"Genug GEDIENT?"

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Noch am 17. Sept. 2010 schloss Bundeskanzler Faymann (SPÖ) aus, dass über eine Abschaffung der Wehrpflicht diskutiert wird. Die Frage stehe in keiner Weise auf der Tagesordnung der Regierung, meinte Faymann. Quelle: http://oe1.orf.at/artikel/257750
Kaum ein Monat später ist auf einmal alles anders. Jetzt bezeichnet Faymann ein Berufsheer als „gute Variante“ und tritt für eine Volksbefragung ein.
Foto: Martin Rosenkranz

Das sicherheitspolitische Schwergewicht Dr. Michael Häupl (SPÖ) trägt seinen Kampf um den Wr. Bürgermeistersessel auf dem Rücken des Bundesheeres aus und reisst damit gleich seine ganze Partei in Schieflage.

Bis gerade eben galt die Doktrin "Ein Abschaffen des Bundesheeres wird es mit der SPÖ nicht geben. Ein Abschaffen der allgemeinen Wehrpflicht hätte katastrophale Auswirkungen auf den Katastrophenschutz und somit auf die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher" formuliert vom Wehrsprecher NR-Abg. Stefan Prähauser. Quelle: http://salzburg.spoe.at/?pid=22&id=3362
Foto: Martin Rosenkranz

Der Spin jenes am 5. September per Hausmedium ‚angestoßenen' Totalschwenks der Kanzlerpartei in Sachen Wehrpflicht, offenbart ein derart freches Lehrbeispiel zur Steigerung allgemeiner Politik(er)verdrossenheit sowie hartleibiger Verkennung des Zustandes des Bundesheeres, dass jenem ‚Öderalismus' mit ruhigem Gewissen Absicht unterstellt werden kann.

Guter Pass über die Bande: Die Debatte über die allgemeine Wehrpflicht sei ja kürzlich von Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) losgetreten worden, der Wiener Bürgermeister habe mit der Forderung nach einer Volksbefragung "ein zusätzliches Element eingebracht", erläuterte sogleich Kanzler Werner Faymann. Er selbst hält das grundsätzlich für eine gute Idee. Und SPÖ-Klubobmann Cap ergänzte: "Der diesbezügliche Vorschlag von Wiens Bürgermeister ist ein sehr zeitgemäßer." Und in der ZiB2: "Ich war immer gegen die Wehrpflicht…"

Rückblende, vor zwei Wochen: Der Bundeskanzler erklärte nach dem Ministerrat, die Abschaffung der Wehrpflicht stehe "in keiner Weise auf der Tagesordnung" und Josef Cap betonte, dass "meine Partei weiter zur Wehrpflicht steht."

Machen wir uns nichts vor. Im heutigen beinharten politischen Tagesgeschäft passiert nichts ohne Check mit Medienberatern oder Campaign-Agentur. Jede Botschaft muss extrem verkürzt ‚rüberkommen', eine tiefschürfende Diskussion oder öffentliche Abwägung kann - speziell in Vorwahlzeiten - uns Konsumenten der Mediengesellschaft offenbar nicht (mehr) zugemutet werden. Nach "Genug gestritten" nun also "Genug gedient"…? Ist doch trotz der Akzeptanz der Zivildiener auch ein verzopftes Wort "zu dienen"… Weg damit, wenigst in seiner Ausformung ‚Wehrdiener'. Am besten per KRONE, das erhält dann seinen Folge-Auftragsspin in den Vorfeld-Inseratemedien… Jene gut geölte Mediochanik lässt auch schon die "wohlvorbereitete Diskussion" (Zitat M. Häupl) und ‚umfassende Information' der Bevölkerung vor etwaigen Plebisziten erahnen: Erraten - die Befürworter werden keine Chance haben…

Der verdiente Wiener SPÖ-Bürgermeister - ein wahrhaft Berufener in Sachen Sicherheitspolitik und Landesverteidigung - legte am selben Tag jedenfalls noch nach: "Ich gehe davon aus, dass die Wehrpflicht in Österreich nicht zu halten ist und werde mit gegen eine Beibehaltung stimmen, wenn es soweit ist..."

