Am 5. und 6. Oktober 2010 fand im Norddeutschen Lütjenburg/Schleswig-Holstein das 4. Int. Army Air Defence Symposium statt. Über 300 Teilnehmer - Soldaten, Industrie und Medien - aus 40 Ländern fanden sich in der Kleinstadt 40km östlich von Kiel ein um Vorträgen und Vorführungen zu den neuesten Entwicklungen in Organisation, Taktik und Technik beizuwohnen und zu diskutieren.
Partner des Veranstalters war dieses Jahr das Österreichische Bundesheer, vertreten durch Brigadier Günter Schiefert, Kommandant der Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule (FlFlATS) in Langenlebarn. Die Vorgabe für den Veranstalter war dabei mehr als schwer, gibt doch das Deutsche Heer auf Grundlage eines Beschlusses des militärischen Führungsrates seine Agenden im Bereich der bodengebundenen Luftverteidigung per 2011 zur Gänze an die Deutsche Luftwaffe ab. Die Heeresflugabwehrtruppe der Deutschen Bundeswehr wird somit aufgelöst. Es ist also in aller Pracht und Herrlichkeit das letzte Mal, dass deutsche Heeressoldaten zu diesem Symposium laden.
Nebst der daraus resultierenden Grundsatzdebatte betreffend einer optimalen Organisationsstruktur der Flugabwehr und deren Anbindung an den Bedarfsträger Heer standen vor allem C-RAM Technologien im Zentrum des Interesses. C-RAM steht dabei für "Counter-Rocket, Artillery and Mortar", somit die Verteidigung bzw. den Schutz vor anfliegenden Raketen, Artillerie- und Mörsergranaten.
Die Bandbreite der verwirklichten bzw. im Stadium der Erprobung befindlichen Systeme beginnt dabei mit reinen Warneinrichtungen, welche innerhalb eines betroffenen/beschossenen Lagers durch akustische und optische Signalisierung einige Sekunden Vorwarnzeit ermöglichen und das mit dem Bestreben auch sehr genau anzuzeigen in welchem Bereich eines Lagers das Geschoss einschlagen wird.
Mehrere Länder und Industrieunternehmen haben auch Systeme zur aktiven Abwehr dieser Bedrohung erforscht, entwickelt und beschafft. Hier teilen sich die Gruppen in jene Systeme welche anfliegende RAM mit Raketen und jene welche diese mit Granaten bekämpfen.
Die verfügbaren Zeitspannen sind dabei mitunter denkbar kurz und beginnen bei wenigen Sekunden. In dieser Zeitspanne muss entdeckt, gemessen, berechnet und ein Abwehrgeschoss auf den Weg gebracht werden. Dies stellt eine enorme psychologische Herausforderung für das Bedienpersonal dar, da zwischen den Angriffen lange und langweilige Zeiträume während denen nur überwacht wird überbückt werden müssen. Daraus folgt ein hoher Grad an Automation aller Systeme.
Systeme welche Granaten verschießen verwenden hingegen Zeitzünder. Dabei wird die Abwehrgranate in die Flugbahn des zu bekämpfenden Geschosses geschossen und mittels präziser Zeitzündung in dessen Umfeld zur Detonation gebracht. Die Splitterwirkung zerstört das anfliegende Geschoss oder macht es unwirksam.
Der deutsche Hersteller KMW setzt dabei auf sein Artilleriesystem Donar, welches auf der bereits in der Truppe eingeführte PzH2000 basiert, das holländische Partnerunternehmen Weibel liefert das zugehörige Radar. Dabei wird eine herkömmliche 155mm HE-Granate im Nahbereich des zu bekämpfenden Geschosses gezündet. Von den dabei entstehenden ca. 24.000 Splittern sind etwa 8.000 schwer und/oder schnell genug, benötigt wird pro Fragment eine Energie von 30.000 Joule, um z.B. eine Mörsergranate zu zerstören.
Sehr viel weiter - nämlich schon im Stadium der Auslieferung an die Truppe - befindet sich das System MANTIS von Rheinmetall Air Defence. Im März 2007 beauftragte die deutsche Bundeswehr die Entwicklung eines Nächstbereichschutzsystems gegen RAM-Ziele.
Verschossen wird AHEAD mit der einläufigen unbemannten 35mm Revolver-Kanone GDF 020. Diese ist zusammen mit einer neu entwickelten Bedien- und Feuerleitzentrale (BFZ) und Feuerleitradargeräten in der Lage neben den klassischen Zielen der Flugabwehr, wie Flugzeuge und Hubschrauber auch kleine Ziele wie Drohnen/UAVs sowie Lenkwaffen und eben auch RAM-Ziele zu bekämpfen. Ab Mitte 2011 wird ein MANTIS System bestehend aus sechs Geschützen, zwei Radargeräten und einer BFZ in Afghanistan zum Einsatz kommen. Allen Systemen gemein ist eine deutlich reduzierte Beweglichkeit. Ein Einsatz aus der Bewegung heraus scheint in keinem Fall möglich und teilweise erfordern die Systeme einiges an Vorbereitung um beim Bedarfsträger zum Einsatz kommen zu können. War ein Gepard noch zur Zielbekämpfung während der Fahrt in der Lage und die Oerlikon Skyguard mit eigenem Fahrwerk ausgestattet um rasch geeignet positioniert werden zu können, benötigt MANTIS "fremde Hilfe" beim Transport und einen befestigten Sockel als Fundament. Obwohl aufgrund der Technik im Schuss teuerer, scheinen Systeme welche Raketen zur RAM-Bekämpfung einsetzen deutlich mobiler als Kanonen welche eine entsprechend stabile Plattform benötigen.
Neben den Präsentationen im Lütjenburger Soldatenheim "uns Huus" fand auch eine statische und mobile Schau aktueller und künftiger Flugabwehrsysteme sowie ein Luftzielschießen statt.
In der statischen Schau fanden sich neben einem Patriot System auch ein Cobra-Counter Battery Radar zur automatischen Erfassung von Granaten und Raketen im Flug sowie Ortung des Start- als auch des Aufschlagpunktes.
Von diesem hieß es dann im Rahmen des anschließenden Scharfschießens endgültig Abschied nehmen. Bereits im März 2010 war das Hauptwaffensystem der deutschen Heeresflugabwehrtruppe aus Kostengründen mit sofortiger Wirkung stillgelegt worden. Im Rahmen der 4. IAADS durfte ein deutscher Gepard nun seine letzten scharfen Schüsse abgeben.
Zum scharfen Schuss durften auch die Österreicher mit ihren 35mm Oerlikon Skyguard Zwillingskanonen antreten - insgesamt 29 Österreicher verbrachten zu Übungs- und Ausbildungszwecken einige Tage am Schießplatz Todendorf an der Ostsee.
Im Zuge des Symposium wurde auch relativ deutlich klar, dass es um die Zukunft des Patriot-Nachfolger MEADS (Medium Extended Air Defense System) alles andere als rosig bestellt zu sein scheint.
Um wie viel besser geht es da der Ukraine. Dort erhält die Flugabwehrtruppe - wie der kommandierende Offizier selbstbewusst den Zuhörern mitteilte - nicht nur stolze 65% Budgetanteils der Armee für die Flugabwehr sondern zu ehren der Flugabwehr gibt es in der Ukraine jährlich am 1.Oktober auch noch einen staatlichen Feiertag. Martin Rosenkranz für www.airpower.at
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