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Airlift nach Basrah
airpower.at besuchte das tschechische 7. Feldhospital im Südirak

Ursprünglich wurde das tschechische 7. Feldhospital im Emirat Kuwait errichtet, zur Unterstützung der lokalen Bevölkerung im Falle eines Gegenangriffs des Irak auf den kleinen Golf-Anrainerstaat.
Der endgültige Zusammenbruch des irakischen Gesundheitssystems nach dem Angriff der Koalition führte zur Verlegung des Spitals nach Basrah im Süden des Iraks.
Martin Rosenkranz besuchte für www.airpower.at, auf Einladung der tschechischen Botschaft in Wien, das 7. Feldspital am Stadtrand von Basrah.

Anfang November wurde uns die Möglichkeit eines Besuches des Feldspitals in Basrah in Aussicht gestellt. Nach erfolgter Bestätigung und Bekanntgabe des Termins begannen unsererseits die Vorbereitungen. So traten wird mit dem Ersuchen um Leihgabe von Helm und Splitterschutzweste an das BMLV heran, dass zu unserer Überraschung ganze "Kriegsberichterstatter-Schutzausrüstungssätze" zur Verfügung stellt. Diese besteht aus Kevlarhelm, Splitterschutzweste, Feldmesser, Feldflasche samt Desinfektionstabletten und ABC-Schutzausrüstung inkl. Kampfstoffnachweispapier und Atropininjektoren - und kostet knapp über EUR 3,- Miete pro Tag. Die Einschulung samt einiger praktischer Tipps erhielten wir von Olt. Traxl in der ABC-Abwehrschule in Korneuburg.

Solcher Art vorbereitet ging es am 21. November vorerst nach Prag wo frühmorgens am 22.November eine Tu-154M der tschechischen Luftwaffe nach Basrah abhob.
An Bord befanden sich neben dem tschechischen Generalstabschef Lieutenant General Pavel Štefka samt Personenschutz, tschechischen Soldaten sowie tschechischen und österreichischen Journalisten auch knapp 20 irakische Kinder samt erwachsener Begleitperson, die in tschechischen Spitälern komplexe Operationen erhalten hatten.

Schon der Flug war recht interessant, führte er doch von Norden quer über den ganzen Irak. Bei bestem Wetter gab das nicht nur schöne Aussichten auf die wilde Landschaft Kurdistans und des Zweistromlandes sondern ermöglichte auch ungewöhnliche Ansichten auf die großteils militärischen Flugfelder des Irak (LINK).


Das Cockpit der Tu-154M gerammelt voll. Neben der Standard-Crew bestehend aus Pilot, Copilot, Ingenieur und Navigator war auch noch ein britischer Navigator für den irakischen Luftraum anwesend.
Foto: Martin Rosenkranz

Der Arbeitsplatz des Ingenieurs. Er überwacht in der Tu-154M Triebwerke, Treibstoff und Hydraulik.
Foto: Georg Mader

Die Passagierkabine der Tu-154M war spärlich besetzt.
Foto: Georg Mader

Jede Menge Platz in Basrah. Außer ein paar britischen Hubschraubern und zweier Transportmaschinen war die Ramp gähnend leer.
Foto: Martin Rosenkranz

In Basrah angekommen geht es ab in den Bus - und den Kollegen, die uns vorher wegen unserer Helme und Schutzwesten belächelt haben, vergeht jetzt das Grinsen - sie bekommen selbiges vor dem Einsteigen. Jaja - die Gegend ist nicht ungefährlich.
Die Fahrt ins Camp im Westen der Stadt dauert eine viertel Stunde und geht vorbei an mehreren mühsam zu durchfahrenden Straßensperren, vorbei an offensichtlich für Fahrzeuge ausgehobenen Stellungen und an abgeschossenen Tanks.
War die Gegend am Flughafen noch menschenleer so ändert sich das am Stadtrand. Busse, LKW's und PKW's bevölkern die Strasse, zwischen den Häusern gehen Menschen ihren Geschäften nach und spielen Kinder im Sand. Auf jeder Straßenkreuzung Militärpolizei.
Das Feldhospital gleicht einer Festung. Rundherum bis in Kopfhöhe Stacheldraht, an den Ecken Wachtürme und Scharfschützen am Dach des Gebäudes im inneren des Perimeters. Das Blechtor wirkt von außen wenig stabil - doch die Tschechen haben vorgesorgt. Parallel mit dem Tor fährt im Inneren des Lagers ein vierachsiger "SKOT"-Radpanzer auf und ab. "Den kann nicht mal ein LKW voll Sprengstoff wegblasen" gibt sich ein tschechischer Soldat überzeugt und lächelt.


