Schon 1958, drei Jahre nach wiedererlangen der Souveränität, gab es zum ersten mal zu einer ganzen Serie an bewußten Verletzungen des österreichischen Luftraumes.
Eine Krise im Libanon, über 2.200km weit von Österreich entfernt, verursachte der Bundesregierung Kopfschmerzen.
Der KURIER titelte
US-Transporter verletzen weiterhin die österreichische Lufthoheit.
...Das dröhnen hochfliegender Düsenflugzeuge beherrschte auch gestern den Alltag in der Tiroler Hauptstadt.
Das einzige was die österreichische Regierung aufzubieten hatte um die Lufthoheit zu wahren waren 3 Vampire Jagdbomber und 2 YAK-11 Schulflugzeuge.
Unter abenteuerlichen Zuständen wurde vom noch jungen Bundesheer versucht dem ganzen Treiben Einhalt zu gebieten.
Anfliegende Verbände mußten gesehen oder gehört werden (es stand kein Radargerät zur Verfügung) und nur unter günstigsten Bedingungen hätte es überhaupt gelingen können einen "Vampire" an die fremden Flugzeuge heranzuführen.
Eine Überschrift der Tageszeitung DIE PRESSE brachte die Nöte auf den Punkt,
"Zur Landung zwingen" - aber nur wie? hieß es dort.
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Die Medien bringen humorvoll die eigene Hilflosigkeit auf den Punkt
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So richtig flau im Bauch wurde es den Politikern aber erst als die Sowjetunion "Hilfe" bei der Überwachung des österreichischen Luftraumes anbot.
Eine nur allzu typische Reaktion der Politik war die Folge, die Notwendigkeit der Neutralitätsverteidigung wurde anerkannt, alleine mit Willen war das Problem nicht zu lösen und die notwendigen Mittel konnte oder wollte man nicht aufbringen.
Erst 1961 konnte das Bundesheer die ersten 15 Jagdbomber der Type Saab J29F beschaffen, das war zwar kein Abfangjäger aber immerhin konnte man damit zumindest Höhen und Geschwindigkeiten erreichen mit denen man Passagier- und Transportflugzeuge einholen konnte.
Mit der Errichtung der Großraumradarstation am Kolomannsberg wurde der erste Schritt zu einer effizienten und leistungsfähigen elektronischen Luftraumüberwachung getan, die Stationskosten von öS 300 Millionen sorgten dafür daß der "Kolomannsberg" vorerst ein Einzelstück blieb.
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In den 60ern findet dann zum ersten mal das Wort "Draken" in den österreichischen Sprachschatz Eingang.
Auf der Suche nach leistungsfähigen Jagdflugzeugen wurden ab 1966 folgende Typen durch Testpiloten und Techniker evaluiert:
Sieger der Bewertung war die Mirage sie hatte allerdings auch den höchsten Preis. Die F-5E gefiel wegen Einfachheit und günstigen Betriebskosten der Draken hatte aber wesentlich bessere Leistungswerte zu verzeichen.
Das Angebot aus Schweden lautete 20-30 Flugzeuge zu einem Stückpreis von US$ 1 Mio.
Heraus kam eine typisch österreichische Lösung, Abfangjäger wurden keine gekauft dafür aber 20 Düsentrainer Saab 105XT, an so etwas wie aktiver Luftraumüberwachung war mit einem Flugzeug das keine 1.000km/h schnell war und kein Radargerät besaß nicht zu denken.
Am 9. Dezember 1976 landete dann eine tschechische MiG-21 in Wien / Aspern, unbemerkt konnte das Flugzeug bis zur Bundeshauptstadt vordringen und bewies die Unzulänglichkeit der lückenhaften Lösungen.
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Nicht nur eine MiG düste ohne Genehmigung durch den österreichischen Luftraum
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1968 kündigte sich das Ende des Prager Frühlings in den nachrichtendienstlichen Erkenntnissen des Bundesheeres an.
Der Kolomannsberg nahm einen 24 Stunden Betrieb auf und die "fliegenden Tonnen" flogen mit Sicherheitsabstand Überwachungsflüge entlang der Nordostgrenze.
Ab 22. August 1968 wurde es dann ernst, Aufklärungsflüge der Sowjetstreitkräfte "befaßten" sich mit Flugplätzen, Kasernen und Hauptstraßen im Nordosten des österreichischen Bundesgebietes.
Eine Mischung aus militärischem Unvermögen und fehlendem politischen Willen unterband wirkungsvoll die Störung der sowjetischen Operationen im heimischen Luftraum.
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Registrierte Überflüge im Zuge der niederschlagung des Prager Frühlings.
