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Das Raketenprogramm

Die "Ur-Ur-Enkel von Frankenstein"
Mehr als 70 Jahre nach Beginn der Entwicklung der A4(V2) durch Wernher von Baun und mehr 65 Jahre nach deren Erstflug stehen die Nachfolger dieses Flugkörpers nach wie vor im Zentrum politisch-militärischer Auseinandersetzungen.
Einstufige Flüssigtreibsoffraketen mit Strahlruderlenkung - die Schematik der V2 - sind u.A.: Redstone (USA), Scud (UdSSR), No-Dong (Nordkorea), Ghauri-II (Pakistan), Shahab-3 (Iran)

Shahab-3a MRBM (Medium Range Ballistic Missile), Höhe 16,6m, Startgewicht ca. 17t, Reichweite 1.300km bis 1.700km, abtrennbarer konventioneller Gefechtskopf mit 760kg bis 1150kg, Endgeschwindigkeit ca. Mach 7

Die Shahab-3b verfügt über einen leichteren endphasengesteuerten Gefechtskopf, die Reichweite soll auf über 2.000km gesteigert und die Zielgenauigkeit erhöht worden sein.

Die Sajil-2 MRBM ist eine zweistufige Festsoffrakete mit einer bestätigten Reichweite von mind. 2.000km.

In Reichweite der Sajil-2 ist neben Israel auch die ganze arabische Halbinsel, die Türkei, Teile der Ukraine und Russlands sowie auch EU-Territorium (Zypern sowie Teile Griechenlands, Bulgariens und Rumäniens).

Ein Großserienprogramm ballistischer Raketen ist ein enorm teures und logistisch 'herkuleanisches' Unterfangen, selbst für ein Land der ersten Welt. Der Iran weiß aber recht gut, dass er einen echten Krieg gegen den bisherigen 'Erzfeind' USA nicht gewinnen kann. Offenes Ziel der iranischen Politik ist es, den USA - und Israel - mit einem Abschreckungskrieg eines solchen Ausmaßes zu drohen, dass diese Option unakzeptabel wird. Aus dieser Perspektive investiert er sehr geschickt in die Verstärkung von Abschreckung und Multiplikatoren von Kampfkraft, anstatt veraltete Ausrüstung - besonders in der Luftwaffe und Luftabwehr - zu ersetzen.

Irans Verteidigungsminister Mostafa Mohammed Nadschar und die Sejil-2.
"Der Iran arbeitet zurzeit massiv an Raketen, die Atombomben zu Zielen auch in Europa transportieren könnten", zitierte der STERN - recht reißerisch - einen BND-Regierungsdirektor. Es gebe zudem wenig Zweifel, dass Irans Raketenprogramm ausschließlich auf den Transport atomarer Sprengköpfe abziele. Während aber der STERN meint, dafür geeignete ballistische Raketen werde Teheran - laut BND - wohl erst in etwa drei Jahren herstellen können, ist der letzte Test von 'Sejil'-2 gerade zwei Monate her und ihre Reichweite von potentiell 2.000km ist auch vom neuen US-ABM-Radar im Negev (siehe unterhalb) vermessen worden.

Der Iran versucht lt. UN-Resolution 1747 die Raketen-Komponenten durch ein ausgedehntes Netzwerk von Tarnfirmen zu beschaffen, an dem auch mehrere deutsche Firmen beteiligt seien. Als Chefeinkäufer dafür wird Said Mohammad Hosseinian genannt. Er reise unter zahlreichen Alias-Namen und steuere ein Netzwerk von mehr als 100 Tarnfirmen. Die Unternehmen sind Briefkastenfirmen, die alle dieselbe Anschrift in Teheran haben: Vozara Building, Khaled Islamboli Avenue, mittlerweile Intifada-Straße. Nach Einschätzung des BND sei Hosseinian "einer der meistgesuchten Männer der Welt." Mehrere deutsche Unternehmen, vor allem Mittelständler, hätten sich mit dem iranischen Chefbeschaffer eingelassen. Sie riskieren dabei Verstöße gegen deutsche Außenwirtschafts- und Kriegswaffenkontrollgesetze. Außerdem ist der Handel mit dem Iran durch die betreffende UN-Resolution vom März 2007 stark eingeschränkt, im Anhang dieser Resolution wird explizit vor der Organisation SHIG gewarnt, für die Hosseinian operiert.