Der innerparteiliche Kollateralschaden…

Nur vier Tage zuvor erteilte Verteidigungsminister Norbert Darabos (auch SPÖ) bei der Ausmusterung von 152 neuen Offizieren an der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt einer Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht höchstselbst eine deutliche Absage: "Die allgemeine Wehrpflicht garantiert die Verankerung der Armee in der Gesellschaft", so die klare Botschaft des Ministers auf dem Maria-Theresien-Platz. Darabos: "Die österreichischen Soldaten dürfen kein abgeschotteter Teil in Österreich sein, kein Staat im Staat." Und: "Derzeit gibt es aus meiner Sicht keine Alternative zur allgemeinen Wehrpflicht." Für ihn "bleibt die allgemeine Wehrpflicht ein Fundament des österreichischen Bundesheeres", ja er hält die Wehrpflicht für zeitgemäß und aktueller denn je. Ohrenzeugen waren reichlich angetreten…
Vier Tage später wird derselbe Minister von einer Dampfwalze überrollt und von seiner Partei zur Aussagen gezwungen er sei "FÜR eine Volksbefragung, möchte aber darauf hinweisen, dass ich GEGEN die Abschaffung der Wehrpflicht bin" oder eine "offene Diskussion ohne Tabus zur Wehrpflicht" zu ‚fordern' und "ein Gutachten internationaler Experten" anzukündigen. Ö1-Innenpolitik Redakteur Webhofer bezeichnete den Minister daraufhin im Mittagsjournal als ‚innerparteilichen Kollateralschaden'...

Norbert Darabos hat es - no wonder - im Laufe seiner Amtszeit schon oft gehört, aber dennoch: Wenn dieser uns als ‚authentisch' beschriebe Mann auch nur einen Zentimeter ideologisches Rückgrat hat und ein Gramm mehr ist als das Woldemort-Gesicht einer gnadenlosen Populisten-Mediokratie, dann bleibt ihm angesichts dieser innerparteilichen Entmachtung - neben ins Wr. Rathaus geeilt zu sein - nur Eins: Der Rücktritt. Wird aber nicht passieren. In Österreich tritt nie jemand zurück, selbst wenn seiner eigenen Grundüberzeugung von den allerengsten Mitstreitern der Speer ins Herz gestoßen wurde. Verbiegen bis zur Unkenntlichkeit ohne Schaden zu nehmen kann man offenbar in irgendeiner Schulung oder Coaching lernen. Der Minister erklärte schon am nächsten Tag: "Wenn's ein Berufsheer gibt, bin ich auch nicht beleidigt..." Ob man das vor sich selbst aushält weil am Ende des Weges das Burgenland so herbstlich herleuchtet, wie auch immer. Wir interessierte Staatsbürger lernen dabei jedenfalls nur eines, das aber dafür intensivst: Heftige Politik(er)verdrossenheit bis hin zum Brechreiz…

Um es hier nochmals in Erinnerung zu rufen: Im Regierungsprogramm von 2008 haben sich SPÖ und ÖVP gemeinsam zur Wehrpflicht bekannt: "Die Bundesregierung bekennt sich zu einem Bundesheer, das auf der allgemeinen Wehrpflicht, Miliz- und Berufskomponenten aufbaut sowie zur Beibehaltung des auf sechs Monate verkürzten Wehrdienstes", heißt es da im Kapitel Landesverteidigung.

Volle Absicht?

Andere Theorie - alles ist nur ein Scheingefecht. In Wahrheit wollen das die meisten Beteiligten oder Protagonisten der Koalitionsparteien, nur dürfen sie es wegen der lästigen Verfassung nicht laut sagen: Das Bundesheer als bewaffnete bzw. militärische Komponente am Ende des Tages schlicht abschaffen... Freilich, nach einem längeren Prozess den zu überschauen wir letztlich den Überblick verlieren sollen. Aber - tut Euch nichts an, sagt es doch! Der gerade hochkarätig zum Geburtstag gratulierten Verfassung steht Ihr doch auch sonst nicht so zögerlich gegenüber, kümmert sie Euch doch bei Assistenzeinsatz oder Ortstafeln schon jahrelang oder neuerdings bezgl. Budgeterstellung auch nicht eine Flatulenz lang...!

Denn aufs kalte Abschaffen läuft es hinaus, wenn man - die diversen Papierln der Offiziersgesellschaft samt seinem Gewissen irgendwo verräumt - mit einem in der westlichen Staatengemeinschaft der 1. Welt beispiellosen Investitionsrückstau von gut 15 Milliarden Euro und einem Wehrbudget von weit unter 1% des BNP über ein Berufsheer auch nur nachdenkt! Wer das ernsthaft argumentiert, der kann nur auf das Abschaffen des Heeres als militärische Formation mit Kampf- und Verteidigungsfähigkeit abzielen. Es soll ja Abgeordnete geben, mit denen Offiziere seit den Zilk'schen Reform-Sitzungen (das waren die mit 1% Budget und so…) per Du sind, welche aber - vielleicht schon seit ihrer Sozialisation - eine Agenda pflegen das Bundesheer soweit auszudünnen und zu beschneiden dass man es dann irgendwann als Profi-Katastrophenschutztruppe verkleiden und irgendwo einmelden kann…

