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Generalleutnant Pavel STEFKA, Chef des tschechischen Generalstabes.
Foto: Georg Mader
Georg Mader, Jane's Defence Weekly Korrespondent Wien
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Interview mit Generalleutnant Pavel STEFKA

Während des TU-154-Fluges und in bei einem Interview in Basrah, erläuterte Generalleutnant Pavel STEFKA, Chef des tschechischen Generalstabes ausführlich die tschechischen Positionen zum Irak-Einsatz, der Vorbereitung einer Berufsarmee, der Flugzeugbeschaffung - und zu anderen "Ideen".
Georg MADER für www.airpower.at.

Als Gen.Lt. Stefka diese Abschluss-Inspektion des 7. Feldspitals der tschechischen Armee in Basrahh/Südirak ansetzte, erwartete er die Meldung über eine erfolgreiche Balance dieser Auslandsmission - sie ging mit Weihnachten 2003 zu Ende. Einige Hundert Irakis wurden - oft in dramatischen Notoperationen - gerettet und kein tschechischer Militärangehöriger ist gefallen oder ernsthaft verwundet worden.
Da aber auch ca. 100 tschechische Militärpolizisten bleiben, um irakische Sicherheitskräfte zu trainieren, unterstreicht Gen.Lt. Stefka Wichtigkeit und Gewichtung künftiger (tschechischer) Teilnahmen an NATO- und UN-Auslands-Missionen. "Als anerkannte ABC-Spezialisten im Rahmen der NATO und auch durch die fortschreitende Transformation in eine reine Berufsarmee, werden die Segmente der internationalen Partnerschaft und des Einbringens in "out-of-aera" sicherlich den Charakter der ACR (Armada Ceske Republiky) im frühen 21. Jhdt. prägen", sagt Stefka.
Gen.Lt. Stefka inspiziert die angetretene Truppe.
Foto: Georg Mader

Ziele der Reform der tschechischen Armee.

Aufgaben der tschechischen Armee.

"Die Beteiligung an ‚Iraqi-Freedom' war und ist primär eine humanitäre Mission und sie war und ist nach den Herausforderungen moduliert welchen wir uns stellen mussten. Vor dem Beginn der Operationen der Koalition gegen den Irak, waren tschechische ABC-Einheiten in Kuwait stationiert um die alliierten Truppen zu schützen," erklärt Stefka. "Sobald die Kämpfe im Südirak mehr oder weniger vorbei waren, zogen wir unsere Einheiten hierher in den Raum Basrahh nach. In dieser schwierigen Phase unseres Einsatzes errichteten wir zuerst eine Trinkwasseraufbereitungsanlage, ABC-Schutz trat in den Hintergrund. Als sich abzeichnete dass dann Sicherheit und Gesundheitsversorgung die Hauptprobleme dieser Gegend wurden, ersetzten wir die bisherigen Einheiten vorerst durch Militärpolizisten." Jene mögen weniger "humanitär" klingen, als das nun seit Mai 2003 erfolgreich operierende Feldspital, Gen.Lt. Stefka erklärt das aber "als Reaktion auf Ersuchen des Kommandos der britischen 3. Multinationalen Brigade Südost (der 3rd MNB-SE unterstehen alle alliierten Einheiten im Südirak). Die haben uns um Hilfe dabei gebeten, irakische Sicherheitskräfte zu trainieren. Hier ist jedermann bewaffnet, dauernd wird geschossen - jeden Tag gibt es Tote. Daher ist Sicherheit auch ein eine humanitäre Leistung, die Menschen leiden bzw. litten sehr unter diesem Zustand ‚rechtloser Anarchie' - speziell nachts. Wir werden dieses Training also bis mindestens Ende 2004 fortführen, die Irakis werden dabei aber von den Briten selektioniert und dann von uns geschult." Gefragt nach einer noch längeren Präsenz tschechischer Einheiten im Irak, meint Stefka "dass das vom Fortschritt oder Zustand der politischen Situation abhängt, aber so es gewünscht ist, können wir auch eine längere Präsenz ins Auge fassen. Diese würde dann aber wieder von den veränderten Anforderungen abhängen und würde wieder andere Arten von Einheiten umfassen."

Interessant ist, dass Gen.Lt. Stefka ein anderes Gebiet tschechisch-irakischer Kooperation erwähnt, "welche eigentlich mehr eine wirtschaftliche als eine militärische ist. Sie werden wissen, dass in früheren Jahrzehnten die damalige CSSR sehr viele irakischen Ölraffinerien und einige Kraftwerke hier gebaut hat. Während wir hier unsere Mission durchführen, ist es auch leichter für tschechische Firmen wieder bei Reparaturen und beim Wiederaufbau involviert zu werden." Stefka bestätigt auch, "dass Verbindungsbeamte der tschechischen Ministerien für Industrie und Wirtschaft bereits mit den US-Instanzen in Baghdad und mit den Briten in Basrahh zusammenarbeiten und dabei ihre Kenntnisse der Infrastruktur und der Sprache einbringen können."

