Dies ist kein militaristischer oder schlicht technikverliebter Kommentar.
Es ist leider jedoch Faktum, dass unsere Welt und die Gesellschaft die wir Menschen bisher geschaffen haben, nicht konfliktfrei war, ist und auf absehbare Zukunft nicht werden wird.
Es bleibt zu hoffen, dass unsere Lernfähigkeit sowie die breit verfügbare Information über die Wirkung der heute üblichen Waffentechnologie diese Tatsache weiterhin reduziert.
Es wäre jedoch den Bürgern gegenüber unverantwortlich, würden wir Österreicher alleine mit dieser Einsicht beginnen wollen.
Sollten eines Tages die grossen Nationen der Welt anfangen, ihre Flugzeuge nur mehr für Flugshows zu betreiben, sie als Event-Geräte zu verborgen und sonst in Museen zu stellen, könnte man auch bei uns vom Betrieb solcher Maschinen absehen.
Abgesehen davon, dass auch zivil genutzte Flugzeuge in Hinkunft nicht über uns operieren können wie sie möchten, ist dieser Idealfall jedoch nicht abzusehen, ja nicht einmal auf europäischer Ebene.
Martin Rosenkranz und Georg Mader für www.airpower.at
Die militärische Komponente
Foto: Martin Rosenkranz
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In unserer Zeit kann kein Heer ohne Luftelement funktionieren, es wäre schlicht unvollständig.
Luftstreitkräfte haben generell einen hohen Bereitschaftsgrad, maximale Mobilität, und können nahezu unabhängig von anderen Einheiten selbstständig und schnell auf neue Situationen reagieren.
Seit bewaffnete Konflikte geführt werden, sind Geschwindigkeit und Schlagkraft die entscheidenden Elemente militärischer Operationen.
Am Beginn des 3. Jahrtausends gibt es kein Waffensystem das diese Elemente mehr vereint als das Kampfflugzeug.
Nur mit Luftstreitkräften kann Luftüberlegenheit - seit dem 2. Weltkrieg absolute Grundvoraussetzung jeder militärischen Aktion - hergestellt werden.
Wo auch immer heute militärische Massnahmen gesetzt werden, ist die Kriegsführung in der dritten Dimension ein beherrschender Faktor.
Das geht soweit, dass einige Konflikte sogar ausschließlich mit Luftfahrzeugen ausgetragen werden und Streitkräfte am Boden nur noch als Ziel oder politisches Instrument, nicht aber als bestimmende Elemente der Handlung vorkommen.
Die einzelnen Elemente einer Armee arbeiten zusammen wie die Organe und Gliedmaßen des menschlichen Körpers.
Ohne das Luftelement verzichtet man auf die leistungsfähigste Form der Aufklärung, auf eines der gewichtigsten Elemente der konventionellen Abschreckung, auf die einzige Möglichkeit Transporte ohne Verkehrsinfrastruktur durchführen zu können - und auch auf die einzige Möglichkeit Flugzeuge im eigenen Luftraum kontrollieren zu können.
"Ein Bundesheer ohne Luftstreitkräfte, wäre daher ein Haus ohne Dach".
Die gesetzliche Komponente
Gesetzliche Grundlage für Existenz und Aufgaben des Bundesheeres ist das Bundes-Verfassungsgesetz und das Wehrgesetz.
Schon im neunten von über 150 Artikeln des Bundes-Verfassungsgesetzes bekennt sich Österreich zur umfassenden Landesverteidigung :
Artikel 9a. (1) Österreich bekennt sich zur umfassenden Landesverteidigung. Ihre Aufgabe ist es, die Unabhängigkeit nach außen sowie die Unverletzlichkeit und Einheit des Bundesgebietes zu bewahren, insbesondere zur Aufrechterhaltung und Verteidigung der immerwährenden Neutralität.
Hiebei sind auch die verfassungsmäßigen Einrichtungen und ihre Handlungsfähigkeit sowie die demokratischen Freiheiten der Einwohner vor gewaltsamen Angriffen von außen zu schützen und zu verteidigen.
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Foto: Georg Mader
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Luftelemente sind - genauso wie Panzer oder auch das Gewehr des Soldaten - seit vielen Jahren Grundelemente um überhaupt an irgendeine Form dieser militärischen Landesverteidigung auch nur ansatzweise denken zu können.
