Die Ziele

Das Wrack einer FW-190 bei Stockerau.

"Flugmotorenwerk Ostmark" in Wr. Neudorf.
Foto: HGM

Die "Donau-Chemie" in Moosbierbaum während eines Angriffes.
Foto: HGM

Planung

Schon lange bevor erstmals Alliierte Bomber über Österreich auftauchten, standen die Zielprioritäten fest. Mit der Erarbeitung dieser hatten Großbritannien und die USA noch begonnen bevor die Vereinigten Staaten in den 2. Weltkrieg eingetreten waren.
Nach Kriegseintritt der USA ging die Planung an den Vereinigten Generalstab über und dieser sah für eine Bombardierung ab Mitte 1944 - vielleicht auch schon ab Mitte 1943 - Angriffe auf
(1) Flugzeugmontagewerke,
(2) Flugmotorenwerke,
(3) U-Boot-Stützpunkte und -Werften,
(4) das Transportnetz und
(5) die Öl-, Aluminium- und Gummiproduktion vor.

Über die Ziel der Bomberoffensive waren sich die USA und England einig, allerdings gab es grundsätzliche Auffassungsunterschiede über die Angriffsverfahren - und hier kam es zu keiner Einigung zwischen den Alliierten, bestenfalls zur Abstimmung. "Effizientes" Ergebnis dieser Auffassungsunterschiede war jedenfalls das sogenannte 'Around-the-clock-bombing'.

Großbritannien war der Meinung, dass ein massierter Einsatz von Langstreckenbombern im strategischen Luftkrieg mit Erfolg nur Nachts durchführbar sei. Das würde einerseits die Chancen der Jagdflieger und der Flak verringern, andererseits mangels Zielsicht nur den Angriff auf große Flächen (ganze Städte) erlauben.
Eigene "Pfadfinder" Bomber wurden mit verschiedenen Leitstrahlverfahren (z.B. H2S) geführt und setzten farbige Zielmarkierungs-Leuchtbomben (auch bekannt als "Christbäume") um den Bomberbesatzungen das Ziel zu weisen. Was folgte war ein langer, sehr aufgelockerter Strom aus Flugzeuge (keine richtige "Formation") oft mehrere hundert - manchmal auch 1.000 Maschinen und mehr die ihre Bomben jede einzeln und für sich allein im markierten Gebiet abwarfen.
Nur besonders bedeutungsvolle Einzelziele wurden sehr selten auch bei Tag bombardiert.

Ganz anders die Amerikaner. Sie sahen den Erfolg im Präzisionsangriff bei Tag, ausgeführt durch Langstreckenbomber die in festgelegter Formation das Ziel in großen Höhen (7- 8.000m und mehr) an und überflogen.
Zweck der sog. "Box"-Formationen war ein verbesserter Schutz des Verbandes vor Jägern - gegenüber der Verteidigungskapazität einer einzelnen Maschine - sowie einer Höhen und Seitenstaffelung die der Flak nicht gestattete mit einer Höheneinstellung den ganzen Verband zu gefährden. Sämtliche Maschinen eines Verbandes warfen über dem Ziel gemeinsam mit der Führungsmaschine.
Selbst die Amerikaner mussten aber im Sommer und Herbst 1943 jedoch über West- und Süddeutschland lernen, dass Verluste unbegleiteter Bomber - nach stundenlangen ungestörten deutschen Jägerangriffen - von 60 oder mehr Maschinen (vielmehr von ca. 650 hochprofessionellen Besatzungen) nicht mehrmals pro Monat durchzuhalten waren. Da bei Tag die Gefährdung durch Jäger also zu gross war, wurden den Bombern Jagdschutz in Form von Begeleitjägern mitgegeben. Diese hatte Anfangs nicht die Reichweite der Bomber, weshalb die Begleitjäger Staffeln überlappend zum Einsatz kamen und jeweils nur für einen Teil der Flugstrecke als Schutz abgestellt waren. Ab der Grenze der Reichweite der Jäger waren die Bomber auf sich allein gestellt.
Dieser Bereich schrumpfte jedoch ab Anfang 1944 mit Ankunft von ausreichenden Stückzahlen an P-51D und P-47D fast gegen Null. Zusätzlich wurden jene Jäger nach ihrer Ablöse bei den Bombern zur "Geissel" des deutschen Schienen-, Strassen- ja Fussgängerverkehrs...

Da die in Großbritannien stationierten Bomber nicht die notwendige Eindringtiefe für Ziele im Süddeutschen Raum und Österreich hatten, war die Niederlage der deutschen und italienischen Bodentruppen in Nordafrika und Süditalien eine wichtige Grundvoraussetzung für die zweite Luftfront. Diese wurde am 1. November 1943 aufgestellt und aus der 15th US Army Air Force und der 205. Group der RAF gebildet. Allgemeiner Auftrag der 15th USAAF war "die fortschreitende Zerstörung und Lähmung des deutschen industriellen und wirtschaftlichen Systems."

