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"GOD IS MY CO-PILOT !"
Ein gebürtiger Niederösterreicher über Vietnam...

Interessante Zufallsbekanntschaft – wegen eines Sqn.-Badge !
Foto: Ghostriders-Comrade

‚Ghostriders’-Re-Union in einer der Schiffs-Bars...
Foto: Georg Mader

Doppelhochzeit als Sprungbrett in die „Neue Welt“...
Foto: Archiv Fritsch

Es soll ja vorkommen, dass man fern der Heimat österreichische Landsleute trifft. "Mei, wie nett." Es soll aber auch vorkommen, dass man dann ‚pre-emptive' das Weite sucht und sogar australische Hüpfbewegungen macht, nur um sich von Peinlichkeiten abzugrenzen - speziell in englischsprachiger Umgebung.

Die folgende Geschichte ist ein warmherziges Gegenbeispiel dessen. Damit sie überhaupt passieren konnte, muss ich mich zuerst bei der ‚Blackhawk'-Staffel in Langenlebarn bedanken. Hätten die Mannen um die Kameraden Doppler und Sandtner nicht 2003 ein schwarzes Polo-Shirt mit dem Staffelwappen und dem Ärmelband ‚Crew' angeboten - meine österliche Karibik-Kreuzfahrt wäre zwar genauso angenehm, aber eben nicht so nett zu Ende gegangen.

Letzter eiliger Tag an Bord, Rückfahrt von Mexiko nach Miami. "Jessas, Du bist a Esterreicher - a esterreichischer Pilout !" ruft mich plötzlich die Stimme von Frank Stronach beim Frühstück an, zumindest klingt es ganz genauso. Ein älterer Passagier mit US-Veteranen-Hat und Hubschrauber-T-Shirt ist vom Tablett aufgesprungen und kommt mit einem zweiten Herrn mit ausladendem Schritt auf mich zu. Er hätte mein Shirt gesehen - wie "crazy" dass da ein "esterreichischer Pilout" sei und so "a fescha guy" noch dazu. "Mei, unsere Forbn auf dem Badge und Blackhawks hobts ia a schon, thaat is great..!" Alle Einwände nützen nichts, von einem Luftfahrtjournalisten hat der nette Man offenbar noch nie was gehört, er zerrt mich und meine Frau zu seinem Tisch.

Wir setzen uns und er beginnt sogleich zu erzählen, ja zu sprudeln. Wenn man die Augen schließt klingt das wie eine Mischung zwischen Schwarzenegger und Stronach. Aber je mehr ich zuhöre, ja auch innerlich aufmerksam werde - ja der Mann weint, steht immer wieder auf und drückt mich an die Brust - desto mehr bin ich gefesselt, meiner Frau geht's nicht anders. Da sitzt ein wahrhaft seltener Landsmann, den sein Lebensweg und seine ‚Dedication' vom Schüler im besetzten Loosdorf (zwischen St. Pölten und Amstetten) bis in den Pilotensitz eines ‚Huey' "und eine' into Khe San, A Shau und ‚Hamburger Hill'" geführt hat. Von einer Kindheit bei Großeltern an der Westbahn bis zu ‚Camp Evans', hot landing zones und Doors-tapes…! Jetzt sind wir es, die große Augen haben…

Unserer Zufallsbekanntschaft Grund seiner Kreuzfahrt ist eine sog. ‚Re-Union' seiner Vietnam-Veteranen, seine ‚Buddies'. Er lädt uns für nachmittag dazu ein, in eine Bar des Schiffes, wir gehen hin. Er stellt mich vor, wieder muss ich korrigieren dass ich kein österreichischer Heeresangehöriger bin - aber ‚very close', erkläre ich. Lauter ältere Herren, zum Teil in kurzen Hosen und mit Zopf, das sind die Vets der A-Kompanie des 158th Assault-Helicopter Battalion der berühmten 101st Airborne, Tour of Duty 1970/71. Bilder von "Apocalypse Now" und "Platoon" gehen mir durch den Kopf. Fast alle dürften Computer- und Online-versiert sein, man diskutiert leidenschaftlich die Vor- und Nachteile von sog. 'clickable rosters' (online-Angehörigen-Verzeichnisse) vs. Datenschutz- und SPAM-Nachteilen. Günther verspricht danach noch, alles über ihn und seinen Weg zu schicken, der Abschied ist wieder sehr emotionell - ich erlebe mich irgendwie als Synonym für eine versunkene Heimat. Da wäre "immer ein Bett und ein Barbecue" wenn man mal nach New Jersey käme…. Und er ist tatsächlich übereifrig, seit der Rückkehr bekomme ich Mails und zwei dicke Kuverts. Deren Inhalt erlaubt es mir jedenfalls, unsere (Drehflügler)-Community auf airpower.at an den Details dieses Zufalls detailliert teilhaben zu lassen…:

