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Flugmedizinische Forschung

Zwei Lösungen wurden in den Dreißigerjahren für dieses Problem erarbeitet.

Zum einen wurde die Technik des "Pressatmens" entwickelt. Dabei wird nach raschem Ein- und Ausatmen die Muskulatur im Bereich des Brustkorbes angespannt und die Luft in der Lunge unter Druck gesetzt. Gleichzeitiges Anspannen der Muskeln in den Beinen, dem Gesäß und dem Bauch soll dabei das versacken des Blutes verzögern bzw. verhindern. Die Beschreibung lässt es erahnen, dass diese "sitzende Tätigkeit" nicht gerade in den Bereich der Entspannungstechniken zu zählen ist. Auch klar dürfte sein dass man beim Luftanhalten ziemliche Probleme mit der Kommunikation bekommt. Während dieser Übungen noch ein Flugzeug zu fliegen fordert schon gehörigen Respekt ab, sich dann noch nach einem eventuellen Gegner umzuschauen fällt wohl in den Bereich der Phantasie.


Die Gripen flying-suite, eines der besten "konventionellen" Schutzsysteme die entwickelt wurden.
Foto: Saab
Der zweite Ansatz ist eine technische Hilfe, die Anti-G-Hose, umgangssprachlich auch als "Speed Jeans" bekannt. Dieses, nicht gerade dezente, Kleidungsstück ist mit fünf Luftkammern versehen - je eine für die beiden Unterschenkel, je eine für die beiden Oberschenkel und eine für den Bauch des Piloten. Die Hose wird mittels eines Schlauches und eines Anti-G-Ventils am Druckluftsystem des Flugzeuges anschlossen. Ab einer Belastung von etwa 1,5-2G und einer Verzögerung von bis zu 2 Sekunden, beginnt sich die Hose mit Luft zu füllen und übt dabei Druck auf Beine und Bauch des Piloten aus. Dies erzeugt den selben Effekt wie bei der Anspannung der Muskulatur und verhindert das Absacken des Blutes in die unteren Extremitäten.

In Kombination beider Techniken sind bis zu 8 G für den menschlichen Körper tolerierbar. Gegen die gleichzeitig auftretenden Organverschiebungen im Körper bieten sie jedoch keine Hilfe. Sämtliche heute bekannten Systeme fußen grundsätzlich auf dieser Technik.

Erst mit dem aufkommen hochagiler aerodynamisch instabiler Kampfjets (F-16, Mirage 2000, etc. ) wurden wieder Belastungen erreicht für die das Basissystem als ungenügend angesehen werden musste und für die Generation vier (Eurofighter, Rafale, Gripen) ist sie vollkommen unzureichend.

Erweiterungen des Systems waren zusätzliche Luftkammern im Bereich des Oberkörpers und für den Eurofighter wurden sogar schon Druckluftsocken und -schuhe entwickelt die an der Anti-G-Hose angeschlossen werden. Da das noch immer nicht ausreichend ist wurde auch ein System der Zwangsbeatmung entwickelt welche das Pressatmen ersetzt und bei steigender Schwerkraftbelastung Luft in die Lungen des Piloten presst. Um der thermischen Probleme Herr zu werden die durch die dicke Verpackung der Piloten auftreten finden inzwischen auch schon Kühlwesten Verwendung welche die Körpertemperatur regulieren und einen Temperaturstau verhindern.

Herzfrequenz ohne (rot) und mit /grün) Libelle

Herz-/Lungenfrequenz mit Libelle bei Beschleunigungen bis 9G

Die für den Gripen und Eurofighter neu entwickelten "Speed Jeans" sind somit nicht mehr Hosen sondern komplette Anzüge. Mit ihrer Hilfe ist eine effektive Reduktion der Belastungsgrenze von 3-4G möglich, womit man 9G "ziehen" kann und das Herz-Kreislaufsystem nur beisteuern muss wozu es von sich aus in der Lage ist. Ein "billiges Accessoire" ist so ein Anzug allerdings nicht mehr. Die "Gripen flying-suite" kostet stolze öS 200.000,- / DM 28.500,- / EUR 14.500,- und sie nimmt, um korrekt funktionieren zu können, beim Anziehen inzwischen schon gehörige Zeit in Anspruch. Piloten in Alarmbereitschaft sind somit gezwungen einen Gutteil der Ausrüstung ständig am Körper zu tragen um das Zeitlimit für einen Alarmstart einhalten zu können.

Doch so gut und teuer die neuen Systeme auch sind, sie funktionieren nicht perfekt. Größtes Problem ist die zeitliche Verzögerung (etwa 2 Sek.) bis zum Einsetzen der Wirkung des Drucksystems. Waren die Flugzeuge im zweiten Weltkrieg und danach in der Lage einen Anstieg der Schwerkraftbelastung um 2 bis 3 G pro Sekunde (onset rate) zu erzeugen so konnten die aerodynamisch instabiler Kampfjets der 70er und 80er Jahre schon mit einer onset rate von 6G pro Sekunde aufwarten. Bei einer onset rate von 3G/Sek. setzt die Wirkung der Speed Jeans genau dann ein wenn das Herz-Kreislauf-System seine naturgegebene Grenze erreich hat. Bei 6G/Sek. stehen im Extremfall 9G schon eine halbe Sekunde lang an bevor deren Wirkung einsetzt. Und die letzte Generation von Flugzeugen schafft sogar eine onset rate von 12-15G/Sek.. Das bedeutet, dass die Maximalbelastung von 9G, bei der das elektronische Flugmanagementsystem abriegelt, in etwas mehr als einer halben Sekunde erreicht werden kann - viel zu schnell für Systeme wo erst Ventilen geöffnet und Pumpensysteme aktiviert werden müssen, viel zu schnell für den menschlichen Organismus.