Wenn Politiker aber wirklich und ehrlich glauben, die heute geleisteten oder (noch immer) verfassungsrechtlichen Aufgaben mit einem mit 0,xx%-Berufsheeer abdecken zu können das in zwei Stadionsektoren passt, dann sitzen sie als ‚ungelenkte Rakete' auf ihren Sessel. Das die dann und wann mal wo einschlagen, mag niemanden (mehr) verwundern - aber mit entsprechender ‚Medienarbeit' wird genau das leicht vermittelbar sein. Geld spielt da ja keine Rolle - und zeitig früh in der U-Bahn ist das Aufnahmevermögen von Jungwählern eh' noch nicht in Hochform…

"Was Ihr wollt…!"

Politik und Öffentlichkeit wissen nicht wirklich was man mit dem Heer anfangen soll - und es ist weiten Teilen davon offensichtlich auch herzlich egal. Indikator dafür ist, dass sich - abseits der Offiziersgesellschaft - niemand groß zu Wort meldet wenn es um dessen Status und Zukunft vor billiger Polemik und Ahnungslosigkeit längstens derart irrlichtert wie es in vergleichbaren - uns stets als innovative oder neutrale Vorbilder hingestellten - Staaten unvorstellbar wäre.

Klar ist, dass das Heer in seiner jetzigen Form schon länger keine echte Kampf- und Verteidigungsfähigkeit mehr hat und damit seiner primären verfassungsrechtlichen Aufgabe nicht mehr nachkommt. Katastrophenschutz ist eine solche nämlich primär nicht. Viele Kasernen sind desolat, die - unter noch immer nicht aufgeklärten Umständen - populistisch abgespeckte Eurofighterflotte ist in ihrer jetzigen Form relativ wenig durchhaltefähig und die - ebenfalls in der Verfassung als Grundlage definierte - Miliz nur mehr als ‚Backup' bei Auslandseinsätzen ein Faktor. Nur damit kein Irrtum aufkommt: Natürlich kann eine neue Heeresdoktrin diskutiert werden und natürlich ist weder ein Berufsheer noch eine Volksbefragung per se etwas verdammenswertes. Das Plebiszit kann jedoch kein Ersatz für politische Ideen sein, schon gar nicht wenn es - wie zu erwarten - mit riesigem Medienaufwand vorauseilend einseitig auf uns zu kommt. Es ist kontraproduktiv, mit Wahlkampf-Gags punkten zu wollen, da damit der Diskussion zur zuvor nötigen Doktrin vorgegriffen würde. Pro und Contra sowie die endgültige Wehrform könne erst am Ende des gesamten Prozesses zur Debatte stehen. Man soll uns zuerst konkrete Vorschläge vorlegen, erst dann wollen wir dazu befragt werden..!

Wünschenswert aber zweifelhaft ob im Vorfeld dabei auf folgende Präzisierung(en) hingelenkt werden kann: 1.) Entweder der Staat Österreich gibt in Zukunft - für das offenbar ersehnte Berufsheer - deutlich mehr Geld für Verteidigung aus als bisher oder 2.) überträgt einem Externen Körper (im Rahmen des Gottseibeiuns NATO oder in einem noch diffusen künftigen europäischen Heer) diese Aufgabe. Das ist möglich, bedeutet aber logischerweise das Ende der - ebenso wie bislang die Wehrpflicht? - in Stein gemeißelten Neutralität, die aber ohnehin nur mehr auf dem Papier bzw. außerEUropäisch existiert. 3.) Oder - tief drin lodert der Wunsch seit den 60ern - gar keine Soldaten und kein Heer mehr? Innerhalb der EU, die sich als solidarisches Friedenswerk sieht, ist das aber kaum denkbar. Und ein Reizthema: Altpräsident Khol irrte neulich in der PRESSE. (Gerade) ein neutrales Land muss in seinem Luftraum aktiv handlungsfähig bleiben. Gerade für Österreich als Sport- und Kongressland oder Wien als Kongressstadt ist das ein Thema. Wie auf dieser Plattform schon 100x ausgeführt, das wird uns (Reichem) keiner taxfrei abnehmen - nur weil es uns zu teuer ist! Wir sind mit 84.000 km2 und der Topographie nicht (NATO)Slowenien oder das (NATO)Baltikum und daher ist Solches auch von außen in Sinn machenden Reaktionszeiten nicht zu bewerkstelligen. Also: Stationierung fremder Truppen (Staffeln) - Souveränität endet in diesem Falle aber bitte mit dem Betonrand des Rollfeldes.