Anders als von England nach Deutschland aus führte die RAF im Süden aber nicht jene intensiven Brandbomben-Nachtangriffe auf Großstädte aus, die Deutschland in Schutt und Asche legten. Ein sogenannter "Feuersturm" blieb einer österreichischen Stadt erspart.
Im Österreichischen Luftraum war nur die 205. Group der RAF tätig, welche sich - verglichen mit den Operationen im "Altreich" schmächtig ausnahm und überwiegend für "Kommandooperationen" eingesetzt wurde. Dazu zählte u.A. die Verminung der Donau und auch Nachtangriffe auf Flugplätze der Deutschen Luftwaffe oder z.B. die Luft-Versorgung des Warschauer Aufstandes 1944 mit Waffenbehältern.

Die Ziele in Österreich

Die volle Eingliederung der Österreichischen Industrie in die deutsche Rüstungswirtschaft und die Position als "Reichsluftschutzkeller" führte nach dem "Anschluss" zu einer Vermehrung der kriegswichtigen Ziele.

An oberster Stelle stand die Flugzeugindustrie und da vor allem das "größte Jägerwerk des deutschen Reiches", die Wiener Neustädter Flugzeugwerke als Endmontagelinie der Me-109.
Die Wr.Neustädter Flugzeugwerke (WNF) hatten 1942 insgesamt 1.400 Me-109 ausgeliefert. Das waren 50% der Gesamtproduktion dieses deutschen Standardjägers und lag weit über den beiden Messerschmitt-Werken in Erla und Regensburg. Im Dezember 1942 lag man bei 150 Stk. im Monat, im Juli 1943 waren es bereits 280 Stk., davon nur 20 Reparaturen. Einschließlich der anderen Jägertype (FW-190) kamen 25% aller deutschen Jäger aus Wr.Neustadt.
Ein weiteres wichtiges Industrieziel in Wr.Neustadt waren die zum Henschel-Konzern gehörenden Rax-Werke. Diese bereiteten sich im Frühjahr und Sommer 1943 auf ein Programm vor, dass die höchste Priorität aller Rüstungsprojekte besaß - in den Rax-Werke lief die Produktion der Raketenhüllen für die A-4 (V-2) an. Den Alliierten war das verborgen geblieben.

Weitere Flugzeugindustrie-Ziele waren Hörsching (Me 328), Klagenfurt (Endmontage Me 109), Schwechat (He 162), Zwölfaxing (He 177), Hinterbrühl (He 162), Melk (He 162) sowie Messerschmitt-Zweigbetriebe in Jenbach und Strassfurt, Henschel-Zweigbetriebe in Wien und Flugmotorenwerke in Hallein, Bad Vöslau und bei Steyr-Daimler-Puch, wo an den Standorten in Wien, Graz, Steyr und Wr. Neustadt auch an Kugellagern (Steyr) und Fahrzeugen gearbeitet wurde.

Weitere wichtige Ziele waren:

Ebenfalls ein Hauptziel war die Verkehrsinfrastruktur. Hier wurden vor allem Im Zuge dieser Angriffe wurden ebenfalls die Flakstellungen bekämpft. So warfen Horizontalbomber aus großen Höhen Bomben auf die Stellungen und Begleitjäger griffen in weiterer Folge zunehmend im Tiefflug an.

Die Ergebnisse des strategischen Luftkrieges

Das streng geheime "Norden"-Bombenzielgerät. Der gyroskopisch stabilisierte Apparat konnte nach korrekter Einstellung den Aufschlagpunkt der Bomben aus großen Höhen sehr exakt anzeigen.
Das Gerät wurde als so wertvoll eingeschätzt, dass die USA selbst den Briten dieses nicht zur Verfügung stellten. Der Bombardier war im Fall einer Notlandung oder eines Notausstieges für die Zerstörung des Gerätes verantwortlich und hatt dazu einen Schwur auf Gott und den Präsidenten abzuleisten.

Das korrekte Anvisieren oblag dem "Master-Bombardier", sämtliche Maschinen eines Verbandes warfen gleichzeitig mit ihm.

