www.airpower.at

  © Kontakt - Autor & Webmaster

Die Boden/Luft-Raketen der Taliban

"No-mach" war und ist anscheinend die Luftverteidigung Afghanistans für die US Streitkräfte. In einem Land in dem kein Waffensystem auf längere sich hinaus funktioniert, dass sich nicht mit Schmiere und einer Werkzeugkiste mit normalem Inhalt wieder Instand setzen lässt, darf das auch niemanden Wundern.

Grundsätzlich kann man sagen, dass beinahe sämtliche Waffensysteme Sowjetischen Ursprungs sind und noch aus der Zeit der Sowjetischen Besatzung stammen. Aber selbst diese älteren Systeme sind nicht die leistungsfähigsten aus ihrer Zeit, bestand doch für die Sowjets im Afghanistankrieg nicht die Gefahr von gegnerischen Luftangriffen.
9K35 Strela 10 (NATO-Code: "SA-13 Gopher")
Außerdem wurden beim Abzug vor allem die leistungsfähigeren Systeme wieder mitgenommen und nur was damals schon nahezu auszuscheiden war blieb zurück.

 

Das wohl leistungsfähigste System im Besitz der Taliban ist das 9K35 Strela 10 (NATO-Code: "SA-13 Gopher"). Das System besteht aus dem Kettenfahrzeug mit einem Launcher für vier startbereite 9M37-Raketen und einem einfachen Radar (NATO-Code: "SNAP SHOT") zur Entfernungsmessung. Die 9M37-Raketen selbst sind 2,2m lang, haben einen Durchmesser von 12cm, einen 5kg HE-Gefechtskopf, erreichen eine maximale Geschwindigkeit von etwa Mach 2 und einen "all-aspect" Infrarot-Suchkopf. Die minimale Einsatzentfernung beträgt 500m bis 800m, die maximale Reichweite 5.000m bei bis zu 3.500m Höhe. Die Taliban sollen im Besitz von mindestens 16 dieser Systeme sein.
V-75 (NATO-Code: "SA-2 GUIDELINE") SPOON REST FAN SONG
Bei den russischen Streitkräften sind die SA-13 zusammen mit MTLBu (NATO-Code: "Dog Ear") Radarfahrzeugen die eine begrenzte Frühwarnkapazität zur Verfügung stellen. Es ist noch bekannt ob überhaupt und wenn ja wie viele dieser Geräte im Besitz der Taliban sind.

 

Vor allem zur Bekämpfung von Großflugzeugen geeignet ist das aus den 50er Jahren stammende passiv radargelenkte V-75 (NATO-Code: "SA-2 GUIDELINE"). Die Raketen ist 10,6m lang, hat einen Durchmesser von 70cm und einen 200kg HE-Gefechtskopf bei einem Startgewicht von 2.300kg. Angetrieben wird sie durch ein Zweistufen-Triebwerk mit einem Feststoff-Booster für den Start und einem Flüssigbrennstoff-Motor für die zweite Stufe. Bei einer Maximalgeschwindigkeit von Mach 4 bis 4,5 erreicht die Rakete eine Höhe von 27km bis 40km und eine Reichweite von 35km bis 50km. Die Minimalentfernung beträgt 7km bis 9km. Das System arbeitet üblicherweise mit zwei Radarsystemen zusammen. Dem "SPOON REST" Frühwarngerät mit bis zu 275km Maximalreichweite und dem "FAN SONG" Feuerleitradar mit 60km bis 145km Maximalreichweite. Die Systeme sind so sperrig, dass sie kaum versteckt werden können und so veraltet, dass die US-Streitkräfte sie ohne Probleme bis hin zur absoluten Unbrauchbarkeit elektronisch stören können.
S-125 (NATO-Code: "SA-3 GOA") FLAT FACE LOW BLOW
Sollten die Taliban noch funktionsfähige Systeme gehabt haben, dann nur bis zum 7. oder bestenfalls 8. Oktober 2001.

 

Üblicherweise um das SA-2 gruppiert ist das S-125 (NATO-Code: "SA-3 GOA"). Das System kam erstmals Anfang der 60er zum Einsatz und besteht aus einem stationären 2fach oder 4fach Starter. Die Raketen sind 6,7m lang, haben einen 60cm Durchmesser und ein Startgewicht von 400kg. Zwei Stufen von Feststoffmotoren bringen die Rakete auf über Mach 3 und auf Höhen und Reichweiten von bis zu 25km. Auch dieses System arbeitet mit zwei Radargeräten. Dem Typ "FLAT FACE" zur Ziel-Suche und -Erfassung sowie dem "LOW BLOW" zur Steuerung der passiv radargelenkten Raketen. Wie die SA-2 sind auch die SA-3 kaum zu verstecken und können (konnten), falls überhaupt funktionsfähig, sehr leicht durch elektronische Störmaßnahmen lahmgelegt und mit diversen Waffensystemen gefahrlos zerstört werden.