Rahmenbedingungen und Bedrohungsbilder…

Die Rahmenbedingungen für das neutrale Österreich hätten sich in den vergangenen Jahren "drastisch geändert", argumentiert Bgm. Häupl. Österreich liege mittlerweile inmitten der EU und des Schengenraumes. Darüber hinaus gibt es in den meisten Ländern Europas Berufsheere. Die Aufgaben der Landesverteidigung, des Katastrophenschutzes, des Assistenzeinsatzes, der Auslandseinsätze des Heeres und die wichtigen Aufgaben des Zivildienstes könne man mit einem Berufsheer oder unter Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht erfüllen - und das solle das Volk entscheiden…
In welcher der beiden Formen auch immer, wirklich ‚können' kann man das - wenn man es ehrlich meint - alles. Würde es die Mittel dazu geben. Die gab oder gibt es in Österreich aber nicht, weil dieselben Protagonisten die jetzt bedeutungsvoll öffentlich ‚nachdenken', NIEMALS jene 1,5 oder 2% BIP zur Verfügung stellen würden die andernorts gerade den Durchschnitt abbilden und von welchem Niveau herab jetzt - krisenbedingt - international die diversen Einsparungen erfolgen.

Tastet man mögliche Bedrohungsbilder ab, die als Grundlagen künftiger Ausrichtung wenigst Erwähnung wert sind, gerät man leicht ins Fahrwasser von Verschwörungstheoretikern oder gewaltsam Rechtfertigung suchender Pessimisten. Dessen muss man sich bewusst sein. Dennoch: Wir können und sollten uns nicht einfach - nach dem Prinzip der beliebten drei Affen - auf Dauer einreden dass es auf Dauer keine Bedrohungsszenarien für Österreich mehr gebe. 7 oder 10 Jahre Vorlaufzeit hin oder her, niemand hat die Kristallkugel und es wäre gelinde problematisch wenn sich die weltpolitische Lage wieder ändert und es doch noch einmal zu einer territorialen Bedrohung Österreichs kommen sollte. So kann - weder wünschenswert noch derzeit abzusehen - z.B. auch das ‚Friedensprojekt' Europa z.B. an fatalen Wirtschaftskrisen oder Rohstofffragen scheitern und es durch diverse Verwerfungen zu einer Re-Nationalisierung* kommen.
*"Dieses Szenario stellt sozusagen den ‚worst-case' der EU-Integrationsentwicklung dar. Gründe könnten überhastete EU-Erweiterung in Verbindung mit unzureichenden institutionellen Reformen (Strukturprobleme) sein, divergierende Interessen und ‚verschiedene Geschwindigkeiten' der EU-Mitgliedstaaten (Heterogenität), längerfristig schwache Wirtschaftsleistungen, weltpolitische Akteursrolle der rohstoffabhängigen EU kann sich mangels eigener Durchsetzungskapazitäten nicht manifestieren, militärische Koalitionen außerhalb des EU-Rahmens nehmen zu, die Unterstützung für die östliche und südliche Peripherie (Europäischer Nachbarschaftsraum) versiegt und stoppt so demokratischen Transformationsprozess in der europäischen Nachbarschaft, der geostrategische Einfluss von USA/NATO auf die Gestaltung der Außen- und Sicherheitspolitik im eurostrategischen Raum bleibt hoch."
http://www.bmlv.gv.at/wissen-forschung/publikationen/publikation.php?id=379

A Reminder...

Nach der faktisch gescheiterten Reform folgt der Vorschlag die Wehrpflicht einer Volksabstimmung zu unterziehen. Der Mangel an Standfestigkeit und die völlige Orientierungslosigkeit der österreichischen Politik in Fragen der Landesverteidigung wird aber auch ein Berufsheer in seinem Selbstverständnis schwer beeinträchtigen.
Foto: Martin Rosenkranz

Ein Zitat zum geostrategischen Einfluss der USA: Ein US-Navy Marinekampfpilot auf dem Flugzeugträger ‚USS Harry Truman' meinte erst im Juli zu den als Österreicher vorgestellten Autoren: "Auf dieser Welt braucht es letztlich so etwas wie eine Ordnungsmacht, angesichts immer wieder auftretender Schlächter, Despoten und Diktatoren - letztlich Kriminellen. Wie sollen denen Grenzen aufgezeigt werden, wenn nicht durch ‚Haze Greys' (der Grauton der Navy-Kriegschiffe) am Horizont? Nachdem Ihr Europäer kaum willens und oder fähig dazu seid, so ist es letztlich eben an uns..." Die Demokratien dieser Welt müssten jedoch militärisch zusammenrücken, noch mehr angesichts ihrer sowieso demografisch begründeten, abnehmenden Rolle auf der Welt: "Ist ‚ne logische Sache, am Ende geht's um Überleben des Westens. Dafür fahren wir hier rum, auch für Euch. .. Ihr Österreicher seid doch westlich, oder...?