Günther K. Fritsch ist am 29. April 1945 geboren, seinen Vater - SS-Mann in einer Polizeieinheit 'Schlesien' - lernt er nie kennen, der fällt im November 1944 an der Ostfront. Günther wächst überwiegend bei seinen Großeltern auf, der Opa ist Bundesbahner in Loosdorf. Seine Mutter arbeitet in Wien, Zürich und sogar in Südafrika. 1952 heiratet sie wieder, einen US-Soldaten aus New Jersey. Es wird eine Doppelhochzeit, denn ihre Schwester Susi, Günthers Tante, heiratet gleich auch den Bruder des Amerikaners, ebenfalls ein GI. Der eine ist fortan ‚Daddy' der andere ‚Uncle Chris'. Die Familie fährt mit US-Armeefahrzeugen zur Tafel in ein Lokal im Wienerwald.

Bald danach verlassen die beiden Bräute mit ihren Ehemännern das besetzte Österreich Richtung Neue Welt - wie wohl viele tausend junge Mädchen. Günther bleibt bei den Großeltern zurück. Nicht etwa vernachlässigt, nein. Seine Mutter muss in den USA die Basis für einen Nachzug schaffen. Als ein Haus in New Jersey fertig ist, wird Günther mit 14 Jahren nach Amerika geholt. Er verlässt Loosdorf und die geliebten Großeltern am 15. März 1959.

In den USA besucht Günther von 1959 bis 1962 die High-School, dann meldet er sich - gerade 17 Jahre alt - zur US-Army. Er dient bis 1966 bei verschiedenen ‚Nike-Hercules' Luftabwehr-Batterien (System MIM-14 von 1953 bis 1974) in verschiedenen US-Bundesstaaten (200 sites in ganz USA). 1968 meldet er sich zur US-Army ‚Flight-School' und wird im Verlauf Offizier. 1970 meldet sich Fritsch schließlich freiwillig nach Vietnam. Gefragt warum gerade dieser Weg, lacht Günther und meint: "Das wor einfach meine Expreschn der tiefen Dankbarkeit. Dankbarkeit für die Veteranen des 2. Weltkrieges, die Deutschland und meine Heimat Österreich befreit haben. Die haben es möglich gemacht, dass ich und meine liebe Mutter hier in Amerika leben können, in Freiheit! Amerika ist ‚the Land of Freedom', der Selbstbestimmung, ohne solche olte Nazi oder Roten wie in Österreich als ich wegging. Da musste ich natürlich auch meinen Teil leisten…!" (Jetzt erinnert er mich aber wieder irgendwie schwer an Arnie…)


Der Lebensweg der Mutter – Synonym für eine Abnabelung von den Wirrnissen der „Alten Welt“...
Foto: Archiv Fritsch

Foto: Archiv Fritsch

Foto: Archiv Fritsch

Dabei kommt sein ‚Return on America' - in meinem Rückblick - zu keinem irgendwie verklärbaren Zeitpunkt. Günther bestätigt das - zum Teil:

1970 - "Ka guates Johr derwischt..."

