www.airpower.at HOHE SCHULE

Foto: Martin Rosenkranz
Als Rettungshubschrauber im Hochgebirgseinsatz, Alouette III
Durch die vorherrschende Topographie Österreichs ist es für die Piloten der österreichischen Heereshubschrauber elementar notwendig, auch in schwierigstem alpinen Terrain Einsätze fliegen zu können. Dies ist in den vielen Rettungs- und Versorgungseinsätzen, die jährlich von den Hubschraubergeschwadern durchgeführt werden, dokumentiert. Auch deshalb ist das Image des Drehflüglers gegenüber den Flächenfliegern in Bevölkerung, Politik und Medien immer etwas höher gelegen. Wenig bekannt wird sein, daß nach der Grund- und Typenschulung, der österreichische Heerespilot einen speziellen Perfektionskurs absolvieren muß, ohne den er nicht uneingeschränkt verwendbar wäre. Noch weniger jedoch, daß schon viele Jahre auch regelmäßig Hubschrauberpiloten aus dem Ausland an diesem Programm teilnehmen.

Dieser hochspezialisierte Lehrgang wird im Fachjargon abgekürzt HGL- (= für Hochgebirgslande-) Kurs genannt. Die Standorte der zweimal jährlich stattfindenden Tranchen liegen stets auf Kasernengelände, so zuletzt Ende September am Truppenübungsplatz Hochfilzen in Tirol. COCKPIT hat hier, zusammen mit 2 britischen, 2 amerikanischen und einem französischen Piloten, erstmals teilgenommen.

Da hier in Höhen zwischen 2.500 und 4.000 Metern operiert wird, ergeben sich bestimmte Faktoren, mit denen man sich auseinander zu setzten hat. Der wichtigste davon ist die Vielfalt der Wetterphänomene des Hochgebirges. Deshalb hat das erste entscheidende Wort in der Flugvorbereitung stets der Meteorologe, denn Hubschrauberfliegen oberhalb der Baumgrenze ist stets Fliegen im Grenzbereich.

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Gleißender Sonnenschein und Nebelbänke, Wetterextreme mit denen die Piloten kämpfen.
Unterhalb der Gipfel und häufig um Sättel, Scharten und Kogel trifft man oft auf ganz andere Windstärken und -richtungen, als die allgemeine Wetterlage vermuten läßt. Die Ausführungen des "Wetterfrosches" sollen dem Piloten ermöglichen, speziell für diese Windverhältnisse ein Gespür oder wenigstens gesteigerte Sensibilität als bisher zu entwicklen. Erstaunlich ist, daß mit den technischen Hilfsmitteln, gepaart mit jahrelangem Erfahrungsschatz der Heeresmeteorologen, ganz präzise regionale Wetterabläufe prognostiziert werden können. So wird etwa die zeitliche Eingrenzung des Abreißens eines Wolkenstaues entlang des Alpenhauptkammes oder das Zusammenbrechen herrschenden Föhns immer wieder punktgenau getroffen.

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Der mittlere Transporthubschrauber AB-212, der leistungsfähigste Hubschrauber des Heeres.
In den Theorieteilen sind regelmäßig Erläuterungen des Fliegerarztes und eines Psychologen des heerespsychologischen Dienstes angesetzt. Für den Gebirgseinsatz nicht zu unterschätzen und unerwartet gefährlich ist jedenfalls die Hypoxie (Sauerstoffmangel), denn in 5.500m Höhe herrscht etwa nur mehr der halbe Sauerstoffpartialdruck. Interessant ist in diesem Zusammenhang, das regelmäßig festgestellte Entsetzen amerikanischer Crews, wenn sie erkennen, daß die österreichischen Maschinen gar keinen Sauerstoff an Bord haben, obwohl sie doch - aus Army-Sicht - regelmäßig so hoch hinaus gehen! Auch sind einige Phänomene zu nennen, die sich ergeben können, wenn man in einigen Minuten auf drei Kilometer Seehöhe befördert wird. So beispielsweise die Veränderung einer leichten Verkühlung innerhalb der Nebenhöhlen oder die Wirkung stark blähender Speisen und Getränke. All dies scheint den Gast-Teilnehmern wohl geläufig zu sein, wurde aber scheinbar im Staffelbetrieb in den Hintergrund gedrängt.

