"Alpha"
 

Von früh Morgens bis spät Abends in Alarmbereitschaft - die Draken im Zeltweger "Speed-Shelter".
Foto: Martin Rosenkranz

Fehlende Identifikation, kein Funkkontakt, keine Überflugsrechte. Nicht sehr viel Zeit bleibt zur Klärung der Situation bevor der Befehl zum Alarmstart gegeben werden muss.
Foto aus dem Film "On alert", HBF

GCI-Offiziere am Radarschirm führen die Abfangjäger zu den Kontakten.
Foto: Bundesheer

Hinter und unter dem fraglichen Kontakt drehen die Abfangjäger ein.
Foto aus dem Film "On alert", HBF

Jemand Zuhause? Radar kann nur das Vorhandensein eines Luftfahrzeuges feststellen. Allein die optische Überprüfung ermöglicht eine zweifelsfreie Identifizierung.
Foto: Georg Mader

Mit "Flügelwackeln" fordert der Jägerpilot das fragliche Flugzeug zum folgen auf. Sehr selten aber doch kam es schon zu Landezwängen in Österreich.
Foto aus dem Film "On alert", HBF

18x seit dem 11.September sind Abfangjäger aufgestiegen um nach Verlust der Kommunikation mit Zivilluftfahrzeugen nach dem rechten zu sehen.
Foto: HBF / Lechner

VIP-Eskorte - auch eine Aufgabe der Abfangjäger, die in Zeiten eines immer aggresiveren Terrorismus wieder weniger repräsentativen dafür aber umso mehr Schutzcharakter bekommen hat.
Foto: Bundesheer

Priorität: Alpha

Unvermutet beginnt eine Alarmsirene zu heulen...und während man als Unbeteiligter in der näheren Umgebung noch nach den Anzeichen eines Brandes sucht, laufen Techniker zu abgestellten Maschinen und beginnen augenblicklich bei den schon vorgecheckten Flugzeugen mit Startvorbereitungen. Stromaggregate werden hochgefahren.

Eine Tür wird aufgerissen und Piloten in voller Montur rennen zu ihren Maschinen. Der Waffenmeister hält ihnen das rote Schild "SCHARF GELADEN" vor die Nase, das er soeben aus dem Cockpit entfernt hat. So können keine Missverständnisse aufkommen, bevor die beiden Piloten in die engen Cockpits ihrer Überschalljets klettern.

Je ein Techniker kommt hinzu und hilft den Piloten bei seinen Startvorbereitungen - anschnallen, Sauerstoff für die Maske und Druckluft für die Anti-G-Hose anschließen. Auch die Beine dürfen nicht vergessen werden, sie werden ebenfalls mit Leinen am Schleudersitz gesichert, damit sie bei einem möglichen Ausstieg automatisch an den Sitz gezogen werden und die Gefahr von Verletzungen gemindert wird. Ganz automatisch laufen die unzählige Male geübten Handgriffe ab - alles muss schnell gehen.
Noch ein abschließender Klaps auf die Schulter oder den Helm - Glück ab...und bring mir mein Flugzeug heil wieder - und schon ist der Techniker wieder am Boden und hängt die kleine Leiter aus. Während der Pilot die Kanzel schließt, wird vom Boden aus schon signalisiert, dass der Jet bereit ist für den Start des Triebwerks.

Ein ohrenbetäubendes quietschendes Pfauchen zerreist die Luft, als die Piloten die Anlasser betätigen. Iso-Propyl-Nitrat aus einer kleinen Patrone verschafft mit ungeheurer Kraft den Triebwerken binnen Sekunden genügend Umdrehungen, dass sie den Prozess des Ansaugens-Verdichtens-Verbrennens aus eigenem Antrieb fortsetzen können.
Aufmerksam beobachten die Piloten für einige Sekunden die Anzeigen ihren Cockpits, bis diese sich langsam bei den Sollwerten einpendeln - alles ok.
Die Leitungen vom Aggregat werden vom Jet getrennt. Das Radar und die Visiereinstellung werden überprüft und die Waffentechniker entfernen Sicherheitsstifte und die Schutzkappe des Suchkopfes der scharfen Luft/Luft-Raketen. Techniker streichen mit der Hand kurz vor den Suchköpfen der Sidewinder-Rakete vorbei - das reicht vollkommen um das vertraute Brummen zu produzieren, dass den Piloten die korrekte Funktion der Suchköpfe signalisiert.

Noch einmal salutiert und schon setzten sich die beiden Jets in Bewegung.
"EAGLE 01 Formation taxing on alert" meldet der Formationsleader dem Tower als die Jets aus dem Alarmshelter die wenigen Meter zur Startposition rollen.
Ohne weitere Verzögerung gibt der Tower den Runway frei - "Line up RWY 26, ready to copy the clearance" - etwaige Jets im Landeanflug werden angewiesen diesen abzubrechen und eine Runde zu drehen - denn jetzt zählt jede Sekunde.
"go ahead" meldet EAGLE 01 als die Jets auf die Landebahn rollen um ihre Startposition einzunehmen. Die Bremsen werden angezogen.
Die Startfreigabe des Towers - "Depart on HDG 270, cleared FL 240, squawk 1501, Priority "A" Cleared for Take off RWY 26 Wind 240/5...." - lässt nicht auf sich warten und ist das Signal dafür, die Triebwerksleitung auf hohen Trockenschub zu steigern und die Landescheinwerfer einzuschalten.
Mit "EAGLE 01" bestätigt der Formationsleader die Freigabe des Towers und ein Kopfnicken reicht um seinen Flügelmann anzuweisen die Bremsen zu lösen und mit dem Anlauf zum Abheben zu beginnen. Wenige Sekunden später ist ein weiteres Kopfnicken das Signal den Nachbrenner zu zünden.
Rund vier Minuten sind seit dem heulen der Alarmsirene vergangen - jetzt schießen die beiden Jets pfeilschnell die Startbahn entlang, heben ab, ziehen das Fahrwerk ein und gewinnen an Höhe - um so schnell wie möglich das Ziel des Einsatzes zu erreichen.