Irans Raketenprogramm ist einder der intensivsten der Welt, mit stets zunehmender Reichweite. Das iranische Arsenal beginnt bei den ungelenkten 'Zelzal'-Raketen und der 'Fatah' 110, einer verbesserten chinesischen Artillerierakete mit 200 km Reichweite und einem 200-250kg Sprengkopf. Zudem hat Iran die 'Shahab-1' (Scud- B) mit einer Reichweite von 300 km und 900kg Gefechtskopf sowie 'Shahab-2' (Scud-C) mit einer Reichweite von 500 km und 700kg Nutzlast. Bei beiden fliegt der gesamte Flugkörper mitsamt Gefechtskopf ins Ziel.

'Interessant' wird es ab der 'Shahab-3'. Diese ballistische Mittelstreckenrakete mit etwa 1 Tonne Nutzlast zeigt deutlich nordkoreanische Verwandtschaft mit deren 'No-Dong'-1 bzw. der pakistanischen 'Ghauri'-1. Der Iran beteiligte sich etwa ab dem Jahr 1992 finanziell am koreanischen Programm. Ebenso erfolgte in diesem Jahr die Lieferung einer einzelnen 'Nodong-1' auf dem Seeweg in den Iran. Im Jahr 1993 unterbreitete eine iranische Delegation in Pjöngjang die Absicht zum Kauf, bzw. zur Lizenzproduktion von 150 'Nodong-1'. Die fortgesetzte Verbindung zwischen den Programmen wird dadurch unterstrichen, dass lt. nachrichtendienstl. Berichten nordkoreanische Ingenieure bei den Raketentests im Iran und in Pakistan anwesend waren, während iranische und pakistanische Experten zu den koreanischen Tests geschickt wurden. Die Reichweiten der Gefechtsköpfe der drei Waffen werden auf 1.300 bis 1.500 Kilometer geschätzt. Ab 2001 begann die Serienfertigung der 'Shahab-3' mit einer Fertigungsrate ca. 20 Raketen pro Jahr. Bis zum Frühjahr 2006 wurden zehn Tests durchgeführt, von denen drei fehlschlugen. Die Angaben zum Inventar schwanken zwischen 200 bis 400 Stk.

Letzte Version ist 'Shahab-3B', zumindest optisch basierend auf der 'Nodong-2'. Vermutlich waren bei der Entwicklung chinesische und russische Ingenieure beteiligt. Dank eines verlängerten Rumpfes und vergrößerter Treibstofftanks kann der Flugkörper eine Nutzlast von 1.200 kg über eine Reichweite von bis zu 2.000 km ins Ziel bringen. Basierend auf der 'Shahab-3B' entwickelt man 'Ghadr-1', andere Bezeichnungen lauten auch 'Shahab-3BER' oder -3M. Es gibt konkrete Anzeichen dafür, dass russische Technologien bei der Entwicklung der 'Ghadr-1' zumindest beschafft wurden, denn sie verfügt über eine modifizierte Gefechtskopfsektion mit einem neuen, flaschenförmigen Wiedereintrittskörper. Vermutlich handelt es sich dabei um einen sog. MaRV- Wiedereintrittskörper welcher beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre etwa Spiralbewegungen erzeugen kann, was eine Bekämpfung durch Abwehrlenkwaffen deutlich erschwert. 'Ghadr-1' verfügt vermutlich über ein GPS-Lenksystem und kann bzw. soll damit eine vermutete Präzision von 50-100 m erreichen. Der Iran verfügt wahrscheinlich nur über 3-10 Prototypen der 'Ghadr-1'.

Noch immer aber sind das alles Raketen mit 12 bis 14 Tonnen Flüssigtreibstoff. Jener ist heikel und wenig haltbar, vor dem Einsatz muss 2 bis 3 Stunden - gegenüber Satelliten - optisch exponiert betankt werden. Das änderte sich ab letztem Oktober bzw. Mai 2009 mit 'Sejil-2'.

Präsident Ahmadinjead am 21. Mai: "Verteidigungsminister Mostafa Mohammed Nadschar hat mich darüber informiert, dass die technisch weit fortgeschrittene 'Sejil-2'-Rakete in Semnan östlich von Teheran gestartet wurde und ihr Ziel präzise getroffen hat. Sie verfügt über ein neues Navigationssystem von höchster Präzision und unsere Industrie wird 1.000 Stück davon herstellen."