O.K. Vielleicht etwas simpel gestrickt, militärisch aber glasklar. Dass der beschriebene ‚worst case' um jenes ‚Überleben' geballt auch anderswo zurzeit eher als wenig wahrscheinlich gesehen wird, mag einerseits beruhigen. Dass Europa aber z.B. durch China bereits verachtet wird, ist vielleicht nur Lesern von ‚richtigen' Zeitungen bekannt. Der chinesische Akademiker Pan Wie beschrieb (f.d. ‚European Council for Foreign Relations') 2009 die tatsächliche Einschätzung der Führungselite seines Landes: "Die EU präsentiert sich für uns als schwach, politisch gespalten und militärisch ohne jeden Einfluss. Wirtschaftlich ist sie ein Gigant, den wir allerdings nirgendwo länger fürchten müssen." Aktuell bestätigt diese militärische Ein- oder besser Geringschätzung neulich auch der Chef des österreichischen Generalstabs, Edmund Entacher. Er beobachtet eine "unkoordinierte Abrüstung in den EU-Staaten." Unter dem Druck der Wirtschaftskrise würden fast alle EU-Länder ihre Rüstungsausgaben verringern, "was uns aber auf den Kopf fallen könnte…"

So unterstützenswert also ein Volksbegehren zur Ausrufung des Weltfriedens wäre - die Realität ist und bleibt eine andere. Mehr oder weniger verdeckte Versuche anderer großer Mächte (USA, Russland, China etc.), die großen wirtschaftlichen Potenziale Europas für sich zu nutzen, können - letztlich - auch zu militärische Aktionen führen, vor allem wenn Europa militärisch schwach bleibt. Um solch komplexen Risiken zu begegnen, sollte sich die EU als Ganzes - wozu es wohl Ansätze gibt - aber auch jeder Mitgliedsstaat für sich militärisch vorsehen. Lauter Mini-Heere die ihre High-Tech nicht mal erhalten können werden aber kaum ‚Impact' haben...

Ein ganz frischer - hierzulande nicht präsenter - Aspekt. Das in EU-Beitrittsverhandlungen stehende NATO-Land Türkei hat diesen Monat Israel von seiner jährlichen Luftwaffenübung ‚Anatolian Eagle' ausgeladen, die USAF sagte daraufhin auch ab. O.k. nationale Entscheidungen. Nun hat die Türkei stattdessen - da sind sie wieder - chinesische Su-27 (!) dazu eingeladen, der Iran gewährte ihnen Überflugsrechte. Nun wollen USA und NATO wissen, was das soll. Wie wenn die laufende Re-Orientierung Ankaras was Neues wäre. Das hat jetzt - bis auf eine beträchtliche, auch von der ex-Heimat gehegte Diaspora - noch nichts direkt mit Österreich zu tun, zeigt aber wie instabil bzw. unerwartet ‚verhaltensauffällig' die Randlagen Europas auch weiterhin zu sein scheinen. Sie passen jedenfalls weder zu 0,xx % Verteidigungsanstrengungen noch zu 15.000 neutrale Mann/Frau die alles allein können sollen…

Ein Wort noch - so gern unsere Piloten endlich zur IRGENDEINER multinationalen Übung gehen würden, was nicht erwünscht ist - zu den Auslandseinsätzen: Sie gibt es nicht ohne Rotations-Reserve und derzeit kommt in jener ein wesentlicher Teil der Soldaten aus der Miliz. Und die Miliz wurzelt im Grundwehrdienst… Österreich hat gemäß Verfassung ein Milizheer, derzeit besteht das Milizsystem aber nur auf dem Papier. Eigentlich läuft hier seit Jahren ein Gesetzesverstoß, denn jenes ‚zu Gebote stehende' Milizsystem existiert seit Jahren nicht mehr. Denn dazu zählen Grundwehrdienst und verpflichtende Übungen. Seit Minister Platter gibt es aber keine Volltruppenübungen mehr, dafür 1+5 Monat-Systemerhalter bzw. Waidaufseher...