Es ist in Vietnam ein Jahr des Stillstandes, its "holding the line". Nach seiner Wahl beginnt Präsident Nixon seine Politik des langsamen Ausstieges aus dem - seit dem Schock der Tet-Offensive 1968 - immer unpopuläreren Krieg. Ziel ist es nun, die südvietnamesische Armee (AVRN) stufenweise aufzubauen, damit sie den Krieg eigenständig führen und dem Norden standhalten kann. In Bezug auf Vietnam wird diese Nixon-Doktrin ‚Vietnamization' genannt. In dieser Periode beginnen die USA, nach und nach ihre Truppen aus Vietnam abzuziehen. Allerdings fallen immer mehr amerikanische Soldaten und am 4. April demonstrieren 50.000 US-Bürger in Washington gegen den Krieg. Am 29. April beginnen US- und AVRN-Truppen mit Operation "Toan Thang 42" gegen den Ho-Chi-Min Pfad und Nachschubbasen der Nordvietnamesischen Armee (NVA) innerhalb Kambodschas. Diese bis dahin größte Operation vereint 42 US- und 37 ARVN-Battalione mit dem Ziel, Vietcong- und NVA-Truppen in diesem Bereich zu zerstören. Beide Seiten missachten die Neutralität dieses Landes, dem das Schlimmste aber noch bevor steht. Im Mai wird daraus schon eine echte Boden-Invasion, die aber - obwohl militärisch überaus ‚erfolgreich' mit schweren Verlusten für Hanoi - die USA daheim fast zerbrechen lässt. Nach offiziellen Erhebungen verloren die kommunistischen Truppen insgesamt 7.645 Soldaten. Dem stehen 440 gefallene US Soldaten gegenüber. Bei erneuten Demonstrationen gegen diese ‚Eskalation' werden in den USA vier Studenten der Kent State-University von überforderten Ohio-Nationalgardisten erschossen. In Vietnam hat die (Boden-)Truppe ein steigendes Drogenproblem, immer mehr GIs können ohne lokales Heroin und Marihuana nicht mehr. Obwohl es immer wieder Beispiele großer Tapferkeit, superber taktischer Umsicht und laufend technische Innovationen gibt, herrscht allgemein das Gefühl dass alles Gefüge auseinander fällt.

Die Einheit zu der Günther - nach seiner ‚Flightschool-Matura' - nach seiner Ankunft in Kameran-Bay kommt, gehört zur berühmten 101st Airborne. "Des ‚Screaming Eagle'-Badge hat mir so gefallen," meint er in einem Mail. Er wird - so wie ca. 40.000 (!) Männer - Pilot auf Bell UH-1D (später -H) und OH-6A bei der A-Company des 158th Aviation Battalion AHB (Assault Helicopter), den sog ‚Ghostriders'. Die Einheit wurde am 25. Juli 1968 mit dem Befehl Nr. 244 in Ft. Carson, Colorado, aufgestellt, im Rahmen der 160th Aviation Group, der ‚Divisionskavallerie' der 101. Jene Group bestand aus den beiden AHBs 101st und 158th und dem 159th AHSB (Assault-Support) Erster Kommandant des 158th war Mjr. Maurice Dougherty (‚Nanook'), welcher dann beim ersten Helikopter-Angriff auf Dong Ap Bia (‚Hamburger Hill') im A Shau Tal schwer verwundet wurde. Es war erst drei Jahre her, dass die 101ste mit der Einsatzdoktrin der offensiven ‚Airmobile-Intrusions' in schwer verteidigte Feindgebiete begonnen hatte (siehe Mel Gibson's "We were soldiers"). Das Training begann am 9. September 1968. Während das HQ und die Kompanien A, B (‚Lancers') und D (‚Redskins' = AH-1) in Ft. Carson ausbildeten, blieb die C-Company (‚Phoenix') in Ft. Riley. Im Februar 1969 verlegte das Battalion mit ca. 25 Hueys pro UH-1Kompanie und 12 AH-1 nach Kameran-Bay, Vietnam. Dort blieb es bis Jänner 1972. Die Einheitsgeschichte erreicht unsere Zeit als 160th ‚Special-Ops.-Group' im Rahmen von ‚Iraqi Freedom'.

Ein jugendlicher ‚Red-Baron’ erblickt Camp Evans. „What a long way from Loosdorf…”
Fotos: Archiv Fritsch

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