Inzwischen bekommen Flugmediziner schon echte Probleme mit der medizinischen Ethik. Die Frage was vom medizinischen Standpunkt aus noch als vertretbar angesehen werden kann, wurde inzwischen nicht erst einmal gestellt.

Lernen von Mutter Natur

Die Libelle ist ein ganz besonderes Insekt. Sie hat hyperagile Flugfähigkeiten und setzt sich bei ihren Flugbewegungen Beschleunigungen bis 30G aus. Geschützt und stabilisiert werden ihre Organe dabei durch die Flüssigkeit die sie umhüllen. Schon in den Dreißigehrjahren entwickelten deutsche Physiker die grundlegende Idee wie dem G-LOC beizukommen wäre. Wasser ist ein Hauptbestandteil des menschlichen Körpers und hat ein den Körperflüssigkeiten ähnliches spezifisches Gewicht. Wenn der Körper komplett in Wasser eingehüllt wäre und sich das Wasser bei beginnender Schwerkraftbelastung in keine andere Richtung außer zum Körper hin bewegen könnte würden sich die Druckänderungen innerhalb und außerhalb des Körpers gegenseitig aufheben, das Blut nicht versacken und keine Organverschiebungen auftreten. Es besteht dann ein hydrostatischer Druckausgleich auf der Körperoberfläche zwischen den Körperinnendruck und dem Wasserdruck außerhalb. Allerdings konnte die technologische Entwicklung mit der geistigen nicht mithalten, ein sich nicht ausdehnender, mit Wasser gefüllter Anzug war weit weg von jeder Art der Einsatztauglichkeit.

In den 60er Jahren war es der Amerikaner Dr. Gray der in seinem Forschungsdrang mit einem flüssigkeitsgefüllten Anzug experimentierte. In einem Selbstversuch erreichte er bemerkenswerte 31G - und überlebte! Doch auch sein Entwurf war fern jeder Verwendbarkeit - er hatte sich sitzend in einen stählernen Anzug einschweißen lassen.


Die Humanzentrifuge in Königsbrück. Mit einer Beschleunigung von bis zu 5G/Sek. eine der stärksten Anlagen dieser Art.
1988 griff der Schweizer Physiker Andreas Reinhard die Idee neu auf. Erste Idee war es das Cockpit komplett mit einer Flüssigkeit zu füllen welche die gleiche Dichte wie Blut aufweist. Etwas fortschrittlicher war da schon die Idee einen entsprechenden Anzug zu bauen. Er unterbreitete den verantwortlichen der Schweizer Luftwaffe den Vorschlag eine ohne Ventiltechnik und externe Geräte selbstregulierenden Flüssigkeitsanzug zu bauen. Zwar wurde die Idee mit Skepsis aufgenommen jedoch fand sich Unterstützung und finanzielle Hilfe bei der Forschungsabteilung der Gruppe Rüstung.

Mit einem ersten Prototypen, ein transparenter Plastikanzug mit 28 Liter Wasserinhalt, wurden Flugversuche in einer Pilatus Porter unternommen. Der Anzug funktionierte wie gewünscht, er war zwar "tragbar" aber natürlich weit weg von jeder Truppentauglichkeit. Weitere Flugversuche gab es in einem Learjet mit dessen Hilfe der Bereich zwischen 0 und 3G mit einem anwesenden Ärzteteam untersucht wurde. Dabei wurde festgestellt, dass die Versackung des Blutes schon bei 1,2G beginnt, während herkömmliche "Speed Jeans" erst ab 1,75G ansprechen. Konstruktive Verbesserungen und die Kombination mit der neuesten verfügbaren Textiltechnik ermöglichten Schritt für Schritt eine Absenkung der benötigten Wassermenge auf 6 und später auf 4 Liter bei gleichzeitiger Effizienzsteigerung. Um zu diesen Ergebnissen zu kommen waren inzwischen auch Flugversuche mit Kampfjets der Schweizer Flugwaffe durchgeführt worden. Jedoch war es noch ein weiter Weg bis zu einem marktreifen Produkt, und der konnte nicht weiter in der Schweiz gegangen werden. Ende der 90er Jahre wurde die deutsche Luftwaffe in das Projekt eingebunden. Zusammen mit dem Flugmedizinischen Institut der deutschen Luftwaffe in Königsbrück (Standort einer der größten Humanzentrifugen der Welt), der DASA und der Firma Autoflug wurde der neue Anzug weiter bis hin zu einem fertigen Produkt entwickelt.

Die Prototypen 1,...

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...und 4.
Die "flüssigen" Muskel der Libelle

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Letzte Aktualisierung: 25.06.2001