Unklare Positionen…

A propos ÖVP: Zwar hat Außenminister Spindelegger die Zahl von 15.000 Mann als ‚für den Katastrophenschutz nötig' in den Ring seiner "Wehrpflicht light" oder "Bundesheer neu" geworfen, sie kreist seitdem aber als GESAMTmannstärke eines künftigen Berufsheeres. Gernot Schreyer, Präsident des Salzburger Milizverbandes sieht damit die heimische Landesverteidigung bereits am Weg in Richtung Söldnerheer. "Ein Berufsheer - wie nunmehr von der ÖVP vorgeschlagen - mit einer Stärke von 15.000 Mann ist für Österreich ungeeignet und nicht machbar. Wenn die Wehrpflicht abgeschafft würde, dann würde Österreich zu einem Söldnerheer übergehen. Man müsste versuchen, die Organisationspläne voll zu bekommen. Internationale Erfahrungen zeigen, dass das nur zu 30 Prozent funktioniert." Die neue Ausgabe des Offizier - die Zeitschrift der Offiziersgesellschaft - ziert gar ein Cover, auf dem die ÖVP als Leichenbestatterin des Bundesheers dargestellt ist. Titel: "Pompes Funèbres ÖVP" (oeog.at/ow10/der-offizier). Der Präsident der Offiziersgesellschaft, Hauptmann Eduard Paulus, erklärte dazu auf Nachfrage den Medien: "Wir sind besorgt, dass sich manche in der ÖVP von der KRONE beeinflussen lassen und nicht mehr zur allgemeinen Wehrpflicht stehen." So mancher Offizier dürfte übrigens Mitglied des ÖAAB sein, dessen Vorsitzender - Minister Spindelegger ist. Der rudert jetzt etwas zurück und ist "erschüttert über die Halbwertszeit der Aussagen Darabos'". Vielleicht erläuterte ihm ein Bündekamerad inzwischen, dass uns alle befreundeten Länder welche in den letzten Jahren auf ein Berufsheer umgestellt haben raten, DAS NICHT ZU TUN…

Dass Peter Pilz jubelt und ihm die Wahlkampfmotive des Wr. Bürgermeisters dabei explizit egal sind, wird niemanden überraschen. Das BZÖ ist bereits auf einem bedächtigen Berufsheer-Trip, eine echte Gegenposition nimmt nur die FPÖ ein. Parteiobmann Strache bezeichnete die Vorschläge "absurd und idiotisch" und es schade nicht, wenn "jeder Österreicher seine Verantwortung dem Land zu dienen wahrnehme." Er sieht beim Bundesheer überhaupt kein Einsparungspotential, würde sich aber - am Ende des Tages - einer verpflichteten Volksbefragung nicht verschließen. Ganz nebenbei: Jenes Instrument gibt es nicht. Es könnten nur die Protagonisten einer solchen vorneweg erklären, sich auf alle Fälle an eine solche halten zu wollen. In diesem Falle an den ‚Volkswillen' der Abschaffung der Wehrpflicht. Die untergehakten aber selbstverständlich unabhängigen Zeitungsherausgeber werden das in ihrer Kampagne aufmerksam ‚begleiten'. Von einer Kampagne für die Gegenposition ist nichts bekannt…

Grundsatzfehler gehegt und prolongiert

Dass man die Fehler der Vergangenheit nach einer unvollendeten Radikalkur mit katastrophalen Folgen mit der nächsten Radikalkur (schon wieder komplett neue Ausrichtung, weniger Geld, weniger Personal, weniger moderne Ausrüstung, weniger Standorte, etc.) bekämpfen will, zeigt wieder einmal die völlige Orientierungslosigkeit der österreichischen Politik in Fragen der Landesverteidigung. Jede Regierung(skoalition) kocht ihren eigenen Eintopf und wundert sich dann, dass das Heer am Ende noch schlechter dasteht als davor. Bzw. ist ihr das - graduell - auch egal.

Wenn eine solche Reform ab Ende 2011 eingeleitet würde, wird von einem Bundesheer dass irgendwie ein Militär sein soll, so gut wie nichts mehr übrigbleiben. Statt den Soldaten endlich das zu geben, was sie zu einer ordentlichen Auftragserfüllung brauchen (gute Ausrüstung, zeitgemäße Unterkünfte, moderne Ausbildungsinfrastruktur) werden wieder Fähigkeiten abgebaut werden (Panzer, Artillerie, Hubschrauber und wahrscheinlich auch Miliz), aber im Gegenzug keine neuen Fähigkeiten hinzukommen.

