Das JSF-Gap, Teil 3
Geschützte Werkstatt
Als sich Anfang der 90er Jahre die Sowjetunion auflöste und ihren Nachfolgestaaten Platz machte, war die russische Rüstungsindustrie - und mit ihr das Luft- und Raumfahrtsegment - faktisch erledigt. Die Zeiten wo man in dem ganzen riesigen Land keine einzige freie Produktionsstrasse mehr fand, um die nächste Flugzeugtype Realität werden zu lassen, waren vorbei - der Russische Staat bankrott.
Doch "
Russland kann man nicht verstehen, an Russland kann man nur glauben" heißt es. Mit dieser Art Glauben im Gepäck muss damals der russische Flugzeughersteller Sukhoi angetreten sein etwas zu realisieren, was weltweit kein anderes Unternehmen in diesem Marktsegment je geschafft hat. Ohne nennenswerte finanzielle Hilfe des russischen Staates wurde auf Basis der Su-27 "Flanker" im Laufe der Jahre eine Familie von Hochleistungs-Kampfflugzeugen entwickelt - und das fast ausschließlich mit Geldern die im Export verdient wurden.
Der Schlüssel für diesen Erfolg sind die beiden bevölkerungsreichsten Länder der Welt - China und Indien.
Beginnend 91/92 bekam China zuerst Su-27K/UBK später auch Su-30MKK geliefert und zeichnete auch Abkommen zur Lizenzproduktion dieser Typen. Alleine von 1992 bis 1999 zeichnete Peking Waffenimporte in Gesamthöhe von fast USD 11 Mrd., womit die Volksrepublik zum größten Waffenimporteur der Welt aufstieg - und ein Gutteil davon floss in die Luftwaffe Chinas. Offiziell sind bisher an China knapp über 200 Flanker's ausgeliefert worden und über 100 sind noch in Fertigung. Allerdings gibt es begründeten Verdacht, dass sowohl China als auch Russland die wahren Stückzahl der gelieferten Flugzeuge verschwiegen haben und die "People's Liberation Army Air Force" (PLAAF) möglicherweise jetzt schon zwischen 300 und 400 Stück dieser modernen schweren Kampfflugzeuge im Einsatz hat.
1996 entschied sich Indien für die Su-30MKI - eine Variante die auch westliche Avionik - konkret aus Frankreich - beinhaltet. 4 Jahre später einigten sich Russland und Indien auf ein Abkommen zur Lizenzproduktion in Indien von 100 - 140 Maschinen über einen Zeitraum von 20 Jahren. Beinahe parallel dazu wurden weitere 10 Su-30MKI geordert, womit längerfristig die Stückzahl in Indien die 200 erreichen könnte.
Über Geld spricht man nicht, man hat es....
An Sukhoi sowie dem Triebwerkshersteller Lyulka/Saturn und den angeschlossenen Avionik-Herstellern gingen diese Exportorgien nicht spurlos vorüber. Präsentationen der Hersteller bei großen internationalen Luftfahrtmessen halten selbst höchsten westlichen Standards mühelos stand.
Sukhoi kann es sich inzwischen sogar leisten westliche Hersteller auf deren eigenen Märkten zu ärgern und offerierte "Peanuts" abzulehnen. So interessierte sich Japan Ende der 90er für zwei Maschinen des Typs Su-30 um sie als "Aggressor" zu betreiben und musste zur Kenntnis nehmen, dass Sukhoi an einem Export von weniger als sechs Maschinen nicht interessiert ist.
Erster bemerkenswerter Step in den Westen war die Teilnahme an der koreanischen "F-X" Ausschreibung. Die koreanischen Verantwortlichen müssen sich vermutlich die Schmerzensschreie verbissen haben, als sie aus politischen Gründen 40 Stk. F-15K um über USD 4 Mrd. akzeptieren mussten - Sukhoi hätte um das selbe Geld fast dreimal so viele Su-35 geliefert.
Auch in Singapur schied Sukhoi zuletzt aus und kam nicht in die Endauswahl aus F-15, Eurofighter und Rafale. Auch das war keine Schande, saß man doch mit den verdutzten Managern von Lockheed Martin im selben Boot - und die hatten vorher immerhin schon an die 50Stk. der F-16 "Fighting Falcon" an Singapur verkauft.
Ein äußerst heißer Kandidat ist Sukhoi in Brasilien - das große Flugzeug mit seiner enormen Reichweite scheint wie geschaffen für dieses riesige Land.