Es ist eine frivole Pikanterie am Rande, dass gerade hierzulande Parteien und Organisation die vehement für die Beibehaltung der Neutralität eintreten, genauso vehement dagegen auftreten, die völkerrechtlich festgehaltenen militärischen Grundvoraussetzungen dafür zu erhalten, ja in diesem Falle sogar zu schaffen.
Sie bleiben damit die Frage schuldig wie sie einem angegriffen Dritten jene Neutralität unter Beweis stellen wollen, etwa in dem man die Nutzung des Bundesgebietes zum Durchmarsch oder Überflug aktiv verhindert.
Und gerade am Sektor der Luftkriegsführung geht es da nicht nur um Nachbarstaaten oder den Kontinent, sondern auch um Konfliktherde die auf anderen Kontinenten liegen können (Libanonkrise!).
Viel wichtiger noch als die Neutralitätswahrung sind die Auswirkungen auf die Souveränität des Staates Österreich.
Es obliegt der Exekutive die Einhaltung der Gesetze zu kontrollieren und durchzusetzen welche durch die Legislative, dem Gesetzgeber, erlassen werden.
Können Gesetze aufgrund fehlender Exekutive nicht kontrolliert werden, bzw. werden Gesetze aus diesem Grund erst gar nicht erlassen, herrscht Anarchie.
Es entsteht rechtsfreier Raum und die gesetzgebenden Körperschaften haben keine Möglichkeit mehr Einfluss zu nehmen.
Weder örtlich noch zeitlich begrenzte Luftraumbeschränkungen, geltende Lärm- und Abgas- und Flugsicherungsvorschriften noch geltende Gebührenverordnungen könnten letztendlich durchgesetzt werden wenn der Verursacher sich entschließt nicht in Österreich zu landen.
Foto: Martin Rosenkranz
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Im internationalen Vergleich
Alle Mitglieder der Europäischen Union vereinen 382 Millionen Menschen und sie betreiben 3080 Kampfflugzeuge (exkl. unterschallschnelle Düsentrainer wie Saab 105, BAe Hawk, Alphajet etc.), womit sich ein Durchschnitt von ziemlich genau 1 Kampfflugzeug pro 125.000 EU-Bürgern ergibt.
Für die 8.130.000 Einwohner Österreichs hieße das somit sogar 65 Kampfflugzeuge um EU-Durchschnitt zu erreichen.
Dabei ist in diese Zahl noch gar nicht eingerechnet, dass Österreich als Nettozahler ein überdurchschnittlich potentes EU-Land ist.
Kein mit Österreich auch nur annähernd vergleichbares Land lässt sich Verteidigung so wenig kosten wie Österreich - und das mit gewaltigem Abstand!
Pro Kopf zahlt jeder Finne 150%, jeder Schweizer 175%, jeder Däne 225%, jeder Schwede 250% für Verteidigung verglichen mit jedem Österreicher.
Während die Zielsetzung in Österreich das "Minimum zur Wahrung der Luftraumüberwachung = 24-36 Kampfflugzeuge" lautet, betreiben die Finnen über 60, Schweizer rund 80, Belgier rund 130, die Schweden rund 250 Kampfflugzeuge - und dort haben die Leute auch noch Schuhe an den Füssen, Schulen und Spitäler!
Eine Aufrechnung von Sozialausgaben gegen militärische Aufwendungen ergibt in Österreich eine recht eindeutige Gewichtung 800 Milliarden gegenüber 22 Milliarden.
Ob solche Aufrechnungen generell überhaupt zulässig sind ist eine andere Frage, aber sein Land ernst zu nehmen heißt eben nicht nur, entsprechende Mittel für Behinderte, alleinerziehende Mütter, oder die fällige Hochschulreform usw. zur Verfügung zu stellen, sondern auch für die Landesverteidigung.
Foto: Martin Rosenkranz
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Im Einsatz auf dem internationalen Parkett
Seit Jahrzehnten helfen österreichische Soldaten im Rahmen der UNO bei diversen Auslandseinsätzen mit, Frieden und Sicherheit in Krisenregionen zu bewahren.
Mit dem Beitritt zur EU und der Entscheidung eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik mitzutragen, bzw. Truppen an die EU-Krisenreaktionstruppe abzustellen, betritt man nun eine neue Stufe.
Waren österreichische Heeresangehörige im Rahmen der UN-Missionen nur trennendes bzw. beobachtendes Element, so besteht im Rahmen der EU-Einsätze - wozu von der alten Regierung die Voraussetzungen legalisiert wurden - auch durchaus die Möglichkeit ein aktiv kampfführendes Element im Konfliktfall zu werden.