Die Auswirkungen des strategischen Luftkrieges wurden von den USA teils vollkommen falsch und teils überbewertet. So hatten die Angriffe auf die Rüstungsindustrie (Flugzeuge, Kugellager, Panzer, etc.) - trotz erfolgreicher Treffer und großer Zerstörungen - kaum Auswirkungen auf die Ausstoßmengen an Rüstungsgütern oder den Rüstungsstand der Wehrmacht. Erfolgreich durchgeführte Rationalisierungen, Dezentralisierungen und Verlagerungen der Produktion in bombensichere Bereiche (Bergwerksstollen, etc.) sowie der rücksichtlos brutale Einsatz von 10.000en Zwangs- und Fremdarbeitern, KZ-Häftlingen und Kriegsgefangenen ließen gerade zum Zeitpunkt der schwersten Bombardierungen die Produktionsziffern in nie erreiche Höhen steigen. Allenfalls könnte man mutmaßen, dass die Mengen nicht noch höher gestiegen sind.

Dramatisch hingegen die Angriffe auf die Ölindustrie. Gerade die Menge an Flugzeugtreibstoffe, die aufgrund der hohen Oktanzahl mehrfach raffiniert werden mussten um zum Endprodukt zu kommen, fiel ins Bodenlose.
So kam es, dass die Alliierten nach Ende der Kampfhandlungen auf den Österreichischen Flugplätzen noch über 400 einsatzbereite Jagdflugzeuge der deutschen Luftwaffe vorfanden. Der generelle Spritmangel hatte die Maschinen an den Boden gefesselt.

Zwar waren die Angriffe auf die Verkehrsinfrastruktur konstant und stark, doch wurde ebenso konstant und schnell an der Behebung der Schäden gearbeitet. Eigens aufgestellte Reparaturzüge wurden gezielt zur Behebung der Schäden eingesetzt und mittels Beobachtern die Reparaturtrupps bei der Arbeit vor Tieffliegerangriffen gewarnt. Schon vor den Angriffen errichtete Umgehungsschleifen um neuralgische Punkte taten ihr übriges. Der nahezu gänzlich auf die Eisenbahn angewiesene Zivil-, Industrie- und Militärverkehr wurde zwar generell etwas verlangsamt und örtlich für kurze Zeiträume blockiert, kam aber bis zuletzt nicht gänzlich zum Stillstand.
Mit Kriegsende waren die Bahnhöfe und Knotenpunkte Wien-Süd / -Nord / -Ost / -NW / -Matzleinsdorf / -Heiligenstadt / -Nußdorf / -Floridsdorf; Strasshof; Bruck/Leitha; Wr.Neustadt; St.Pölten; Krems; Amstetten; Linz; Wels; Attnang-Pucheim; Salzburg; Gnigl; Bischofshofen; Wörgl; Innsbruck; Knittelfeld; St.Veit; Villach; Spittal/Drau; Lienz und Graz zu 80-90% zerstört.

Das Eisenbahnnetz in Österreich war auf 41% (2.507km) der Strecken unbefahrbar - 1.566 Weichen und 318 Eisenbahnbrücken waren zerstört. Es gab insgesamt rund 2.100 "Großschadensstellen" und die Bundesbahnen hatten einen Anteil von 16% am Österreichischen Gesamtkriegsschaden.

Bei so gut wie keinem Angriff ist nur das Ziel getroffen worden. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Die Bombardierungs-Methode der USAF war grundsätzlich immer gleich. Eine Formation warf immer gemeinsam, wobei sämtliche Maschinen sich am sogenannten "Master-Bombardier" der Kommandanten-Maschine und seinem "Norden"-Zielgerät orientierten.
Abwürfe außerhalb dieser Norm wurden durchgeführt, wenn aufgrund technischer Probleme oder Treffern an der Maschine die Bombenlast im "Notwurf" ausgeklinkt werden musste. Wohin der "Notwurf" fiel war vollkommen ohne Bedeutung.
Menschliche Faktoren gab es natürlich ebenfalls. Angefangen von einer fehlerhaften oder ungenauen Bedienung der Bombenzielgeräte, über die Angst mit voller Bombenlast einen Flaktreffer zu erhalten bis hin zu Unerfahrenheit, Unachtsamkeit, Unbekümmertheit, psychischer Ausgelaugtheit und Übermüdung, Hass...
Generell war aber auch mit mehreren hundert Flugzeugen ein Punktziel bestenfalls "auch" zu zerstören. Im verbauten Gebiet verursachten aber gerade die nur wenig abweichenden Würfe die meisten Zerstörungen rundum, man beachte dazu z.B. die fast ausschliesslich neuen Häuser rund um die Wiener Bahnhöfe.
Es gab aber auch gute Gründe für die Besatzungen ihr Ziel nicht zu verfehlen. Ungenügende Zerstörung eines Ziels hieß wiederkommen zu müssen - noch mal durch die Jäger, noch mal durch den Flakbeschuss - weil man nicht (gut genug) getroffen hatte.


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