Foto: Martin Rosenkranz

Unsere Eskorte passiert den Checkpoint beim verlassen des Flughafengeländes.
Foto: Martin Rosenkranz

Die Randbezirke von Basrah
Foto: Martin Rosenkranz

Tagsüber läuft der Verkehr, des Nachts wird geschossen.
Foto: Martin Rosenkranz

Hinter dem dürftigen Blechtor fährt ein SKOT-Radpanzer auf und ab,...
Foto: Martin Rosenkranz

der dafür Sorge trägt, dass kein Fahrzeug ohne Erlaubnis ins Lager-Gelände einfahren kann.
Foto: Martin Rosenkranz

(oben) Die Wohnzelte stehen im Lager dicht an dicht.

(rechts) Tschechischer Wachposten mit Dragunov Scharfschützengewehr.
Fotos: Martin Rosenkranz

Im Lager gibt es noch mal einen inneren Wall. 1,5m hohe Drahtkörbe gefüllt mit Sand und Steinen bilden noch mal eine massive Sperre. Obendrauf ein Tarnnetz - wenn jemand von außen etwas ins Lager werfen möchte, fällt es zwischen die äußere und innere Begrenzung.
Das Lager selbst ist zusammengestellt aus Containern und Zelten.
Herzstück des Lagers bilden das aus aneinadergestellten Zelten und Container gebildete eigentliche "Spital" sowie der Küche/Speisesaal-Komplex, die Blechhalle ist gleichzeitig auch das einzig festere Gebäude hier im Lager.


Ein ehemaliges Militärspital in der Nachbarschaft ist das höchste Gebäude in der Umgebung und dient der Wachmannschaft als Plattform um einen guten Überblick über das Lager und die Umgebung zu bekommen.
Foto: Martin Rosenkranz

Die im Lager verlegten Leitungen sind mit Sandsäcken geschützt.
Foto: Martin Rosenkranz

Zwischen Splitterschutzwällen und Containern stehen die Fahrzeuge in Bereitschaft.
Foto: Martin Rosenkranz

Die Militärpolizei steht in Einsatzbereitschaft während im Lager einer offiziellen irakischen Delegation eine Wasseraufbereitungsanlage übergeben wird.
Foto: Martin Rosenkranz

Wachen überall.
Foto: Martin Rosenkranz

Übergabe einer Wasseraufbereitungsanlage als humanitäre Spende.
Foto: Martin Rosenkranz

Schnell sind die Eckdaten des Lagers aufgezählt. 130 Männer und Frauen arbeiten im und für das Spital - alles Soldaten. Sie haben rund 10.000 Menschen kostenlos versorgt, die überwiegende Mehrheit irakische Zivilisten, natürlich auch Militärpersonal der Alliierten. Davon wurden etwa 4.000 unterschiedlich lange stationär behandelt. Es gab rund 120 Operationen in den, mit zwei Teams rund um die Uhr verfügbaren, beiden Container-OP's. Und man hat etwa 25 "Evakuierungen" durchgeführt - primär Kinder mit angeborenen Herzfehlern die mit Begleitperson nach Prag geflogen und dort schwierigen Eingriffen unterzogen wurden. Unter dem Strich entstanden rund 16 Millionen Euro Kosten für den tschechischen Steuerzahler.