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Ein Alouette III im Landeanflug
Theorieteil:
Die Ausführungen des Psychologen sind für einige der ausländischen Piloten - nicht nur wegen Sprachproblemen auf diesem Fachgebiet manchmal nicht einfach zu verfolgen. So wird berichtet, daß im eigenen Land die sog. Human-Factors nicht so ausführlich behandelt werden wie in Österreich. International wird im Normalbetrieb meist nur am Boden durch einen - Psychologen unterstützt und auch dann oft nur auf eigenen Wunsch. Die Österreicher werden hingegen regelmäßig von heereseigenen Fachleuten - gebrieft, allerdings auch nur am Boden. Jedoch wurde pilotenseitig der Wunsch nach einem sog. - Supervisionsflug geäußert, speziell fernab gewohnter Fluggebiete.
Foto: Martin Rosenkranz
Bestes Flugwetter, aber zwischen Sonnenschein und Schneegestöber liegen im Hochgebirge oft nur 30 min.

Gerade im Gebirge treffen viele verschiedene psychologische Faktoren zusammen, daher wird vom Team Psychologe und Arzt die Etablierung bzw. Wiederauffrischung des Gefahrengespürs als Hauptzweck dieses Lehrganges gesehen. Überschätztes Selbstvertrauen, Anspannung und Nervosität, vielleicht durch übersteigerte Erfolgsmotivation und Auftragsdruck hervorgerufen, gilt es bewußt zu machen. Ein oder eine Kombination dieser psychologischen - Zustände können vielleicht gepaart mit optischer Fixation oder sensomotorischen Fehlern (Zusammenspiel Hirn-Auge, Hirn-Hände und-Füße...) einen gefährlichen persönlichen Zustand ergeben. Zwar muß man sich dessen gar nicht bewußt sein, aber besonders im Hubschrauber kann das schnell in einen Bereich führen, bei dem schon über die Hälfte Glück über einen Unfall entscheiden. Auch physische Ermüdung ist bei Einsätzen im Hochgebirge und bei widrigen Wetterbedingungen ein Thema. Durch etwa, wird die erschwert Informiert wird also nicht über die Ermüdung durch zu wenig Schlaf, sondern gemeint ist das durchschnittliche Energiepotential, das eben durch jene zu koordinierenden Einflüsse in kurzer Zeit verbraucht ist.

Diesem Themenkomplex wird soviel Aufmerksamkeit geschenkt, weil man versucht, einen gewissen Grundstock an Bewußtsein zu vermitteln, was auf Grund der äußerst unterschiedlichen Vorkenntnisse der Teilnehmer eine herausfordernde Aufgabe ist. Generell machen sich so manche der Lehrenden - in Sachen der generellen Persönlichkeitsstruktur zwischen einem Kleinstaat und einer eher globalen Macht deutlich Unterschiede in der Selektion von Piloten, bzw. von Offizieren überhaupt, bemerkbar.
Foto: Martin Rosenkranz
Abseits aller Ideologie muß geübt und verfügbar sein was im Extremfall funktionieren soll.

Praxisteil:
Nach dem morgendlichen Briefing, bzw. dem Theorieunterricht an zwei Vormittagen fliegen die vier eingeteilten Verbände in verschiedene alpine Regionen des Übungsgebietes ab und versuchen dort, Übungsannahmen betreffend meist Rettung und Versorgung - umzusetzen und deren Schwierigkeitsgrad mit Dauer des Kurses zu steigern. Vorher Erwähntes wird hier nun plötzlich machmal zu plötzlich real. Ist der ausgewählte Landeplatz einmal eine schräge Geröllfläche von 50m², deren Anflug etwa nur teilweise im Windlee verläuft, ist Minuten später ein firnglänzender, trickiger Sattel ausgesucht. Mit fallweisem Pilotenwechsel wird derselbe Punkt oft mehrmals versucht, bis man die sog. - Human-Factors an den durchgeschwitzten Overalls ablesen kann. Nach etwa zwei Stunden wird nach dem Mittagessen ein Nachmittagsblock angesetzt, dem ein- bis dreimal in der Woche noch Nachflug bis etwa 22 Uhr folgt. Die dafür ausgesuchten Außenlandepunkte werden schon tagsüber markiert und diese HGL-Spezialität ist dann die wirkliche Hohe Schule, so auf jeden Fall das Urteil der Gastpiloten.

Es ist nur irgendwie schade, daß die österreichische Öffentlichkeit gar nicht ahnt, wieviel militärische Professionalität auch im internationalen Vergleich - hier vorhanden ist. Oftmaliger Anti-Heeresstimmung bzw. stimmungsmache zum Trotz, ist hier vorherrschend caritatives Engagement und keinerlei - Killer-Training zu bemerken.

Sabine HEDA für das schweizer Fachjournal COCKPIT


© - Text: Sabine Heda

© - Fotos,Grafik: Martin Rosenkranz

Letzte Aktualisierung: 02.05.99