Um schon im Rahmen der Ausbildung diese Soldaten mit allen Spielarten der modernen Kriegsführung vertraut zu machen, ist gerade für Bodentruppen eine Konfrontation mit dem Thema (halbwegs zeitgemäße) Luftkriegsführung äußerst wichtig.
Die Kapazitäten der dritten Dimension müssen wohl bekannt, der präventive Schutz vor Luftaufklärungs- und Luftkampfmitteln intensiv beübt werden, um die Gefahren eines realen Einsatzes für die Truppe zu minimieren.
Zu diesem Zweck ist der Erhalt einer eigenen Kernkapazität an leistungsfähigem Gerät und international geschultem Personal am Jet-Sektor eine unabdingbare Notwendigkeit.
Foto: Martin Rosenkranz
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Der wirtschaftliche Aspekt
Nicht nur, aber auch wegen der fehlenden Priorität von Luftstreitkräften in der zweiten Republik, sind einige Industriebereiche in Österreich unterrepräsentiert.
Da niemals zeitgemäßes Gerät in international üblichen Stückzahlen beschafft wurde, fehlten schlicht die Aufträge aus dem militärischen Bereich, die es einigen Hochtechnologiesparten ermöglicht hätten hier in Österreich Fuß zu fassen.
Dies bedeutet für Österreich heute einen grundsätzliche schlechteren Stand in Beschaffungssituationen, Unternehmen wie SF-Emmen oder VALMET gibt es hier einfach nicht, von Saab ganz zu schweigen.
Industrielle Offsets sind hier der einzige Ausgleich und jene werden auch in Wahrheit künftige Typenentscheidungen dominieren.
Die im Rahmen der Modernisierung der Luftstreitkräfte geplanten und bei der Beschaffung der neun Mehrzweckhubschrauber schon vertraglich zugesicherten Kompensationsgeschäfte ermöglichen es österreichischen Hochtechnologieunternehmen auf neuen Märkten Fuß zu fassen und mit neuen Partnern Kontakte mit Zukunftspotential zu unterhalten.
Positive Nebeneffekte sind eine Intensivierung des Außenhandels, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen sowie eine Einnahmensteigerung bei Steuern und Abgaben.
Foto: Martin Rosenkranz
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Die sogenannten Alternativen
Im Zuge einer Diskussion über Abfangjäger begegnet man gerade hier in Österreich immer wieder Argumenten die in etwa lauten:
"Wieso nicht Kampfhubschrauber, Senkrechtstarter, Radar und Raketen."
Es mag Spiegelbild des zweidimensionalen Denkens, technischer Unkenntnis und/oder auch schlicht der Glaube an eine billigere Lösung sein die solche Argumente gegen den Abfangjäger hervorbringt.
Wie auch immer, es sind keine Lösungen für ein militärisches und ziviles! Problem.
Der Abfangjäger ist das Mittel um Sichtkontakt zu jedem beliebigen Radarkontakt im österreichischen Luftraum herzustellen und ist in dieser Rolle nicht ersetzbar.
Sowohl zivile Verkehrsflugzeuge als auch militärische Flächenflugzeuge in Marschgeschwindigkeit bewegen sich mit Masse in Flughöhen zwischen 6 und 15 km Höhe sowie mit Geschwindigkeiten zwischen 600 und 1.000 km/h.
Beim Hubschrauber ist die Sache eindeutig - kein Hubschraubers kann diese Parameter auch nur annähernd erreichen und fällt daher als Mittel zur Überwachung des Luftraumes vollkommen aus.
Foto: Georg Mader
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Etwas komplexer ist die Sache beim Senkrechtstarter.
Auf diesem Sektor gibt es derzeit nur ein einziges Flugzeug samt Varianten, bei dem diese hochkomplexe Technik soweit entwickelt werden konnte, dass es operativ verwendbar ist - der Harrier.
Zwar kann der Harrier Flughöhen zwischen 6 und 15 km sowie Geschwindigkeiten zwischen 600 und 1.000 km/h erreichen es fehlt aber der große Geschwindigkeitsüberschuss und die enorme Steigleistung die es dem Jäger ermöglichen zu anderen Luftfahrzeugen aufzuschließen.
Mit dem Harrier würde sich beinahe die selbe Situation ergeben wie bei der Saab 105 die kaum in der Lage ist schnelleren Verkehrsflugzeugen zu folgen.