Zwei Vertreter der US-Regierung bestätigten den iranischen Raketentest. Ein ranghoher Beamter wertete den Abschuss als 'Erfolg' für den Iran. Der 'Nationale Widerstandsrat Iran' im Exil gab bekannt, dass er aufgrund von Informationen der Volksmojahedin (PMOI/MEK) im Iran erfahren habe, dass 'Sejil-2' auch nukleare Sprengköpfe tragen kann. "Die Reichweite dieser Rakete ist größer als die der 'Shahab-3' und beträgt sogar 2.500 Kilometer. Auch einige EU-Staaten sind damit in Reichweite der Rakete. Um einer neuen Verabschiedung von Sanktionen zu entgehen, hat das klerikale Regime die genaue Reichweite der Rakete nicht bekannt gegeben", heißt es in einer Erklärung des NWRI.

'Sejil' ist die erste große 2-stufige Festbrennstoffrakete des Iran und somit - auch durch Bemühungen zur Verbesserung von mobilen Abschussrampen mittels chinesischer Experten - in einer Vorwarnsituation wesentlich schwerer zu finden bzw. leichter im Land zu verlegen. Ihr flaschenhalsförmiger Wiedereintrittskörper scheint derselbe wie bei 'Shahab-3B' bzw. 'Ghadr-1' zu sein.

Zwar sagen israelische Aufklärungsergebnisse, dass der Iran die Produktion von 'Shahabs' zugunsten von 'Sejils' zurückfahren will, die 1.000 Stück sind aber wieder plumpe Übertreibung bzw. Angeberei. Selbst wenn 200 Stück pro Jahr gebaut würden - wofür auch im wirtschaftlich gebeutelten Iran nicht automatisch jedes Budget verfügbar ist - würde Ahmandinejad's Ankündigung 5 Jahre dauern. Bislang war man aber 'nur' zu ca. 20 Stück/Jahr fähig, mit noch mehr Mittel vielleicht zu 30.

US-Hilfe bzw. Fehlschlag bei der Raketenabwehr

Wiewohl sie sich nicht aktiv an einem Luftangriff beteiligen dürften, haben die USA für einen möglichen Gegenschlag der Iraner auf Israel in aller Stille Jerusalem bereits Hilfe gewährt. Sie haben letzten September - noch unter George Bush - auf dem Berg Har Keren in der südlichen Negevwüste das neueste amerikanische 'Phased Array'-X-Band-Radar zur Bahnverfolgung ballistischer Raketen (Raytheon AN/TPY-2) eingerichtet. Es ist das erste Mal, dass amerikanische Soldaten (120 Mann Betrieb, 30 Security) auf israelischem Territorium stationiert wurden. Ihr FBX-T (Forward Based X-Band-Radar, Transportable) 'sieht' gut über 2.000 Kilometer weit, verschafft Israel etwa 60-70 Sekunden Vorwarnzeit und hat auch die beiden Tests der iranischen 'Sejil-2' im Oktober 2008 und Mai 2009 vermessen - die lauthals verkündeten (bis zu) 2.000km an Reichweite wurden - vom Profil her - bestätigt.
Das X-Band Radar auf dem Berg Har Keren in Israel wird von 150 US-Soldaten betreut.

Nicht alle Israelis sind aber restlos glücklich damit. Erstens ist die Anlage ein - erster vorgeschobener - Teil des globalen bzw. europäischen US-Verteidigungssystems gegen ballistische Raketen (so BgGen. O'Reilly, stv. Direktor der US-Missile Defence Agency) - die IAF/IDF bekommen dessen Daten nicht automatisch. Sollten es zweitens zwei Radars 'back to back' sein (eines deckt etwa 120° ab) liegt somit auch die IAF "bis runter zur Größe einer Biene und ohne Kleider ausgebreitet vor den Amerikanern…", meinte neulich ein hoher israelischer Regierungsbeamter. "Auch Ehegatten hätten voreinander Geheimnisse" und das Ding sei eben auch eine "goldene Handschelle"...Klar, irgendwie hindert es Israel an allzu eigenständigen Aktionen gegen Iran. Denn Israel muss (zumindest) bedenken, einen Angriff zu lancieren der letztlich US-Personal gefährden könnte.