Obwohl es deutlich ist, dass im Süden des Iraks nicht jener organisierte Widerstand geleistet wird als in anderen Sektoren des Landes, "war die Beurteilung der chaotischen und anarchen Situation ein Hauptanliegen hinter der Entsende-Entscheidung des tschechischen Parlamentes, den diesbezüglichen Befehlen des Generalstabes - und der Einschätzung der tschechischen Bevölkerung und der Medien", meint der Stabschef. "Aber diese fortschreitende Bereitstellung ist - auch für unsere Öffentlichkeit - ein Beispiel für die sich verändernde Gewichtung hin zu internationalen Einsätzen, das wird sich in steigendem Maße in den Aufgaben im Rahmen unserer radikalen Schaffung einer reinen Berufsarmee widerspiegeln." Stefka bezieht sich damit auf "eine gewisse Müdigkeit in der tschechischen Öffentlichkeit, nach mehr als einem Jahrzehnt ‚sogenannter' Reformen der Streitkräfte.

Der Generalleutnant erklärt weiters, dass "die tschechischen Streitkräfte im Moment einen Professionalisierungsgrad von etwa 60% erreicht haben. Wichtig dabei ist: In Missionen wie zu dieser wir gerade unterwegs sind, aber auch im Dienst daheim, müssen professionelle Kräfte ihrem Personal das moralische Verständnis vermitteln, dass sie aktiv gebraucht werden - und sie nicht wie früher am Hintern herumsitzen lassen !" Er unterstreicht, dass es "heute eine Hauptaufgabe von mir ist, überall zu erklären dass sich die Art der Annäherung an Verteidigung und Armee international tiefgreifend verändert hat. Moderne Armeen mit ihrer komplexen Technologie werden mehr und mehr von Humanpotential abhängig sein, welches dort Dienst machen WILL und nicht MUSS." Daher wird die ACR 2004 die letzten klassischen Rekruten einberufen und "bis 2008", so Stefka, "wird unsere Armee von ihrer momentanen Stärke von 60.000 (Soldaten und Zivilbedienstete) auf ca. 26.000 Soldaten und etwa 9.000 Zivilangestellte reduziert werden." Er ergänzt dass darin "ab 2006 eine eingemeldete ‚schnelle' Einheit enthalten sein soll, ein schnell verlegbares Kontingent in Brigadegröße, bestehend aus etwa 3.000 Mann welche für 6 Monate Auslandseinsatz ohne Ablöse bereit stehen."

Gefragt nach Ansichten zum Themenkreis Attraktivität, Personalmangel und -niveau, einem Kernproblem jeder modernen Berufsarmee, bekräftigt Stefka das Bewusstsein um diese Problembereiche und unterstreicht dass "in deren Berücksichtigung dazu speziell hin zum Segment der Berufs-Unteroffiziere (NCOs) eine Gewichtsverlagerung gegenüber früher stattfinden muss. Diese Führergarnitur muss - siehe Attraktivität - deshalb auch in anderer Art als früher mit den Truppen arbeiten um den notwendigen Motivationsgrad zu halten." Erinnert sich der Generalleutnant einige Jahre zurück, "dann war es eigentlich erst nach dem NATO-Betritt und dem Kosovo-Krieg, dass die tschechische Öffentlichkeit wieder begonnen hat mehr Aufmerksamkeit spezifisch militärischen Dingen zuzuwenden. Seit dem 11. September 2001 hat sich das deutlich intensiviert. Man muss dazu wissen dass, über das letzte Jahrzehnt hin, die militärisch-soziologische Beziehungen eigentlich davon geprägt waren, dass die Streitkräfte nur langsam aus ihrer sozialen Isolation und dem ‚dunklen' Bild der kommunistischen Periode herauskamen."