Und an all diesen Daten wird sich auch nicht mehr viel ändern, denn das Spital zieht ab. Einerseits funktioniert die ärztlich Versorgung in Basrah wieder einigermaßen - zumindest für diejenigen die es sich leisten können, denn dort müssen die Patienten sogar für ihr Trinkwasser zahlen. Andererseits gibt es bereits Ungemach bei der örtlichen Ärzteschaft, da das tschechische Spital kostenlos anbietet womit die irakischen Ärzte vor Ort ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen - das schafft Konfliktpotential. Unter dem Vorwand man hätte im Spital den Koran verunglimpft wurde vor dem Spital demonstriert. Nach der politischen Entscheidung die Mission aus Kostengründen zu beenden wurde auf einmal gegen den Abzug demonstriert.
Das Personal ist darüber recht froh. Aus Sicherheitsgründen und weil es soviel Arbeit gab haben die meisten monatelang das Lager nicht verlassen - das zehrt an den Nerven. Zudem wird die Sicherheit schlechter. Seit die US-Truppen damit begonnen haben im Süden (eigentlich britischer Sektor) eine offenbar für länger Zeit gedachte Basis einzurichten, regt sich auch hier der Widerstand.


Zum Appell angetreten.
Foto: Martin Rosenkranz

Womit sich tschechische Berufssoldaten ihre spärliche Freizeit im Lager vertreiben.
Foto: Martin Rosenkranz

Auf die Frage was den gut und was weniger gut funktioniert hätte, gibt mir ein Arzt nach kurzem Nachdenken Auskunft. Wirklich toll war das Labor meint er. Bei wirklich schwierige Fälle mit oftmals multiplen Problemen - Infektionen, Viruserkrankungen, Mangelkrankheiten etc. - war das eine echte Erleichterung, immer schnell und Umfassend eine Analyse zu bekommen mit der man arbeiten kann.
Schwierig, aber mit Dolmetscher in den Griff zu bekommen, sei die Kommunikation mit den Patienten gewesen.
Schmerzlich vermisst hat man einen Augenarzt, das hat sich irgendwie nicht arrangieren lassen, aber der muss nächstes Mal auf jeden Fall mit. Und - ein kulturelles/religiöses Problem - Ärztinnen für weibliche Patienten, wenn so wie hier der Umgang zwischen den Geschlechtern gewissen "Reglements" unterliegt.
Aus der Sicht eines Militärarztes von besonderem beruflichen Interesse waren natürlich Schuss-Verletzungen und andere Kampfmitteleinwirkungen. "Von Gefechten" frage ich ? Nein, nein - das sind hier "Alltagsverletzungen". Beinahe jeder hat hier Schusswaffen, pro Familie ist sogar ein Gewehr zum Selbstschutz erlaubt. Waffen die oft nur zur Freude in die Luft bei Festen oder ähnlichem. Und irgendwo kommt das Zeug eben wieder runter - und zeigt mir Löcher im Zeltdach des Spitals - wir finden sie später auch in unserem Wohnzelt.
Auf einem Computer zeigt er uns die schwierigsten Fälle. (LINK)


Der OP-Container wurde hermetisch versiegelt nach Basrah gebracht. Der allgegenwärtige Staub ist das größte Problem der Ärzte.
Foto: Martin Rosenkranz

Trockentraining im OP. An einem Spitalsmitarbeiter wird der Ablauf einer Operation geübt.
Foto: Martin Rosenkranz

(oben) Die jüngsten unter den Patienten des Feldspitals haben sich mit einer Zeichnung und Autogrammen beim Personal bedankt.

(rechts) Die letzten beiden irakischen Patienten. Sie werden mit dem Flug zurück nach Prag zur Behandlung in ein tschechischs Spital überstellt.
Fotos: Martin Rosenkranz

Inzwischen ist es spät geworden, wir gehen in den Speisesaal Abendessen. Die Versorgung des Spitals erfolgt von Kuwait aus, dort kann alles in benötigter Menge und Qualität eingekauft werden.