Jedenfalls hat kein westlicher Hersteller einen Schlüssel zur Hand um Sukhoi zu bremsen. Mit Lohnkosten die etwa um den Faktor 10 geringer sind als die der westlichen Konkurrenz, ist man auf manchen Märkten schlicht konkurrenzlos. Und nicht nur das. Russland und seine Rüstungsindustrie haben keine Skrupel in Krisengebiete zu liefern. Nur bei Kriegen hält man sich nach dem Äthiopien/Eritrea-Vorfall, wo man der einen Seite MiG-29 und der anderen Su-27 lieferte, zumindest offiziell zurück - das war Moskau letztendlich dann doch zuviel.
Präsidentin Megawati Sukarnoputri schloss mit Russland einen der wohl schnellsten Fighter-Deals aller Zeiten ab.
Ohne Ausschreibung wurden die Sukhois im April bestellt und im August geliefert.
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Cash and Carry
Wie schnell Russland inzwischen solche Deals abwickeln und wie offensiv man die Chance ergreift in vormals fremde Märkte einzudringen, bewies Russland zuletzt einer verblüfften Fachwelt am Beispiel Indonesien.
Indonesien, welches mit F-16A/B, F-5E, A-4E und Hawk Mk 109/209 bisher auf westliche Kampfjets setzte, steht seit 2002 unter einem US-Waffenembargo und bekommt daher zunehmend Schwierigkeiten mit der Ersatzteilversorgung. Noch 1998 war ein größerer Flugzeugdeal zwischen Russland und Indonesien aufgrund einer finanziellen Krise gescheitert. Beim Besuch von Präsidentin Megawati Sukarnoputri im April 2003 in Moskau machten die Russen dann den Sack zu. Geradezu handstreichartig stellte Russland mit einem USD 197 Mio. Barter-Trade einen Fuß in die Tür.
Frau Megawati konnte zurück aus Moskau dem überraschten Parlament und dem verblüfften Chef der Luftwaffe "frohe Kunde" unterbreiten, dass sie je zwei Su-27SK und Su-30MK Kampfjets und zwei Mi-35M Kampfhubschrauber bestellt hatte - ganz ohne auf die bestehende Beschaffungsgesetzgebung Rücksicht genommen zu haben. Der "Gesetzes-Bypass" bei diesem Deal hatte letztendlich keine Folgen und die Flugzeuge wurden - abgezweigt aus der laufenden (China-?)Produktion - schon per Ende August 2003 geliefert - und 44(!) weitere Flanker's sollen folgen.
"einen weiten Raum für Traum und Leben werden künftige Jahre uns eröffnen"
(Auszug aus der Nationalhymne der Russischen Föderation)
Im Kreml hat man noch lange nicht genug von den wirtschaftlich überlebensnotwendigen Einnahmen aus dem Waffenexportgeschäft. Und da auch in Russland die Generation Mig-29 und Su-27 einmal ersetzt werden muss, hat Moskau zwischen 1998 und 2002 alles was bei den Russischen Jagdflugzeugbauern Rang und Namen hat in Reih und Glied formiert, um einen Nachfolger für die derzeit im Dienst und in Fertigung stehende Flugzeuggeneration zu entwickeln.
Sukhoi wurde unter der Projektbezeichnung "PAKFA" (Perspektivnnyi Aviatsionnyi Kompleks Frontovoi Aviatsyi) mit der Führung des Entwicklungsprogramms beauftragt, MiG und Yakovlev werden assistieren.
Die Entwicklung wird außerdem durch namhafte Forschungsinstitute (Staatliches Forschungsinstitut für Luftfahrtsysteme "Gos-NIIAS", Zentrales Aero- und Hydrodynamisches Institut "TsAGI", Forschungsinstitut für Luftfahrttriebwerks-Technologie und Produktion "TsIAM", Zentrales Materialforschungsinstitut "VIAM", Nationales Institut für Luftfahrttechnologie "NIAT"), sowie den Triebwerkshersteller Lyulka/Saturn, das Ramenskoye Instrumentendesignbüro "RPKB", den KnAAPO Fertigungsbetrieb, die Waffenhersteller Vympel und Strela und andere Unternehmen unterstützt.
Die J-10 soll die Leistungen einer F-16 erreichen.
Auch dieses Flugzeug konnte China nur mit ausländischer Hilfe und ausländischer Technik verwirklichen.
Israel, Pakistan und Russland sind Geburtshelfer für den neuen Jäger.
Der FC-1 Jäger wird um ein mehrfaches teurer sein als der J-7/F-7 Vorgänger.