Militärisch konnte man nicht, politisch wollte man nicht, man unternahm nicht einmal den Versuch dies Luftraumverletzungen zu unterbinden.
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Was bei den Russen nicht mal probiert wurde widerfuhr dann am 3. Oktober 1968 einer ägyptischen Antonov An-12 Transportmaschine.
Bei einem "Abschneider" über österreichisches Gebiet wurde sie von einer "fliegenden Tonne" abgefangen und zur Landung gezwungen.
Der damalige Kriegszustand zwischen Israel und Ägypten machte aus dem Eindringen der Ägypter in den Luftraum eine Neutralitätsverletzung, so war zumindest die Meinung einiger Völkerrechtsexperten.
1973 wiederholte man diese Kunststück, eine türkische Transall Transportmaschine flog einen Abschneider über Tirol.
Das erste mal bewährten sich die zwischen 1970 und 1972 beschafften Saab 105OE, die Türken wurden zur Landung gezwungen.
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Das Fehlen eines "richtigen" Luftraumüberwachungsflugzeuges war erkennbar und die Bemühungen die notwendigen Daten über mögliches Gerät zu ermitteln groß, alleine die Politik war in den 70ern und 80ern nicht bereit den Mangel über den man selber jammerte zu beheben.
Die israelische "Kfir C2" war in den 70ern die Maschine mit dem besten Preis/Leistungsverhältnis, günstigen Kompensationsgeschäften standen ein angedrohter arabischer Handelsboykott gegenüber.
Ebenfalls getestet wurde ab 1980 die "F-16" und die "Mirage 50", der günstige Dollarkurs und die Leistungen des Flugzeuges machten in den frühen 80ern die "F-16" zum tollen Angebot und hätte das Problem Luftraumüberwachung für mindestens 30 Jahre erledigt, viele Staaten nützten diesen Umstand, Österreich war nicht dabei.
Ab 1982 hieß es dann "aus Kostengründen gebraucht" und da standen
zur Auswahl.
Der "Draken" Ankauf
Ein "2 Generationen Konzept" wurde aufgestellt, dem Kauf von gebrauchten LRÜ-Flugzeugen der 2. Generation müsse in den 90ern mit der Beschaffung eines Nachfolgemodells gekoppelt sein.
Das "Systempaket" welches gekauft werden sollte sah 24 Maschinen inkl. Ersatzteile, Bodengerät, Werkzeug, Meß- und Prüfgerät, Handbuch und Personalausbildung vor, die "Kostenobergrenze" war mit ca. öS 3 Mrd., das Gegengeschäftsvolumen bei 100% mit mindestens 50% Hochtechnologieanteil festgesetzt.
Bei der technischen Bewertung der Konkurrenten ging die "Lightning" als Sieger hervor, der "Draken" belegte Platz 2.
Das F-5E - Angebot entsprach nicht der Ausschreibung und kostete zu viel.
Die Regierung bevorzugte die schwedische Lösung und damit den "Draken", man wählte damit auch das Flugzeug mit den geringeren Betriebskosten.
Anschaffungs- und Betriebskosten zusammengerechnet kostete der Draken bis Ende 1995 (Ursprünglich vorgesehenes Ende des Systems) insgesamt öS 7,6 Mrd. oder etwa öS 850 Millionen pro Jahr, die Folgejahre sind mit etwa öS 500 Millionen zu beziffern.
Der Typenentscheid "Draken" führte zu einer an Unsachlichkeit nicht mehr überbietbaren Schlammschlacht in Politik, Militär und Presse.
Trotzdem hatte man mit dem "alten Gerümpel" oder auch "fliegendem Schrott" zumindest die Basis für ein funktionierendes Luftraumüberwachungssystem geschaffen.
Heute
Viel wurde seither schon geschrieben und gesprochen über die Möglichkeit Österreich's Luftraum zu überwachen.
"Der Luftraum ist zu klein für ein Flugzeug wie den Draken!" und
"Man fliegt schneller über uns drüber als wir reagieren können!"
sind nur zwei Argumente die man immer wieder hört.
Hier spielt die falsche Annahme eine Rolle daß Militärflugzeuge deren Höchstgeschwindigkeit mit Mach 2.0 oder gar Mach 2.5 angegeben ist diese auch permanent, in allen Höhen und über weite Entfernungen fliegen können.
Die Realität sieht aber anders aus.
Militärflugzeuge fliegen selten schneller als zivile Airliner, zu hoch ist der Treibstoffverbrauch.
Die angegebenen Höchstgeschwindigkeiten werden selbst bei Kampfeinsätzen nie geflogen, somit hat auch der "Draken" eine Chance, vor allem wenn man schwerfälligere Jagdbomber in Betracht zieht.
