Während der dreißig Dienstjahre, welche die A-10 in der US Air Force (USAF) bisher absolviert hat, wurde das Flugzeug viel mehr gelitten als gemocht. In der Glitzerwelt der Überschalljockeys war sie das Ziel übler Scherze und man spottete, das sei der einzige Jet der sich Birdstrikes von hinten einfängt - und sei im modernen Gefecht nicht überlebensfähig. Nicht nur einmal ist die A-10 knapp dem Rotstift entgangen. Doch während jene Jets, die man der A-10 immer vorzog jetzt im Zuge des Sparprogramms endgültig abgestellt werden, um sich neue F-22 und F-35 leisten zu können, wird keine einzige A-10 auf die "Bonejards" geschickt. Im Gegenteil. Alle 356 A-10s im USAF Inventar sind für das "Precision Engagement" Update vorgesehen und zum ersten mal seit 20 Jahren gibt es keinen Zeitplan fürs abstellen des Warzenschweins. Tadellose Leistungen im Gefecht - angefangen vom Golfkrieg 1991 bis in die aktuellen Konfliktherde in Afghanistan und Irak - sind die Grundlage dafür, dass die A-10 vom "hässlichen Entlein" zur "magischen Prinzessin" der USAF mutiert ist.
Martin Rosenkranz blickt für www.airpower.at auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der "Fairchild A-10 Thunderbolt II".
Close Air Support - das Stiefkind der USAF
Geboren in einer Zeit in der die "Fighter Mafia" mit Hilfe ihrer "Energy Maneuverability Theorie" Super-Kampfjets wie F-15 und F-16 ersonn war die A-10 die Antithese schlechthin. Irgendwie ein Teil aus einer anderen Welt.....einer vergangenen Welt.
Dass sich die USAF überhaupt die A-10 antat begründet sich im Key West Agreement von 1948. Nachdem 1947 die US Air Force als unabhängige Teilstreitkräfte aus der US Army Air Force erschaffen wurde regelte dieses Abkommen welche Luftkapazitäten die einzelnen Teilstreitkräfte unterhalten durften. Während der US Navy eine eigene Luftstreitmacht zugestanden bekam um damit maritime Operationen durchführen zu können, musste die US Army sämtliche Luftkapazitäten mit Ausnahme von Aufklärungsmitteln und Medevac-Kapazitäten aufgeben.
Die US Air Force bekam alle strategischen, taktische und logistischen Aufgaben zugewiesen.....musste aber der Army zusichern auch für die Luftnahunterstützung (CAS bzw. Close Air Support) der Bodentruppe Sorge zu tragen.
Nachdem sich in Vietnam die Verwendung von Überschalljets wie F-100, F-4 und F-105 für Aufgaben im Rahmen des CAS als ungeeignet erwiesen, übernahm die US Air Force einige A-1 Skyraider von der Navy für diese Aufgaben. Obwohl deren Design auf die Zeit des 2WK zurückging und die A-1 als zu alt und zu langsam angesehen wurde, bewährte sich das robuste Flugzeug in Südostasien bemerkenswert gut.
Der beste Jagdbomber aller Zeiten
In Folge wurde die US Air Force von der US Army und den US Marines praktisch erpresst und musste eine Ausschreibung für ein modernes CAS-Flugzeug starten um die Verantwortung für diese Rolle nicht an die anderen Teilstreitkräfte zu verlieren.
Die AX-Ausschreibung ("Attack Experimental") ging an - heute unvorstellbare - 21 Flugzeugfirmen und verlangt nach einem preiswerten Flugzeug mit einer einfachen aber robusten Struktur welches viele Waffen tragen und viele Schäden wegstecken konnte, im niedrigen Geschwindigkeitsbereich extrem agil sein sollte und max. 4.000ft Landebahn benötigen durfte.
Im Mai 1970 wurde die Ausschreibung verfeinert und erging an 12 verbliebenen Bewerber. Diese sah eine erwartete Produktion von 600 Maschinen zu einem Fixpreis von je nur FY70-US$ 1,4 Mio. zuzüglich einer genehmigten Inflationsrate von 15% p.A. Boeing, Chessna, Fairchild-Republic, General Dynamics, Lockheed und Northrop legten ihre Offerte. Northrop (YA-9) und Fairchild-Republic (YA-10) wurden letztendlich beauftragt je zwei Prototypen für ein Fly-off zu bauen welches vom 10. Oktober bis 9. Dezember 1972 stattfand.