 

Doch wie kommt es zu einem "Alpha" ?

Die Gründe sind verschieden, der Ablauf ab einem gewissen Punkt aber immer gleich.

Nähert sich ein Luftfahrzeug, dass nicht identifiziert werden kann und/oder mit dem kein Funkverkehr aufgenommen werden kann und/oder das keine Überflugsrechte besitzt, der Österreichischen Grenze und wird eine Luftraumverletzung wahrscheinlich, löst das CRC den ersten Alarm aus - "Sitzbereitschaft" für die Piloten wird angeordnet.
Das heißt, die Piloten des Überwachungsgeschwaders begeben sich zu ihren Maschinen, um in den Cockpits den entgültigen Einsatzbefehl abzuwarten. Meist schaffen die Piloten es aber gar nicht diese wirklich einzunehmen, denn oftmals wird schon sehr kurz danach ein Alarmstart der Abfangjäger (Priorität: "Alpha") angeordnet.
Um die Sicherheit für den Zivilluftverkehr zu gewährleisten, wird auch die austrocontrol verständigt, dass in kürze Abfangjäger mit "Priorität Alpha" aufsteigen. Entscheidungsbefugnis liegt bei der austrocontrol aber keine, ihr bleibt nur die Aufgabe, den für die Abfangjäger benötigten Luftraum freizumachen.

Die Ablauflinie, ab der ein "Alpha" angeordnet wird, liegt je nach Bereitschaftsgrad etwa 60 bis 100km vor der österreichischen Staatsgrenze. Die Ereignisse vom 11. September 2001 haben hier zu einigen Änderungen in Österreich geführt. So lag die Befugnis zur Anordnung eines Abfangeinsatz vorher auf ministerieller Ebene - eine Befehlskette die sich als zu zeitaufwendig herausstellte. Jetzt liegt die Befugnis solche Einsätze anzuordnen in der Luftraumüberwachungszentrale direkt. Außerdem wurde die Ablauflinie etwas nach außen verschoben um früher Abfangjäger in die Luft bringen zu können.

Einmal in der Luft werden die Abfangjäger nach dem System des "Ground Controlled Intercept" geführt. Dabei weist ein Offizier an einem Radarschirm in der Luftraumüberwachungszentrale die Piloten an, in welche Richtung und welcher Höhe sie zu fliegen haben.
Notwendig ist das, weil der Draken nur ein Radargerät mit sehr begrenzter Reichweite, die Saab 105 überhaupt kein Radargerät hat . Außerdem unterscheiden sich diese beiden Luftfahrzeuge auch im Bezug auf Fluggeschwindigkeit und Ausdauer und auch die Wetterlage und andere Luftfahrzeuge sind Faktoren. Dementsprechend unterschiedlich ist der Arbeitsaufwand beim "Alpha". Denn es muss auch die Sicherheit im Luftraum berücksichtigt, andere Luftfahrzeuge im Luftraum nicht gefährdet werden und der Abfangjäger muss in der Endphase an den fraglichen Kontakt präzise und sicher herangeführt werden - und nicht mit Wahnsinnsgeschwindigkeit auf Kollisionskurs.
Damit die GCI-Offiziere für diese Aufgabe auch das richtige Gefühl für die Möglichkeiten der von ihnen geführten Jäger haben, sind sie regelmäßig Gäste auf den Co-Sitzen der Saab 105.

Am Kontakt

Die Abfangjäger werden von hinten und unten an fragliche Luftfahrzeuge herangeführt. Während ein Jäger in 6-Uhr-Position (hinter dem abzufangenden Kontakt) verbleibt, geht der Zweite längsseits.

Je nach Grund des Einsatzes unterscheiden sich die Vorgehensweisen.

Flugzeuge die ihren Flug nicht fortsetzen dürfen werden unmissverständlich und unter Androhung von Waffengewalt in zwei Sprachen aufgefordert zu folgen und zur Landung gezwungen. Es liegt hier bereits im Ermessen der Piloten solch einer Aufforderung mit Warnschüssen aus der Kanone entsprechend Nachdruck zu verleihen.

Sollten die Piloten des fraglichen Luftfahrzeuges nicht wie gewünscht reagieren liegt es im Ermessen des Ministers für Landesverteidigung bzw. des Generaltruppeninspektors - die im Fall eines "Alpha" kontaktiert werden - weitere Entscheidungen zu treffen.


Letzte Aktualisierung: 03.09.2002