Gen.Lt. Stefka gibt sich überzeugt, etwa aus Holland oder Spanien bekannte Personalnöte jüngerer Berufsarmeen in Europa verhindern zu können. Er stimmt jedenfalls der Ansicht zu, dass "heute eine interessante Arbeit und gute Bezahlung die Haupt-Triebkraft einer Berufsarmee sind." Schon heute seien die Gehälter in der ACR etwas über dem tschechischen Durchschnittseinkommen "und es gibt zu Anfang eine Rekrutierungsprämie, extra Zulagen für Auslandsdienst sowie Sozial- und Gesundheitsbonifikationen - auch für die Wohnung und die Angehörigen." Und er setzt nach: "Ich denke daher, alles Erwähnte wird den künftigen tschechischen Berufssoldaten innerhalb der Sozialgesellschaft unseres Landes gut platzieren und ihm darin den nötigen Status bzw. Achtung zu verschaffen - das ist das Wichtigste für Soldaten die für Ihr Land - jeden - Dienst machen sollen !"
Damit liegt der Personalkostenanteil etwa um 10% unter dem österreichischen zugunsten des Investitionsanteils. Dazu decken die tschechischen 2,2% Budget gemessen am Bruttoinlandsprodukt aber auch noch Pensionsleistungen - bis zum gesetzlichen Pensionsalter von 65 Jahren - ab.

Obwohl allgemein bekannt ist, dass der frühere tschechische Verteidigungsminister (J. Trvdik) und der erst neu ernannte Kommandant der Luftstreitkräfte (J. Vachek) 2003 wegen generellen bzw. sektoralen budgetären Zwängen zurückgetreten sind, unterstreicht Gen.Lt. Stefka dass "sich die Jahre ständigen Niedergangs des Verteidigungsbudgets seit unserem NATO-Beitritt stabilisiert haben, als sich die Regierung, in Akkordanz mit NATO-Standards, zu Verteidigungsausgaben von 2,2% BNP bekannt hat. Obwohl nun also Regierungsresolutionen einen weiteren graduellen Anstieg der Verteidigungsmittel garantieren - auf jeden Fall für 2004 - ergänzt Stefka dass "die realen Größenordnungen natürlich abhängig von den Vorhersagen über das Wirtschaftswachstum sind." Er beschreibt die jährliche Aufteilung der Mittel als "zur Hälfte für Sold, Gehälter und Pensionen, ein Viertel für laufende Operationskosten und ein weiteres für Anschaffungen, Entwicklungs- und Modernisierungskosten."

Als Mitte 2002 schwere Hochwasser die Tschechische Republik (und Österreich und Deutschland) heimsuchten, war nationaler Katastrophenschutz plötzlich in aller Munde. Angesprochen auf das Beispiel Österreich (wo viele tausend Wehrpflichtige in den Schlamm geschickt werden konnten), bekräftigt Gen.Lt. Stefka dass "trotz dieses guten Beispiels unsere Streitkräfte Priorität haben, zuerst Landesverteidigung und unsere Verpflichtungen im NATO-Bündnis zu erfüllen." Er bestätigt aber, dass "gerade die Sicherstellung des nationalen Katastrophenschutzes wirklich eine Herausforderung war, um abzusichern dass eine vergleichsweise kleine Berufsarmee hier reagieren könne. In diesem Aspekt braucht die Bevölkerung aber jene Armee am meisten." Er versichert aber, dass " die ACR auch weiter fähig sein wird, einige Rettungs-Stützpunkte mit Material zu unterhalten, Helikopter in Bereitschaft zu halten und im Falle einer Naturkatastrophe binnen einer Stunde 1.000 Mann spezialisiertes Katastrophenschutzpersonal verfügbar zu haben. Weitere 1.200 sind (in einer Zweitrolle) jeweils einen Monat in das republikweite, integrierte Rettungssystem aus Armee, Polizei, Feuerwehr und Ambulanz integriert." Außerdem verweist Stefka auf "das neue Konzept der freiwilligen Nationalgarde, die direkt den lokalen Bezirkshauptleuten unterstellt ist und jeweils 150 Mann mit Ausrüstung bereithält. Und die lokal betroffenen, stehenden Einheiten anderer Art werden ja dann wohl auch vom Essen aufstehen, oder? Ich denke daher, dass mit diesen Kombinationen auch eine kleinere Armee fähig ist, angemessen auf größere nationale Notfälle zu reagieren."