Parallel dazu wurde eine zweite Ausschreibung initiiert - ihr Ziel war die Entwicklung des schwersten Bordgeschützes welches je in einen Kampfjet eingebaut worden war. General Electric und Philco Ford entwickelten unabhängig von einander eine 7-läufige bzw. eine 6-läufige Gatling-Kanone im Kaliber 30mm. Während dessen lizenzierte Hughes zur Risikominimierung die Oerlikon 304RF-30.
Am 18. Jänner 1973 wurde die Fairchild-Republic YA-10 zum Sieger erklärt. Den Ausschlag gab der einfachere Zugang zu den Waffenstationen unter dem Flügel, der hohe strukturelle Reifegrad welcher faktisch Produktionsstandard repräsentierte, die Verwendung eines bereits eingeführten Triebwerks und der geringere Wartungsaufwand. Die Northrop YA-9 verlor trotz überlegener Handlingqualitäten.
Im Juni 1973 wurde die General Electric GAU-8A Avenger als Bordkanone für das neue Flugzeug gewählt - ein wahres Monster von einem Geschütz.
Der gesamte Rumpfbug der A-10 ist faktisch um die, samt vollem Magazin, 1,830 kg schwere 30mm Kanone herumgebaut. Das gesamte System ist 6,4 m lang wovon 2,3m auf die sieben Läufe und immerhin noch 1,8m auf die Magazintrommel entfallen, welche mit 86cm Durchmesser 1.174 Granaten fasst.....jede einzelne 700g schwer.
Die von zwei Motoren hydraulisch angetriebene Kanone ist in der Lage in der ersten Sekunde eines Feuerstosses 50 Schuss abzugeben, in der zweite Sekunde ist mit 65 Schuss bereits die volle Kadenz von 3.900 Schuss/Min. erreicht. Die Rückstoßenergie erreicht sagenhafte 45kN. Die jeweils 425g schweren Geschoße verlassen mit 990 m/s (dreifache Schallgeschwindigkeit) den Lauf und können dünne Panzerungen noch auf mehrere km Entfernung durchschlagen. Die offizielle Durchschlagsleistung liegt bei 69mm auf 500m und immerhin noch 38mm auf 1.000m Entfernung. Das dabei verwendete Geschoß besteht aus einem Kern aus abgereichertem Uran (DU) welcher von einer Aluminiumhülle ummantelt wird und ist eines der seit Jahren umstrittensten Waffensysteme. Während Kritiker und Friedensaktivisten dem DU zahlreiche Tote und gesundheitliche Spätfolgen aufgrund chemotoxischer und radiotoxischer Wirkung vorwerfen. Das Militär sieht hingegen eine Gefährdung nur im unmittelbaren Einsatzbereich und bezweifelt großflächigere Auswirkungen.
Unverwüstlich
Verpackt ist das Geschütz in das mit Abstand robusteste Kampfflugzeug im US Inventar - von ihren Piloten wird sie kurz und bündig "Hog" genannt. Die Maschine würde mit niedrigen Geschwindigkeiten im unteren Luftraum operieren - faktisch über den Köpfen des Gegners - und dort der vollen Wucht der Flugabwehr ausgesetzt sein. Eine Vielzahl an Treffern durchzustehen und trotzdem weiterfliegen zu können war das Ziel der Entwicklung. Es gibt praktisch überhaupt kein einzelnes Bauteil welches bei Beschädigung oder Defekt zu einem Verlust des Flugzeuges führt. Komplex geformte Strukturen wurde wo immer möglich vermieden um Reparaturen im Feld so einfach wie möglich zu gestalten. Tragflügel und Höhenleitwerk besitzen je drei Holme, jeder stark genug um auch alleine auszukommen. Hydraulik, Elektrik und Pneumatik ist mindestens doppelt vorhanden und die gepanzerten Leitungen so weit wie möglich von einander getrennt um durch einen Treffer nicht mehrere System zu beschädigen. Hinzu kommt als Rückversicherung zusätzlich zu den zwei hydraulischen Flugsteuersystemen eine mechanische Flugsteuerung, mit welcher der Pilot nach Ausfall sämtlicher Hydraulik die Steuerflächen über Seilzüge und Umlenkrollen kontrollieren kann. Das Hauptfahrwerk sitzt in Gondeln unter den Tragflügeln um Ausnehmungen in der Flügelstruktur und damit deren Schwächung zu vermeiden. Das monströse Leitwerk ist für seine Kernaufgabe faktisch überdimensioniert - die A-10 käme auch mit wesentlich weniger aus, sofern sie Teile davon verlustig wird. Zusätzlich verdecken die großen horizontalen und vertikalen Leitwerksflächen aus vielen Blickwinkeln die Sicht auf den Triebwerksauslass - ein Effekt welcher Infrarotgelenkten Flugabwehrraketen das Leben schwer machen soll.