Mit dem zivilen Flugverkehr hat der Draken überhaupt keine Probleme, er ist doppelt so schnell wie ein Verkehrsflugzeug.
Für die notwendige Vorwarnzeit sorgt das Goldhaube Radarsystem.
Es überwacht permanent den Luftraum über Österreich und in jeder Richtung mindestens 200 km bis ca. 400 km über die Staatsgrenze hinaus.
Das heißt nach Westen bis Frankreich, nach Norden bis Polen, nach Osten ganz Ungarn und die Slowakei und nach Süden bis Bosnien.
Somit ist genügen "Vorwarnzeit" sichergestellt um Abfangjäger in Position zu bringen noch bevor Flugzeuge ins Bundesgebiet einfliegen.
Mittlere und große Höhen
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Das System besteht aus mehreren ortsfesten Radarstationen die mittlere und große Flughöhen in bis zu über 400 km Entfernung überwachen können.
Ersetzt und ergänzt werden kann dieses System durch mobile Stationen die mit rund 40 Sattelschleppern zu einem geeigneten Punkt transportiert und dort rasch errichtet werden kann.
Das System erfaßt Flugbewegungen innerhalb der Reichweite und sendet automatisch eine Abfrage welche ein Antwortsignal des Objektes auslöst und deren Kennung sendet.
Sollte keine Rückmeldung erfolgen bleibt der Kontakt unbekannt.
Er muß dann im Extremfall durch Abfangjäger aufgeklärt werden falls keine Funkverbindung hergestellt werden kann und das Objekt in den österreichischen Luftraum einfliegt.
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Tiefflugerfassung
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Die modernste und jüngste Komponente besteht aus mehreren Tieffliegererfassungsradargeräten (TER) und Zielzuweisungsgeräten (ZZwR).
Das System ist hochmobil, es findet auf einem LKW Platz und kann in kürzester Zeit aktiviert werden.
Ein vollkommen neues Bild des "Bundesheeres" bekommt man wenn man in das TER hineinsieht.
Auf zwei Computerbildschirmen ist der Flugverkehr im Umkreis von 80km um den Standort des Gerätes vom Boden bis in Höhen von ca. 4000m zu sehen.
Jeder Kontakt bekommt eine Kennung, Flugpfad- und Bedrohungsanalyse, mit dem ZZwR können Ziele automatisch den angeschlossenen Mistral Raketenwerfern zugewiesen werden.
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Der Berg
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Alle Komponenten sind per Richtfunk mit der Zentrale verbunden welche sich in Sankt Johann im Pongau hunderte Meter tief im Tauerngebirge verbirgt.
Ähnlich wie beim Internet können einzelne Teilkomponenten auch ausfallen oder Richtfunkstrecken gestört sein ohne das die Verbindungen zu dieser Zentrale gänzlich verloren gehen.
Im Bunker, welcher auch Notquartiere für zivile und militärische Krisenstäbe bereitstellt, erfolgt durch Fachpersonal die eigentliche Überwachung des Luftraumes.
Alle "Einzelbilder" der Radargeräte werden hier zu einem Gesamtüberblick zusammengefügt.
Hier wird die Kennung der einzelnen Kontakte sichtbar und von hier aus erfolgt die Leitung der "aktiven" Komponente der Luftraumüberwachung.
Da eben manchmal nur ein namenloser Punkt auf den Schirmen sichtbar ist muß optischer Kontakt hergestellt werden um zu wissen mit wem man es zu tun hat.
Von hier aus werden die Draken - Abfangjäger zu erfaßten aber nicht identifizierbaren Flugobjekten innerhalb des österreichischen Luftraumes geleitet.
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Der Abfangjäger
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Der Abfangjäger ist die "aktive" Komponente im System.
In Friedenszeiten ist er das "Auge" der Überwachung welches optischen Kontakt zu nicht identifizierbaren Objekten herstellen kann.
Mit ihm können Flugverbote für Flugzeuge einzelner Länder innerhalb des österreichischen Luftraumes durchgesetzt werden und die Neutralität und Souveränität im Luftraum sichergestellt werden im Falle von Konflikten zwischen Nachbarländern.
Im Verteidigungsfall kann mit Abfangjägern die Luftherrschaft über eigenem Territorium sichergestellt werden und bietet so den eigenen Truppen den unbedingt notwendigen Schutz aus der Luft.
Um hier auch die notwendige Überlegenheit mit ins Feld zu bringen ist der Abfangjäger gegenüber eindringenden Flugzeugen mit einigen wichtigen Vorteilen ausgestattet.