Der "Jianjiji-7" wurde über 400x exportiert und ging an Albanien, Bangladesh, Ägypten, Iran, Irak, Myanmar, Pakistan, Sri Lanka, Sudan, Tanzania und Zimbabwe.
Ob diese Kunden den FC-1 akzeptieren oder doch lieber beim billigeren Vorgänger bleiben wird sich zeigen.
Fotos: PLAAF
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Möglicherweise kommt es auch zu einer Entwicklungs-Beteiligung von einem oder gar beiden Sukhoi Hauptkunden - China und Indien. Vielleicht gibt es aber auch schon eine stille Teilhaberschaft. Immerhin kann der Russische Staat alleine die Bürde der Entwicklungskosten - schätzungsweise zwischen USD 7 und 10 Mrd. - kaum tragen. Eile scheint jedenfalls ein vorrangiges Ziel zu sein. Ab 2006 sollen Prototypen fliegen, das neue Flugzeug 2010 in Fertigung gehen. Als Richtpreis stellt man sich für das Endprodukt eine Größenordnung von USD 35 bis 40 Mio. "fly away" vor - gemessen am Geldwert 2002.
Eine Klasse für sich
Das absolute Low-Cost Segment am Kampfflugzeugsektor deckte bisher China ab.
Bis heute verkauft man unlizenzierte Kopien der MiG-21 (J-7 bzw. F-7 im Export) an Länder wie Sudan, Zimbabwe, Sri Lanka, Bangladesh,.... um Stückpreise die im unteren einstelligen Mio.-US-Dollar-Bereich beginnen. Parallel dazu waren bis 1989 auch mehrere Projekte mit westlichen Herstellern gelaufen, um die chinesischen Kampfflugzeuge mit westlicher Technologie zweiter und dritter Ordnung - vor allem im Bereich Elektronik und Triebwerke - zu verbessern.
Zuerst das Tienenman-Massaker und dann der Niedergang der Sowjetunion, mit dem darauffolgenden Überlebenskampf der russischen Rüstungsindustrie, änderten die eingeschlagene Richtung fundamental. Statt Zusammenarbeit mit dem Westen wurde man zum Hauptkunden für russische Militärtechnologie der obersten Entwicklungsstufe. Das ging sogar soweit, dass der Russische Generalstab schon mehrmals ernsthafte Bedenken äußerte, weil der große Nachbar im Süden mehr und moderneres Gerät einkaufte als sich der Russische Staat selbst leisten konnte.
Weitere Hilfe erhielt die chinesische Flugzeugindustrie von Israel - welches Daten ihres gescheiterten "Lavi"-Projektes zur Verfügung stellte - und auch Pakistan, von wo man gerüchteweise eine F-16A für Tests und "reverse-engineering"-Versuche zur Verfügung gestellt bekam.
Wie todernst die US-Administration diese Gerüchte nimmt zeigt sich auch an der Tatsache, dass US-Kontrollore nachweislich unangekündigt Israel besucht und dort die vorhandenen F-16 Stück für Stück gezählt und in Augenschein genommen haben.
Seit vielen Jahren versucht also China sich technologisch die Leiter hinaufzustemmen, um zu einer eigenständigen unabhängigen Luftfahrt-Rüstungsindustrie zu kommen - eine Grundvoraussetzung um die strategischen Ziele Chinas, in der Taiwan-Frage und in den Territorialstreitigkeiten im Südchinesischen Meer (Paracelsus & Spratley Inseln), längerfristig - und wenn notwendig militärisch - durchzusetzen.
Mit Beginn des dritten Jahrtausends ist man nun offenbar an einem Punkt angelangt wo man die Leistung der bisher gebauten Eigenentwürfe mit zwei neuen Produkten (FC-1 & J-10) erheblich übertreffen kann.
Offiziell gibt es bisher nur Pakistan als Exportkunden für die FC-1. Es steht aber zu erwarten, dass sich noch weitere Länder dafür interessieren sobald die Produktion einmal läuft. Der Markt für chinesische Kampfflugzeuge wird weiterhin die unterste Preisklasse bleiben. Wie bisher wird ein niedriger Preis und schnelle Verfügbarkeit für Chinas Kunden von größerer Bedeutung sein als technologische Spitzenleistung und lange Lebensdauer. Und China hat keine Bedenken damit bei zwischen- oder innerstaatlichen Konflikten in Drittweltländern Geld zu verdienen und über bereitgestellte Berater dort auch wirtschaftlich und politisch Macht und Einfluss zu Gewinnen.
Martin Rosenkranz