Die Triebwerke sind nicht - wie bei Kampfflugzeugen üblich im Rumpf - sondern außerhalb und seitlich oberhalb des Rumpfes angebracht, um sie von einander und von Tanks und Leistungen zu separieren. Die Tanks selbst sind im Schwerpunkt des Flugzeuges gruppiert um die Notwendigkeit von Treibstofftransfers zu minimieren. Sie sind mit einer Füllung ausgestattet, welche Bewegungen des Treibstoffes im Tank minimiert, im Falle von Treffern das Eindringen bzw. den Durchzug von Luft unterbindet und die Entstehung von Feuer wirkungsvoll hemmt sowie Explosionen unterdrückt. Werden sämtliche Tanks durchlöchert halten zwei sich selbst versiegelnde Behälter genug Resttreibstoff für 370km Flug zurück. Besonders geschützt ist der Pilot, welcher in einer 408kg schweren Wanne aus Titanplatten sitzt - dick genug um das Eindringen von 23mm Geschoßen zu verhindern.
Resultat ist ein Flugzeug welchem man praktisch das halbe Leitwerk oder ein Triebwerk wegschießen kann bzw. selbst mit quadratmetergroßen Löchern in den Tragflächen noch fliegen könnte. Zwei Drittel der zu erwartenden Beschädigungen sollten im Feld binnen 12 Stunden reparabel sein, drei Viertel innerhalb von 24 Stunden. Aber selbst mit Maschinen die schwerere Schäden erleiden und zur Basis zurückkehren sind für das Gesamtsystem A-10 von Nutzen - sie dienen im Feld in Folge als schnell verfügbare Ersatzteilquelle um andere Maschinen einsatzfähig zu halten.
Und auch in einer weiteren für CAS-Flugzeuge wichtigen Disziplin glänzt die A-10 mit Bestnoten. Da die Bodentruppe nicht stundenlang auf die Luftunterstützung warten kann wird ein Flugzeug benötigt, dass auch schnell verfügbar ist wenn es gebraucht wird. Und das geht nur wenn es bereits in der Luft ist und nahe am Einsatzort ein einem Verfügungsraum kreist. Abzüglich An- und Abflug in den Verfügungsraum und einer Sicherheitsreserve muss genügend Sprit bleiben um auch längere Zeit am Einsatzort verweilen zu können. Die A-10 schafft das mit Bestnoten. Sie ist in der Lage einige hundert km von der Basis entfernt weit über eine Stunde lang einen Verfügungsraum zu beziehen um von dort aus auf Anforderung ins Geschehen einzugreifen.
Am eisernen Vorhang
Ein Grund warum die A-10 verglichen mit anderen Kampfflugzeugen geradezu spottbillig aus der Fertigung rollte war der Umstand, dass faktisch völlig auf Elektronik verzichtet wurde.
Der einzige Sensor an Bord war der "Mk 1 Augapfel" des Piloten - die A-10 bekam weder ein Radar noch Infrarotsysteme. Nicht mal ein Radarhöhenmesser war ihr vergönnt worden - und vielleicht war gerade das mit ein Grund weshalb Chef-Testpilot Sam Nelson sich am 3. Juni 1977 während der Vorführung seiner A-10 am Pariser Luftfahrtsalon in der Höhe verschätzte, nach einem Looping mit dem Leitwerk am Boden streifte, die Kontrolle verlor und beim resultierenden Crash sein Leben verlor.
Aber auch dieser Unfall konnte nicht verhindern, dass die A-10 sofort eine hohe Priorität für die Allied Tactical Air Forces (ATAFs) der NATO in Europa bekam. In England wurden zwei Hauptoperationsbasen (MOB) eingerichtet - RAF Bentwaters und RAF Woodbridge. Von dort aus wurden durch den 81st Tactical Fighter Wing vier Geschwader auf permanenten vorgezogenen Operationslokationen (FOL) in Westdeutschland beschickt und versorgt - Sembach, Nörvenich, Ahlhorn und Leipheim. Die Einrichtung von zwei weiteren FOLs waren für den Ausbruch von Feindseeligkeiten vorgesehen.