Da er über eigenem Gebiet bleibt ist grundsätzlich weniger Anmarschweg zum Abfangpunkt notwendig, es wird somit weniger Treibstoff benötigt und es können dadurch höhere Geschwindigkeiten geflogen werden.
Der Abfangjäger hat die geringste Zuladung und damit weniger Gewicht als eindringende Flugzeuge.
Er muß sich nicht mit tausenden Kilo an Waffen und Treibstoff an den Tragflächen abschleppen, seine Luft/Luft -Raketen wiegen insgesamt nur wenige hundert Kilo und verursachen nur geringen Luftwiderstand.
Dieser Gewichtsvorteil schlägt sich in generell wesentlich besseren Flugwerten nieder.
Wendigkeit, Steigleistung, Beschleunigung - in allem ist ein Abfangjäger einem eindringenden Flugzeug welches hier ein beliebiges Ziel angreifen möchte überlegen.
Der Gegner muß seine Zuladung abwerfen um diesen Nachteil zu kompensieren, was zur Folge hat daß er seinen Auftrag nicht mehr durchführen kann.
Er kann aber auch seiner Angriffsstreitmacht eigene Jäger zum Schutz mitgeben, hier geben moderne Radarsysteme mit Mehrfachzielerfassung und Mehrfachbekämpfung dem Jägerpiloten die Möglichkeit auch eine zahlenmäßige Überlegenheit auszugleichen.
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Es ist also durchaus möglich den österreichischen Luftraum effektiv und wirkungsvoll zu Überwachen.
Österreich ist ~3,5 mal so groß wie Israel (inkl. besetzter Gebiete) und mehr als doppelt so groß wie die Schweiz.
Israel beherrscht seinen Luftraum uneingeschränkt und schafft das mit rund 80 x 300 km Fläche,
die Schweiz ist ebenfalls Herr im eigenen kleinen Haus und kontrolliert erfolgreich rund 140 x 240 km Fläche und niemand würde dort auf die Idee kommen es wäre nicht möglich.
Morgen?
Seit 1996 stehen in der Langzeitplanung neben dem Budgetposten Verteidigung die Worte "Kampfflugzeuge - Sonderfinanzierung".
Diese beiden Worte lassen die Verantwortlichen im luftleeren Raum hängen.
Sie müssen den politischen Auftrag mit einem Gerät erfüllen mit dem dies zunehmend schwerer fällt.
Jeder Pilot braucht eine Mindestanzahl an Flugstunden um nicht "einzurosten".
Beim Minimum von 10 Stunden im Monat sind die Drakenpiloten jetzt bereits angelangt und es fällt zunehmend schwerer diese 10 Stunden zu halten, spätestens ab 2003 wird es nicht mehr möglich sein diese Minimumzahl zu halten.
Spätestens dann müßte ein Teil der Nachfolgeflugzeuge im Dienst stehen oder das komplizierte Gefüge bricht unwiderruflich zusammen.
Mit mindestens 3 Jahren Vorlaufzeit muß aber gerechnet werden um neues Gerät in Funktion zu bringen, dies bedeutet daß spätestens Anfang 2000 eine Entscheidung über die Luftraumüberwachung getroffen werden muß andernfalls man deren Auflösung zur Kenntnis nimmt.
Zusammenfassend muß gesagt werden daß "der Österreicher" ein recht seltsamer Mensch ist.
Es paßt ihm nicht daß ausländische Militärflugzeuge über seinem Kopf herumdüsen und die Aufregung ist groß wenn wieder einmal irgendwer die Lufthoheit ignoriert.
Selber ist der Österreicher aber nicht bereit die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen um dem Problem Herr zu werden.
Den "Draken" bezeichnet er als "Schrott" etwas besseres will er sich aber nicht leisten.
Spätestens nach der Nationalratswahl 1999 wird man sich über die Zukunft Gedanken machen müssen.
Allzulang kann man sich aber dann für diese "unangenehme Angelegenheit" nicht Zeit lassen, der "Point of no return" kommt schon vor dem Frühjahr 2000.
www - Links
Die Presse, 02.07.1998
Tief im Berg ist das Raumschiff startklar
Das Bundesheer hat die Utopie realisiert: Lokalaugenschein im geheimen Kommandozentrum.
VON ANDREAS UNTERBERGER
Die Homepage der österreichischen Luftstreitkräfte
Zeilzuweisungsradar (ZZwR) und Tieffliegererfassungsradar (TER)
Großraumradarstation
Mobiles Radargerät
Bilder vom TER und vom Draken gibts auch auf der Fotopage der Fliegerdiv.