Was den Luftbereich betrifft, so hören wir - etwa wie Teile verstümmelter Funksprüche in höchster Not - Dinge wie: Die ‚Frage' "Weiterführung Eurofighter sei noch nicht ganz vom Tisch", im Juni wäre angeblich sein AUS überlegt worden. Als Faymann und Pröll erklärt haben, es gebe "ab sofort keine Tabus", wurde gewälzt: Weg mit der FlA, weg mit Al III, weg mit OH-58 und kein Nachfolger Saab 105, Auflassung von Aigen und Thalerhof sowie Abverkauf der PC-7. Der Minister wolle eine Army Aviation, LRÜ ist nur lästig. Kdt. LRÜ wolle - wenn das so weitergeht - angeblich das Handtuch werfen...

Experten wohl, aber...

Noch sind das unbestätigte Gerüchte. Aber überraschen würden sie angesichts der täglichen tristen Improvisation keinen Heeresexperten. Solche werden zurzeit - ‚gerade' wieder von der KRONE - auch laufend ins Licht gerückt. Weil sie in ihrem Sinne argumentieren. Z.B. ex-Chefstratege und Sektionschef DDr. Reiter oder ex-TV-Stratege Bdgr. Karner.

Reiter argumentiert mit durchaus tauglichen Bildern zwar für ein Berufsheer, zentriert aber seine Radiointerviews bzw. seine "Denkschrift zur Wehrpflichtdebatte in Österreich", wenigst um die im Kern immer noch - gleich einer Versicherungspolizze des Staates - gültigen militärischen Aufgaben. Er beklagt jene als unerfüllt wenn er sagt: "Dazu ist das Bundesheer immer weniger befähigt, weil hinten und vorne kein Geld für die militärische Ausrüstung samt zeitgemäßer, moderner Bewaffnung vorhanden ist". Über Jahrzehnte sei verabsäumt worden, ein modern ausgerüstetes Heer aufzubauen. Was die Wehrpflicht im Speziellen betrifft, so behauptet Sektionschef Reiter, dass "Grundwehrdiener lediglich als menschliche Reserve für den Assistenzeinsatz, insbesondere in Katastrophenfällen, angesehen werden, wofür sie allerdings "wahrlich keine militärische Ausbildung brauchen".

Dem ist so wenig entgegenzusetzen. Nur - das ‚moderne Heer' das Reiter da einmahnt wird's auch ohne Wehrpflicht nicht spielen. Hundertpro. Das deutet schon ‚Mr. Hill' Karner an, der einräumt dass der Umstieg auf ein Berufsheer - nur vorübergehend - wegen Umstellungs-Investitionen mit höheren Kosten verbunden wäre, langfristig aber kostengünstiger sei. Auch da gilt: Der Umstieg könnte genau in jenem Stadium verharren oder (finanziell) abgebrochen werden. "Nach halben Zielen mit halben Mitteln zaudernd vorwärts streben..." usw. Jene Umstellungs-Investitionen werden's dann gewesen sein, auch weil es die legislaturperiodenfixierten Politiker schon wieder nicht mehr interessieren wird...

Trotzdem will eine Zeitung die Wehrform eines Staates ändern. Just so. Entweder um nach dem Tode des Gründers die Kampagnenfähigkeit abzutesten, man wirklich glaubt ‚für die Jungen' ein sog. modernes Berufsheer einfordern zu müssen - oder in Wahrheit ohnehin immer schon das Militär abschaffen wollte. Oder aus einem Mix von Motiven davon. Wenn etwa Hr. Seinitz aber ausführt: "Wenn aber dieses mit unzureichendem Gerät ausgestattete und mit unnötigen Teurofightern belastete Bundesheer als eine Art Feuerwehr herhalten muss, ist der Sinn und Zweck von Landesverteidigung und Friedenssicherung verfehlt" sind sowohl Niveau und Stoßrichtung klar. Die Muthgasse - wir haben da eine ganze Seite MiG-29-Aufmacher in Erinnerung - hat uns zu den als Schwarz-Blau stigmatisierten ‚Teurofightern' noch keine Alternative genannt. Noch immer gehört - Stichwort ‚unnötig' - der Luftraum zu unserem achso neutralen Bundesgebiet, zu Sinn und Zweck von Landesverteidigung. Im Frieden ist das sogar der EINZIGE echte EINSATZ des Bundesheers im Inneren! Auch die damals 3 bis 5% billigeren Gripen würden zurzeit noch zurückgezahlt werden, übrigens gemäß ungeklärter und vereinbarungswidriger Wandlung aus dem laufenden Heeresbudget. Könnten das die Kampagnenmacher bitte herausfinden und so dem jüngst vielbeschworenen Ethos der ‚vierten Kraft' nachkommen? Sollte sich ihr Zorn aber auf die Betriebskosten von 15 (fünfzehn) Jets herunter brechen... - auf diesem finanziellen Level wird weder die Wehrpflichtigenarmee zugrunde gehen noch ein Berufsheer gesunden...

