnete Mauerdurchbrüche verbunden. Dadurch wird ein weitläufiges Luftschutzsystem geschaffen, durch dass die schutzsuchende Bevölkerung beinahe die gesamte Innere Stadt durchwandern kann. Das war auch in anderen Wiener Bezirken so. Mitunter werden auch zentrale Sanitätsstellen mit Notbetten und Operationsräumen eingerichtet. In diesem unterirdischen "Labyrinth" gibt es auch Dienst- und Befehlsstellen; Luftschutzwarte sind mit den Lokalitäten vertraut, "Melder" sorgen für die Kommunikation zwischen den Kellern. In vielen Kellern werden so genannte "LS-Hausgemeinschaften" gebildet, die unter Leitung eines bestellen Luftschutzwartes stehen.

Nach der Okkupation Österreichs durch das nationalsozialistische Deutschland (1938) wird der "ÖLB" dem "RLB" (Reichsluftschutzbund) eingebunden. Von jetzt an wird auch die Wiener Bevölkerung konsequent auf einen Krieg vorbereitet. Ab 1940 wird in mehreren Wellen mit dem "Führer-Sofort-Programm" der Bunkerbau forciert. Nach der Niederlage von Stalingrad (1943) und der - trotz einiger Abwehrerfolge deutscher Jagdflieger - letztlich nachhaltigen Eroberung des Luftraumes durch die Alliierten, wird auf deutscher Seite der Ausbau zu weiteren luftschutzsicheren Einrichtungen verstärkt in Angriff genommen. Die privaten Hauskeller werden weitgehend luftschutzmäßig adaptiert.

Die Wiener Bevölkerung hofft lange, dass die Amerikaner "die alte Kaiserstadt schonen" würden. "Rosen auf Wien, Bomben auf Berlin" ist das Wunschmotto. Ein fataler Irrtum. Sobald die alliierten Luftstreitkräfte die Möglichkeit haben, die nunmehrige Ostmark zu attackieren, erfolgen die Luftangriffe. Im Jahre 1943 richtet die "15th US-Air-Force" Flugplätze in Italien (um Foggia) ein, um von dort aus wichtige Verkehrsknotenpunkte, Industrie- und Rüstungszentren anzugreifen. Die "Gauhauptstadt Wien" gerät in das Visier der amerikanischen Luftstreitkräfte. Langstreckenbomber vom Typ "B 17 - Flying Fortress" und "B 24 - Liberator" greifen die Alpen- und Donaugaue an, geschützt von P-51 und P-38 Jägern. Neben der Zerstörung der Städte und Inkaufnahme von 'Kollateralschäden' ist die Direktive der Bombenoffensive mit dem "moral bombing" die Moral der Bevölkerung zu brechen.

Werfen die alliierten Kampfgeschwader 1944/ 45 also ihre Bomben auf eine sich in Auflösung befindliche Bevölkerung? Eher nein. Das gelingt weder Göring's Bomber 1940 über England, noch den Alliierten mit den - verglichen mit Wien - ungleich verheerenderen Angriffen gegen deutsche Städte. Die US-Luftattacken tragen aber wohl dazu bei, dass das verbrecherische NS-Regime zerschlagen wird, da zusehends die Mobilität der deutschen Militärmaschinerie geschwächt wird. Letztendlich führt aber nicht der Bombenkrieg zu der Befreiung Wiens, sondern die einrückenden Armeen der sowjetischen Truppen, die im April 1945 innerhalb einer Woche das endgütige Ende der NS-Diktatur in Wien besiegelten.

Bilanz des Bombenkrieges


Während des Zweiten Weltkrieges erlebte Wien 53 Bombenangriffe. Rund 9.000 Personen wurden dabei getötet. Rund 30 % der Häuser wurden zerstört. Die folgenschwersten Angriffe auf die Innere Stadt erfolgten am 10. September 1944 und am 12. März 1945. Primäres Ziel der US-Bomber waren jedoch an diesen Tagen die Ölraffinerien in der Lobau und in Floridsdorf, die jahrelang sichtbaren Schäden an Kulturgütern bzw. den historischen Gebäuden - die Oper wurde etwa erst 1955 wieder eröffnet - sind überwiegend Fehlwürfe ganzer Formationen. Auf der anderen Seite verloren die Amerikaner knapp 550 Flugzeuge über dem heutigen Österreich, noch heute ist der amtierende US-Luftattaché bzw. das zuständige Zentrum in Hawaii mit forensischen Funden in Österreich befasst.

Aktivposten einer Erinnerungskultur


Es ist für eine Gedenkkultur wichtig, wenn stets die Erinnerung an diese schreckliche Zeit wachgerufen und dabei historische Details und Fakten erläutert werden. Mit dieser Ausstellung soll auch gezeigt werden, wie schnell und leicht eine Zivilgesellschaft samt urbanes Umfeld in einen Krieg, der keine Grenzen kennt, verstrickt werden kann. Die in so manchen Hauskellern noch verbliebenen und sichtbaren Rudimente des Bombenkrieges sind nicht nur "Sachzeugnisse" einer vergangenen Geschichtsepoche, sondern besitzen auch als "Aktivposten" Erinnerungswert für die Zukunft.

La Speranza / Mader