Es ist stockdunkel als wir schließlich unser Zelt aufsuchen um zu schlafen. Und das - uns vorangekündigte - "Feuerwerk" findet statt. Aus verschiedenen Richtungen, aus der näheren und ferneren Umgebung ist das rattern automatischer Waffen zu vernehmen. Einen Grund dafür können wir nicht ausmachen. Das ist ganz normal hier wird uns erklärt, jeden Abend wird geschossen- aber hier im Lager sind wir sicher.
Wir verkriechen uns in unser Zelt, legen uns nieder und versuchen zu schlafen. Die unrhythmische Ballerei macht mir dabei weit weniger aus als die Kälte die inzwischen ins Lager gekrochen ist. Unter Tags hatte es noch über 20°C, jetzt sind die Temperaturen am Gefrierpunkt und es gibt in diesem Zelt keine Heizung.

Die nächste MP-Patruille macht sich fertig.
Foto: Martin Rosenkranz

Einer der Wachposten am äusseren Perimeter des Lagers.
Foto: Martin Rosenkranz

Schnell wird es dunkel in Basrah, Beleuchtung gibt es kaum.
Foto: Martin Rosenkranz

Irgendwer wacht immer über das Lager.
Bei Tageslicht mit Sonnenbrillen,
bei Dunkelheit mit Nachtsichtgläsern.
Foto: Martin Rosenkranz

Sehr früh am Morgen heißt es aufstehen. Unmittelbar nach dem Frühstück ist schon Abfahrt zum Flughafen. Zu Mittag werden wir schon wieder in Prag sein.

In einem Zick-zack-Kurs fährt der Konvoi aus der Stadt. Niemand soll Gelegenheit haben auf einer offensichtlichen Route eine Falle zu stellen. Auf der Anfahrt zum Flughafen geht es an abgeschossenen Panzern vorbei. Verlassene ausgehobene Stellungen deuten darauf hin, dass hier eine größere Einheit eine Defensivposition eingenommen hatte. Am Vorfeld des Flughafens heißt es ungefähr eine dreiviertel Stunde warten bis das Gepäck verladen ist, was uns Gelegenheit gibt ein paar Fotos zu schießen. Man kann sich hier vollkommen frei bewegen solange man niemand im Weg steht oder offensichtlich gesperrte Bereich betritt. Eine außer Betrieb befindliche Fluggastbrücke dient uns als Aussichtsplattform. Ein Stückchen weiter oben auf der Platte wird eine Il-76 entladen und auf Höhe des Towers macht eine britische Einheit mit einer C-130J ein Abschiedsfoto. Auch wir verabschieden uns von Basrah und fliegen zurück nach Europa.

Interview mit Generalleutnant Pavel STEFKA

Während des Rückfluges führte Georg Mader ein ausführliches Interview mit Generalleutnant Pavel STEFKA, dem Chef des tschechischen Generalstabes Das Gespräch ist auch aus österreichischer Sicht nicht uninteressant, weil das tschechische Militär vor ähnlichen Herausforderungen steht wie das Östereichische. In der Tschechischen Republik hat man sich zu einem NATO-Beitritt und zum Abschied von der Wehrpflicht hin zur Berufsarmee entschieden. Finanziell kämpft man wie in Österreich mit den Kosten der laufenden Operationen sowie der Streitkräftemodernisierung. (LINK).


Ein Wegweiser nach Hause - diesmal auf tschechisch.
Foto: Martin Rosenkranz

Die Überreste des Krieges rosten in der Wüste.
Foto: Martin Rosenkranz

Ein ausgebrannter T-55
Foto: Martin Rosenkranz

Diesem BMP-1 hat es den Geschützturm abgerissen.
Foto: Martin Rosenkranz

V.l.n.r: Martin Rosenkranz, www.airpower.at; Georg Mader, JDW; Tom Cooper, www.acig.org
Foto:

Der Basrah International Airport ist nahezu verlassen.
Foto: Martin Rosenkranz

(oben) Eine Ilyushin 76 wird auf der Ramp entladen.

(links) Der Personenschutz von Gen.Lt. Stefka besticht mit durchaus ungewöhnlichem auftreten.
Fotos: Martin Rosenkranz


Eine Fluggastbrücke dient als Aussichtsplattform.
Foto: Martin Rosenkranz

Abschiedsfoto mit der Herkules.
Foto: Martin Rosenkranz

Martin Rosenkranz