2003 hat die tschechische Republik auch die Beschaffung von Jagdflugzeugen weiter voran getrieben, "obwohl der ursprüngliche Plan Saab Gripen zu kaufen von den Hochwassern 2002 verhindert wurde," so erinnert Stefka. Seitdem wurde ein neuer Tender über Leasing-Flugzeuge abgehalten und "obwohl ich nicht in jenen eingebunden war und diese Auswahl weit über die Verantwortlichkeit oder Anforderungen der Streitkräfte geht, haben wir ganz klare Überlegungen über technisch-taktische Erfordernisse und auch Finanzierungsdetails an die Bieter übermittelt. Wie Sie wissen, haben wir sehr interessante Offerte für Gripen, F-16 und F/A-18 erhalten, jedes dieser Muster ist für uns tauglich." Stefka fährt fort zu erklären, dass "die Evaluierungskommission, bestehend aus Bediensteten verschiedener Ministerien und dem stv. Generalstabschef Pupis, der politischen Ebene lediglich Empfehlungen geben kann, dort ist die Letztentscheidung zu finden. Wir bezeichnen alle dieser erwähnten Muster als empfehlenswert um die dringende Verhinderung eines "Loches" in unserer Luftraumkontrolle nach 2005 zu verhindern, wenn unsere letzten MiG-21 ausgemustert werden."
Am 17. Dezember 2003 hat eine Kabinettsitzung in Prag den Saab JAS-39 Gripen als Sieger der Ausschreibung bekannt gegeben. Im Rahmen der tschechischen Preisvorstellungen sollen 12+2 Gripen für 10 Jahre geleast werden, die Vertragsverhandlungen wurden am 8. Jänner d.J. aufgenommen und sollen bis Ende Februar dauern.

Gen.Lt. Stefka erläutert die Bewertung bzw. Gewichtung der Beschaffung indem er hinzufügt, "dass diese Jagdflugzeuge heute vielleicht das Schlüsselelement für Nationen ohne Seezugang sind, um ihre nationale Souveränität zu demonstrieren und zu handhaben - ob sie in einer Allianz sind oder nicht." Er drückt auch seine "besorgt-amüsierte Beobachtung von Ideen aus, aktive, nationale Luftraumkontrolle mit Überschallflugzeugen abzugeben, zu verschmelzen oder einzustellen - oder gar auf eine gemeinsame europäische Lösung dafür zu warten." Stefka wagt die Vorhersage, dass es "obwohl man solche billigen, populistischen Ideen auch in unseren Nachbarländern hört, keine ernsthafte Regierung gibt die die Entscheidung z.B. ein nicht-korrespondierendes Flugzeug über seinem eigenen Territorium abzuschießen, einfach delegieren wird. Er erwähnt in diesem Zusammenhang das neue deutsche Luftfahrt-Sicherheitsgesetz und erinnert daran, dass "sogar während des letzten NATO-Gipfels in Prag, als wir USAFE F-16 als Hilfe zur Sicherstellung der Luftdeckung heranzogen, die letzte Entscheidung immer bei uns lag. Ein Staat - mit Ausnahme von Kleinstaaten - der das einfach abgibt hört nahezu auf, ein solcher zu sein."

Während Gen.Lt. Stefka bestätigt, dass es wahr ist dass "budgetäre Zwänge die tschechische Luftwaffe zwingen, die Anzahl operationeller L-159 von ursprünglich 72 auf 24 herabzustufen", kommt noch ein Material-Problem auf die Fliegerkräfte zu. "Das ist das weitere Schicksal der Erhaltung unserer Mi-8/-17 und Mi-24 Hubschrauber. Viel ist über die Effizienz des Mi-24 als Panzerabwehr- und Angriffsplattform geschrieben worden. Dieses Gunship ist einzigartig und seine Fähigkeiten werden wieder wichtiger, wie sich der Kampf gegen verschiedene Arten internationalen Terrors intensiviert. Außerdem", so Stefka, "ist es einer der schnellsten Hubschrauber der Welt." Er fügt an, dass "wir in der Sache Mi-24 mit Polen, Ungarn und der Slowakei vereint waren. Während es zuerst vereinbart war, dass Polen verantwortlich für die Schaffung eines Prototypen und die Planung war, ist dieser gemeinsame Zugang 2003 gescheitert, unsere Nationen konnte sich nicht auf die Bedingungen einigen. Nun ist es vereinbart," so Stefka, dass "jedes Land seinen eigenen Prototypen baut, unser nationales Ziel - unter Beiziehung von LOK Praha-Kbely - ist nun die Modernisierung von 18 Maschinen. Diese werden NATO-einmeldefähig sein und wir wollen diese, inklusive sieben Stück welche kürzlich gegen Schuldentilgung aus Russland zugelaufen sind, bis 2015/2020 nutzen." Der Stabschef schließt aber an, dass "in Wahrheit alle unsere Hubschrauberkräfte modernisiert oder ersetzt werden müssten. Das wird in einigen Jahren steigend notwendig werden."

Gen.Lt. Stefka schließt mit den Worten: "Ich danke Ihnen für die fundierte Fragestellung und wünsche Ihnen interessante Erfahrungen hier im Irak."

Georg MADER, JDW-Correspondent, Basrahh, Iraq

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