Quälende Fragen...

Die Autoren sind keine Phantasten, eher (leider) vielleicht noch nüchternere Realisten als die beiden - hiermit gegrüßten - Heeresexperten. Natürlich ist es reales Faktum dass die meisten EU- bzw. vergleichbare Staaten z.T. längst keine Wehrpflicht mehr haben. Wie etwa die Holländer mit neuen AH-64 ‚Apache' für die es keine Techniker gibt oder die jahrelange Präsenz schwedischer Techniker an ungarischen ‚Gripen' weil die von ihnen (teuer) ausgebildeten Magyaren z.B. in eine Autofabrik abwandern. Wie war das mit den ‚Anreizen'? Womit sollte man einen mit ‚High Tech' und ‚Gaming Culture' aufgewachsenen Technikinteressierten reizen, auf einem 40 Jahre alten Hubschrauber herumzuwerken?

Es bleiben auch beim Festhalten an der Wehrpflicht quälende Fragen: Wie will man eine Armee mit einem Budget wie es bis 2014 kolportiert wird überhaupt erhalten? Bei einem angenommen "Wehrpflicht neu" oder "Bundesheer light" mit vielleicht 18.000 Mann Heer brauchen wir keine 28.000 Rekruten pro Jahr. Wo sollen die untergebracht werden? Wer sollte die ausbilden? Mit welchen Anreizen sollen Heeresbedienstete wieder ins Zivilleben zurückkehren? WORAN sollen die alle - bei völliger Abwesenheit der einstigen Säule geistige Landesverteidigung - glauben...?

Es scheint nur noch die Wahl zwischen einer größeren ‚Armee' mit restmilitärischer Folklore, die aber teils miserabel ausgerüstet ist, oder einer Berufs-Minitruppe der gute Ausrüstung aber auch nichts nützt (die sie - in Österreich - sowieso nicht bekommen würde), weil Profi-Personal zum Betrieb fehlt. Still gelegte Kettenfahrzeuge deren Motor ein paar Mal pro Jahr läuft, dröhnen auch in einer Berufsarmee also nicht plötzlich alle wieder auf. Im Gegenteil, sie würden vorher abgeschafft sein. Warum? Die vielbemühte aber auch schon damals mangels mobiler Truppenluftabwehr zu einem Opfergang bestimmte ‚Panzerschlacht im Marchfeld' kommt ja nicht mehr - und für den Auslandseinsatz luftbeweglich ist z.B. unsere ausgezeichnete und moderne Artillerie dank Nichtteilnahme an SALIS oder SAC-HAW-Transportflugzeug-Pools auch nicht. Aus bei Besuchen nur schwer erklärbaren Neutralitäts-Bedenken, stehen doch die C-17s im ungarischen Pápa vor der Haustür. Schweden und Finnland sind jedenfalls in beiden drin...

Unerwartete Abrundung...

Breaking News 1: Am 7. Sept. waren sogar die Blattmacher von ÖSTERREICH überrascht. Der prozentchenheischende Vorstoß des um die Absolute kämpfenden Wr. Bürgermeisters soll unerwartet gar nicht so sehr im Mainstream der öffentlichen Meinung liegen. So sehr dass das Attribut ‚sensationell' bemüht wird. Jedenfalls ist dort eine Umfrage-Mehrheit FÜR die Wehrpflicht festgestellt.

Breaking News 2: Oberbefehlshaber Heinz Fischer ist bekanntlich kein Mann der starken Worte. Deshalb zählen die Worte anl. seines Geburtstages zum Vorstoß Michael Häupls doppelt: „Ich ändere meine Meinung nur, wenn nach einer Diskussion Fakten auf dem Tisch liegen.“ Er selbst würde „sicher nichts auf dem Altar des Populismus opfern“, stellte der Bundespräsident dann auch ungewöhnlich klar in Richtung möglicher Motive für den KRONE-diktierten Schwenk der SP-Linie fest. Immerhin…

Auf einen Blick: Eckdaten zum heutigen Bundesheer

55.0000 Mobilmachungsstärke
2.800 Offiziere
10.200 Berufsunteroffiziere
3.500 Chargen
27.000 Milizsoldaten
12.000 Grundwehrdiener (26.000 bis 27.000 im Jahr)
Zusätzlich: 9.000 Zivilbedienstete

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