Jedes der vier Geschwader verfügte permanent über acht Maschinen in Deutschland - das restliche Drittel der Maschinen verblieb auf der MOB. Und auch die Piloten wechselten im Drittel-Turnus. Zwei Wochen mit je zwei Flügen pro Tag in Deutschland wechselten mit vier Wochen mit je zwei Flügen pro Woche zuhause.
Die Einsatzbereiche der Maschinen in Deutschland waren in vier Sektoren aufgeteilt welche jeweils zwischen 140-185km breit und 40 km tief waren. Im Konfliktfall wären in jedem Sektor 18 Maschinen eingesetzt worden - jeweils sechs am Gegner, sechs im Transfer zu und von der FOL sowie sechs am Boden um diese zu bewaffnen und zu betanken. In Abstimmung mit Kampfhubschraubern im Gebiet - alles koordiniert durch Forward Air Controller (FAC) in OV-10A Broncos und abgestimmt via Verbindungsoffizieren bei den Streitkräften am Boden - hätten die A-10 vor allem an den Brennpunkten des Geschehens - an den Hauptvorstoßlinien - in den Kampf am Boden eingegriffen.
72 Maschinen am Gegner angesichts einer Gesamtstückzahl von über 700 gebauten Maschinen mag wenig erscheinen. Allerdings war vorgesehen für den Ernstfall die Einheiten an der Front entsprechend der Verluste kontinuierlich zu befüllen. Um dabei auch Piloten zu bekommen die mit dem Einsatzgebiet vertraut waren führe das 81st TFW einen periodischen Austausch mit A-10 Piloten aus den Staaten durch.
LASTE
Alsbald wurde aber klar, dass die Wetterbedingungen in Europa zusammen mit den extrem niedrigen Flughöhen nicht gut harmonierten. Zudem gab die rudimentäre Symbolik im Head-Up-Display bis auf eine feststehende Markierung keine Hilfestellung beim Zielen mit Kanone und Bomben.
Ende der 80er Jahre brachte das LASTE-Programm (low-altitude-safety-and-targeting-enhancement) ein bisschen high-tech in die A-10. Seither ist die A-10 auch in der Lage beim "Gunsmoke" genannten Luft/Boden-Schiesswettbewerb der US Air Force eine gute Figur abzugeben. LASTE brachte endlich einen Radarhöhenmesser in Kombination mit einem Sprachwarnsignal. Eingebaut wurde auch der Zielcomputer welcher sich auch schon in der F-16 bewährte und - durch kontinuierlich berechnete und im HUD angezeigte Einschlagpunkte - auch in der A-10 zu dramatischen Verbesserungen der Genauigkeit beim Bombenabwurf und Kanonenschiessen führte. Nachgereicht wurde auch ein Autopilot, welcher nicht nur der Bequemlichkeit vor allem bei Überstellungsflügen diente, sondern sich auch im taktischen Einsatz als sehr nützlich erwies - wenn nämlich die FACs ihre Zielanweisungen durchgaben hatten die A-10 Piloten von nun an die Hände frei um sich Notizen im Cockpit zu machen und auch kurz die Konzentration auf Kartenmaterial zu richten.
Und auch die Cockpitbeleuchtung wurde für den Einsatz von Nachtsichtgeräten verbessert.
Alles Dinge die jedoch erst in die Cockpits einzogen, nachdem die A-10 ihre erste Feuertaufe bravourös absolviert hatte.
OA-10
Ohne Umbauten vorzunehmen wurde eine Anzahl A-10s die Aufgabe als luftgestützte Forward Air Controller zugewiesen.
Im Rahmen dieser Aufgabe tragen diese A-10s die Bezeichnung "OA-10".
OA-10s verzichten auf den größten Teil der Bewaffnung zugunsten höherer Geschwindigkeit und einer längeren Einsatzdauer.
Die Bewaffnung beschränkt sich auf einen Teil der max. möglichen Kanonenmunition, Rauchraketen zur Zielmarkierung und AIM-9 Sidewinder Raketen zur Selbstverteidigung.
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