Ob zum dem ABM-Radar auch US-Abwehrraketen verlegt wurden oder das geplant ist, bleibt natürlich Spekulationen vorbehalten. Die Feuereinheiten zur Abwehr - also etwa THAAD-Raketen, GBI, BMD ('Aegis') oder SM-3 können jedoch nach Bedarf verschiedenartig rasch in die Region verlegt werden. Seit 1999 ist Israel aber (offiziell) auf seine ABM-Raketen 'Arrow' angewiesen. Das dazugehörige Radar 'Green Pine' erfasst einkommende Gefechtsköpfe 'nur' ab etwa 950 Kilometern.

Und ein jüngster Test der 'Arrow-2' am 24. Juli in Point Mugu, Kalifornien ist gerade eben öffentlichkeitswirksam fehlgeschlagen. Es spricht wohl für Israel's entwickeltes Verständnis von Pressefreiheit, aber auch dem breiten Interesse an diesem existenziellen Thema (wie an Sicherheitspolitik und -technologie generell), dass nun Israels Programmverantwortliche, Wissenschafter und Verteidigungs-Beamte in diversen Artikeln, Radio- und Fernsehbeiträgen erklären müssen, dass man mit 'Arrow' keineswegs aufs Reißbrett zurück müsse, wie von Kommentatoren befürchtet oder spekuliert. Frühere Testschüsse wären überwiegend erfolgreich gewesen.

Uzi Rubin, ein vormaliger Direktor des 'Arrow'-Projekts erläuterte was passiert war. Wohl hatte das System den - übrigens aus einer C-17 abgeworfenen Dummy-Gefechtskopf - erfasst, weil aber in der Feuereinheit nicht alle Datenübertragungsparameter korreliert hätten, wäre der Langestrecken-Test abgebrochen worden bevor die eigentliche Waffe abgefeuert wurde. Im Gegensatz zum automatisierten amerikanischen MIM-104 'Patriot'-System - gibt es in Israel als PAC-3 auch - entscheidet bei der 'Arrow' übrigens ein Offizier über den Abschuss und überwacht die Flugbahn der Abfangraketen. Eine 'Arrow-2' Batterie kann gleichzeitig sechs Ziele bekämpfen, zwei weitere Batterien sollen die beiden nördlich und südlich der Tel Aviv Area im Süden des Landes ergänzen.

'Arrow'-3 ist in Entwicklung, die Kosten bis zur geplanten Einsatzreife in 5 Jahren belaufen sich auf 700 bis 800 Mill. US$, 80% davon stellen die USA mit ungefähr 140 Mill./Jahr.

Iranische Medien feixten öffentlich über den Fehlstart und die Unmöglichkeit "einen in die Luft geworfenen Stein mit einem anderen Stein zu treffen, überhaupt wenn es mehrere wären und man nur einen bestimmten treffen müsse..." Deren Überlegung könnte Folgende sein: Als Gegenschlag nach/während einem israelischen Luftangriff auf seine Atomanlagen, würden einige Dutzend 'Shahab-3' und eine Handvoll 'Sejils' das israelische ABM-System 'Arrow-2' schlicht überwältigen, etliche iranische Raketen würden wohl durchkommen.

Dem gegenüber haben deutsche und israelische Wissenschafter das Projekt 'Bluebird' entwickelt. Nach einer Meldung der JP vom letzten November würde der IR-Sensor - stationiert auf einer unbemannten Plattform - zwischen echten Gefechtsköpfen und Täuschkörpern unterscheiden können. Der Grad seiner Reife ist jedoch unbekannt. (http://www.jpost.com/)

Wieso jetzt?


Der amerikanische Verteidigungsminister Robert Gates - von Obama von der Ära Bush übernommen - hatte am 16. Juli Irans Streben nach nuklearer Aufrüstung als eine "der größten Herausforderungen für die internationale Sicherheit" bezeichnet. Besonders aus Kreisen des 'Mossad' war im Juli mehrmals in BBC-World oder 'Al Jazeera' zu vernehmen "dass die Lage angesichts der unentwegten iranischen Bemühungen jetzt sehr ernst geworden ist".

Warum ist aber dieses Jahr angeblich das Schlüsseljahr bezüglich des iranischen Nuklearprogramms?
Voraussichtlich zwischen September und Jahresende wird der Reaktor von Bushehr hochgefahren und geht ans Netz. Spätestens dann gibt es keine Option mehr, die militärische Nuklearisierung des Iran durch Anwendung von Gewalt zu verhindern - die viel diskutierte militärische Option würde obsolet. Auf den ersten Blick scheint dieser Zusammenhang nicht zwingend zu sein. Doch er ist es.