Nebenbei bemerkt würden sich durch den Ankauf von Senkrechtstartern keine wie immer gearteten Einsparungen ergeben.
Recht kurz lässt sich das Thema Radar und Raketen abhandeln.
Es kann nicht ernsthafter Wunsch eines friedliebenden westlich-demokratischen Landes sein, jedes ihm unbekannte Luftfahrzeug über dem eigenen Hoheitsgebiet abzuschießen.
Luftfahrzeuge die hier nichts zu suchen haben werden optisch überprüft und der Vorgang mit dem Fotoapparat dokumentiert damit das Aussenamt Protest einlegen kann und nicht abgeschossen.
Ein Abschuss wäre allenfalls bei Militärmaschinen gerechtfertigt die definitiv mit Kampfauftrag den österreichischen Luftraum queren und somit den klassischen Neutralitätsfall darstellen.
Foto: Martin Rosenkranz
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Klein! Zu klein?
Für manche Menschen sind Größenordnungen wie "1.000 km/h" oder "Mach 2" schlicht nicht vorstellbar.
Demzufolge gibt es auch immer wieder Leute die der Meinung sind für Kampfflugzeuge wäre in Österreich schlicht zu wenig Platz.
Es reicht allerdings der Besuch einer Flugshow um eins besseren belehrt zu werden, Kampfflugzeuge sind sehr gut in der Lage trotz Geschwindigkeiten knapp unterhalb der Schallgeschwindigkeit im Sichtfeld des Publikums zu bleiben.
Noch ein Beispiel zeigt deutlich wie viel Platz Flugzeuge benötigen und wie viel vorhanden ist.
Über der Nordsee, östlich von England gibt es eine NATO-Luftkampfarena in der auch schon die Österreicher mit dem Draken trainiert haben.
Die Einrichtung, in der mit Hilfe von Funkpeilsignalen und Computerunterstützung Luftkampfmanöver aufgezeichnet und zu Analysezwecken später wieder abgespielt werden können, hat einen Durchmesser von 50 km, also eine Fläche die um weit mehr als das dreißigfache kleiner ist als Österreich.
Foto: Martin Rosenkranz
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Nachbarschaftshilfe?
Hin und wieder wird man mit dem Argument konfrontiert, das umliegende Ausland - und hier vor allem die NATO - soll unseren Luftraum doch mitüberwachen.
Nicht gefragt wird dabei jedoch nach Verfügbarkeit und Kosten einer solchen Lösung - ganz abgesehen von den rechtlichen Problemen die entstehen würden.
Ganz abgesehen von der Tatsache dass niemand diese zusätzlichen Kapazitäten zur Verfügung hat müsste Österreich zweifelsohne eine Menge Geld bezahlen damit jemand diese Zusatzaufgaben übernimmt.
Es muss stark angezweifelt werden ob es im Interesse der Österreicher liegt erhebliche Mengen an Steuergeld für diesen Service zu bezahlen ohne dabei in irgendeiner Form Rückflüsse erzielen zu können.
Denn es gäbe dann sicherlich keine Arbeitsplätze für Österreicher auf diesem Sektor und auch keine Kompensationen für die notwendigen Materialankäufe.
Foto: Martin Rosenkranz
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Schlussfolgerung
Es hat schwere Konsequenzen mit gesamtstaatlichen Auswirkungen keine Luftstreitkräfte zu haben.
Das geht von der Durchsetzung geltendem Rechts im unserem Luftraum der jährlich von zehntausenden Luftfahrzeugen und mehrere Millionen Menschen durchquert wird, führt dazu, dass vor allem in Hochtechnologiebereichen wirtschaftliche Mängel bestehen bleiben bzw. entstehen und endet schließlich mit schweren Ausbildungsmängeln bei den bodengebundenen Streitkräften.
Niemand spricht in Österreich primär von Luftraumverteidigung (gegen "feindliche" Flugzeuge) sondern lediglich von aktiver Überwachung.
Man stelle sich doch einmal vor, was ein nicht überwachter Luftraum für Konsequenzen hätte. z.B. im Bereich Schlepperwesen:
Wozu sollen unsere Soldaten noch an der EU-Aussengrenze ihren mühsamen Dienst versehen, wenn die Schlepper und ihre Fracht ihnen unbehelligt über die Köpfe fliegen ?
Das selbe gilt auch für den internationalen Waffen- wie Drogenhandel.
Man hat das Heer wegen dem Draken lächerlich gemacht, wie würde es erst gänzlich ohne Kampfflugzeuge dastehen?