 
9K32M Strela-2 (NATO-Code: "SA-7 GRAIL")

Die wohl gefährlichsten Systeme sind die sogenannten "MANPADS" (MAN Portable Air Defense System's).

Das ältere der beiden, in den Händen der Taliban vermuteten, Systeme ist das sowjetische 9K32M Strela-2 (NATO-Code: "SA-7 GRAIL"). Das auf der Schulter gestartete System wiegt etwa 15kg. Davon entfallen knapp 10kg auf die 1,40m lange 9M32M-Rakete mit 7cm Durchmesser. Die Waffe hat einen veralteten "tail-aspect" Einfrequenz-Infrarotsuchkopf und erreicht durch einen Zweistufen-Feststoff-Booster Geschwindigkeiten von 580m/Sek. (~Mach 1,75), Höhen bis 4.500m und Reichweiten bis 5.500m bevor sich der 1,15kg schwere HE-Gefechtskopf nach 15 Sekunden selbst zerstört.

 

FIM-92A "Stinger"
In aller Munde ist inzwischen das aus den USA stammende FIM-92A "Stinger" MANPADS, ein Erbe der Besatzungszeit. Über 2.000 dieser Raketen wurden in den 80er Jahren von der CIA den Mudschaheddin für den Freiheitskampf gegen die Sowjets zur Verfügung gestellt. Im Gegenzug haben die Afghanischen Freiheitskämpfer dem US-Geheimdienst geborgene Bauteile und Dokumente aus abgeschossenen sowjetischen Flugzeugen und Hubschraubern übergeben. Es wird geschätzt, dass in Afghanistan zwischen 260 und über 300 sowjetische Luftfahrzeuge der "Stinger" zum Opfer vielen (bei sehr viel mehr nicht-lethalen Treffern). Wie viele dieser Systeme sich in funktionsfähigem Zustand in den Händen der Taliban befinden kann nur vermutet werden. Schätzungen, die in den Medien kolportiert und vermutlich ohne fundierte Basisdaten erstellt wurden, reichen von 50 bis 200 Stück. Geht man von den Herstellerspezifikationen aus könnten, entsprechende Lagerung vorausgesetzt, noch einsatzbereite Raketen vorhanden sein, denn für die Rakete besteht von Herstellerseite eine Funktionsgarantie bis zu einer Lagerzeit von 15 Jahren. Die Rakete selbst ist 1,52m lang, hat einen Durchmesser von 7cm, ein Startgewicht von 10,1kg und einen 3kg schweren HE-Splittergefechtskopf mit Aufschlagzünder. Mit Hilfe eines Argon-gekühlten Zweifrequenz-Infarot/UV-Suchkopfes und eines reprogrammierbaren Steuerchips können, nach 3 bis 5 Sekunden Vorkühlzeit, Ziele auf Entfernungen von etwa 7 bis 10km erfasst werden. Die Rakete selbst erreicht mit einem Feststoffmotor eine Geschwindigkeit von bis zu Mach 2,2 und erreicht bei Reichweiten von 4.500m bis 8.000m Höhen von 3.000 bis 3.800m bevor sich die Rakete nach 20 Sekunden Flug selbst zerstört. Gestartet wird die Rakete von einer wiederverwendbaren 5,68kg schweren Starteinrichtung die ein IFF-System (Freund/Feind-Kennung) sowie eine Argongaskartusche enthält mit welcher der Suchkopf 40x für jeweils 40 Sekunden gekühlt werden kann.

Die Gefahr bei den MANPADS geht von ihrer geringen Größe und der relativ großen Leistungsfähigkeit aus. Es ist einerseits de facto unmöglich sie mit Luftaufklärungs- oder elektronischen Mitteln zu entdecken, andererseits liegt die Leistung der Systeme in einem Bereich wo sie für tief und langsam fliegende Flugzeuge und vor allem Hubschrauber ein enormes Gefahrenpotential darstellen.
Während man im modernen Luftkrieg heute in der Lage ist die Gefährdung durch radargelenkte Boden/Luft Raketen wirkungsvoll zu minimieren*, gibt es noch keine Möglichkeit MANPADS aktiv zu unterdrücken. Folge davon sind Mindest-Flughöhen und -Geschwindigkeiten wie sie z.B. im Kosovo-Konflikt einzuhalten waren (ca. 4.000m / 900km/h oder 5.000m / 700km/h).

*Es gibt genügend Systeme die in der Lage sind die Such- und Steueremissionen der zugehörigen Radargeräte aufzuspüren und zu unterdrücken, sowie mehrere Arten von Hochleistungsraketen um diese Emitter zu zerstören bevor sie ihre Such- und Lenkaufgaben erfolgreich ausgeführt haben.
EA-6B "Prowler", Tornado ECR, HARM, ALARM, etc.


Zurück zur Übersicht:
Under Fire - Die Waffen der Taliban

© Kontakt - Autor & Webmaster
Letzte Aktualisierung: 18.10.2001