Jede militärische Aktion gegen die nukleare Infrastruktur des Iran umfasst zwangsläufig - neben etwa 20 bis 25 Sekundärzielen - vier Hauptziele: Die Konversionsanlage von Isfahan, die Anreicherungsanlage von Natanz, den Schwerwasserreaktor von Arak und das Kernkraftwerk in Bushehr. Während die drei erstgenannten als Primärziele unmittelbar einsichtig sind, ist Bushehr erklärungsbedürftig. Die Begründung liegt in seiner Natur als Leichtwasserreaktor - ein Reaktortyp, der auch zum Plutoniumbrüter umfunktioniert werden kann. Würde der Reaktor - so recht detaillierte israelische Medienberichte - nach acht Monaten Betriebsdauer heruntergefahren, ließen sich 150 Kilogramm Plutonium mit einem Verunreinigungsgrad von nur zehn Prozent gewinnen. Nach entsprechender Behandlung (chemische Separation und Konversion) stünde innerhalb von weiteren drei bis vier Monaten Plutonium für einige Nuklearwaffen zur Verfügung. Wer daher den Iran nuklear entwaffnen will, könne es sich gar nicht leisten, Bushehr unangetastet zu lassen.

Das Kraftwerk könnte natürlich auch zerstört werden, wenn es schon aktiviert ist - allerdings nur um den Preis einer Umweltkatastrophe, von der auch andere Golf-Anrainerstaaten wie etwa die Welt-Investorzentren Dubai und Abu Dhabi betroffen wären. Weder Israel noch die USA, die ja als potenzielle 'Angreifer' infrage kommen, würden sich auf eine solche Option einlassen. Zwar könnte man auch den Reaktor von seiner Infrastruktur 'trennen' (das Containment unangetastet lassen, dafür die umliegende Reaktor-Infrastruktur zerstören), aber es läuft trotzdem darauf hinaus, dass 2009 die Möglichkeiten für eine militärische Lösung des iranischen Nuklearproblems auszulaufen scheinen.

Von der 'Begin'- zur 'Netanjahu'-Doktrin...

Der eingangs erwähnte Angriff von 1981 steht für eine neue Phase israelischer Sicherheits- und Militärpolitik - den Durchbruch zur sog. Begin-Doktrin. Als Menachem Begin einen Tag nach dem Angriff auf den Reaktor 'Osirak' dies öffentlich rechtfertigte, rief er aus: "Wenn der nukleare Reaktor nicht zerstört worden wäre, hätte es noch einmal einen Holocaust in der Geschichte des israelischen Volkes gegeben. Es wird aber nie mehr einen Holocaust geben. Niemals wieder!" Seither gilt, dass es Israel künftig nicht zulassen würde, dass ein Staat in Nahost Waffen entwickelt oder beschafft, mit denen Israel existenziell bedroht werden könnte. Das erklärt dann auch nicht nur Israels Zerstörung einer nordkoreanisch-syrischen Anlage durch F-15I im September 2007, sondern auch seine Haltung zum iranischen Nuklearprogramm bis dato.
Benjamin Netanjahu und Mahmud Ahmadinedschad pokern um Frieden oder Krieg im Nahen Osten.

Originalton 'Bibi' Netanjahus im letzten Wahlkampf 2008: "Ich verspreche im Fall meiner Wahl, dass der Iran nicht in den Besitz von Atomwaffen gelangt. Das schließt alles Notwendige ein, um das auch durchzuführen." Am letzten Wochenende ließ ihm ein Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden wieder mitteilen, man werde Israels Atomanlagen angreifen, wenn Israel tatsächlich Irans Atomanlagen angreife.

Natürlich bleibt - für die gesamte Region - zu hoffen, dass sich die momentan recht offen ausgetragenen Dispute beider Flügel der iranischen Innenpolitik in punkto Atom- und Raketenrüstung kalmierend oder hemmend auswirken. Oder dass eine diplomatische Lösung doch noch möglich wird. Erst am 27. Juli hat US-Verteidigungsminister Robert Gates jene "bis Ende September" bei bei einem Besuch in Israel seinem Amtskollegen wieder 'schmackhaft' gemacht. Ehud Barak antwortete: "Hinsichtlich des künftigen Vorgehens gegenüber dem Iran sind alle Optionen auf dem Tisch, obwohl man in der aktuellen Phase der Diplomatie und Sanktionen den Vorrang gewähren sollte. Israel ist dankbar für die Unterstützung der USA, wir ziehen es aber vor, von den USA die Ausrüstung und die Unterstützung zu bekommen und die Verteidigung Israels selbst zu übernehmen..."

Barak wird übrigens bestärkt durch veröffentlichte Meinungsumfragen. Etwa 2/3 der israelischen Bevölkerung befürworten einen Militäreinsatz, sofern die diplomatischen Bemühungen keine Erfolge zeigen. Die Mehrheit ist auch dafür wenn dieser Einsatz gegen den Willen der USA erfolgen sollte...

Die Antworten Teherans

Falls Israel die militärische Option wahr nimmt wird sich Teheran um eine Antwort nicht bitten lassen. Wie diese aussieht darüber wird und wurde - z.B. auf der IDEX-Messe in Abu Dhabi im Februar - heftig spekuliert. Abgesehen von den Mittelstreckenraketen welche mit Sicherheit Israel mind. Dutzendfach erreichen könnten, stehen dem Iran kaum geeignete militärische Mittel zur Verfügung um Israel direkt zu treffen. Da in seiner letzten Verteidigungsdoktrin auch pre-emptive Schläge beschrieben sind und (bei der Reaktion auf einen Angriff) offenbar nicht zwischen Israel und den USA bzw. US-Einrichtungen in der Region unterschieden wird, müssen daher vielleicht umso mehr auch div. Spielarten der asymmetrischen Kriegsführung in Betracht gezogen werden. Obwohl dem Regime in Teheran in weiten Teilen besonders der politischen und militärischen Eliten der Monarchien in der arabischen Welt eher wenig Sympathie entgegen gebracht wird und in Glaubensfragen oftmals Konflikte zwischen der im Iran vorherrschenden schiitischen Glaubensrichtung und der mehrheitlich sunnitischen Glaubensrichtung des Islam herrschen, ist eine gewisses Grundmaß an muslimischer bzw. antiwestlicher Solidarisierung der einfachen Bürger in der arabischen Welt mit dem Iran zu erwarten, sollte dieser angegriffen werden. Teheran könnte bemüht sein, diese ‚Aufgebrachtheit' zu schüren - vor allem in jenen Ländern denen man eventuell 'Beihilfe' - etwa durch Gewährung oder ‚Wegschauen' bei Überflügen - unterstellen könnte.

Ebenso eine Option ist das Ernstmachen mit einem Spiel der letzten Monate, der mehrfachen Drohung der iranischen Marine mit der Sperre der Straße von Hormuz - und die sofortige Replik von Sprechern der 5. US-Flotte bezgl. ihrer "Verantwortung für die Freiheit der Seewege" etc. Beide Möglichkeiten haben natürlich direkte und vielleicht dramatische Auswirkungen auf Ölversorgung und - preis. Wie weit das gehen könnte und ob Staaten auch in Europa direkt davon betroffen sein könnten bleibt Spekulation. Erinnert sei zwar hier auch an Millionen moslemischer Bürger in Westeuropa, die Exil-Iraner haben aber überwiegend mit dem heutigen Regime sowenig am Hut, dass eine Art 5. Kolonne auszuschließen ist...

Ein nahe liegender Akt der Vergeltung wäre die Beeinträchtigung der Wasserversorgung Israels. Die verglichen mit europäischen Verhältnissen sehr spärliche Trinkwasserversorgung im nahen Osten ist seit jeher einer der Hauptkonfliktpunkte zwischen Israel und seinen Nachbarn. Faktische alle militärischen Auseinandersetzungen hatten für Israel auch das Ziel die eigene Wasserversorgung zu sichern. Ein 6.500 km langes Versorgungssystem verteilt die Wasservorräte im Land. Selbst wenn man in Betracht zieht, dass das Israelische Militär umfangreiche Pläne und Mittel zur Verfügung hat um diese lebenswichtigen Anlagen zu schützen so sind doch Anschläge nicht auszuschließen.

Auf die direkte Frage der Autoren wie denn der nahe Osten nach einem israelischen Schlag auf iranische Atomanlagen aussehen wird, hat ein mit den lokalen Gegebenheiten tief vertrauter Gesprächspartner unlängst wortlos auf einen vollen Aschenbecher gezeigt.
Ob es nun Mehrheitsgesellschaft und Mainstream-Medien in unseren Ländern gefallen mag oder nicht - "And that's the way it is" ( © in Memoriam Walter Cronkite +)

Georg Mader
Martin Rosenkranz

 

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