1956/57 - frühe Luftraumverletzungen
 
 

Mit bloßen Händen

Rückwirkend betrachtet muten die Bedingungen, unter denen die Luftstreitkräfte nach 1955 aufgebaut wurden, geradezu abenteuerlich an. Anders als die Bodentruppen, die anfänglich aus dem "Military Assistance Program" eine recht brauchbare und technisch noch halbwegs zeitgemäße Grundausstattung geschenkt bekamen, gingen die Luftstreitkräfte bis auf ein paar Schulungstypen leer aus. Das 1956er Budget sah für das öst. Bundesheer eine Summe von öS 1,1 Mrd. vor, an die 3% (in Worten: DREI Prozent) davon waren für die Fliegertruppe vorgesehen. Trotzdem arbeitete man verbissen an den Grundlagen, um zukünftig die Lufthoheit des Staates Österreich selbst wahren zu können und sie nicht, wie noch wenige Jahre zuvor, recht- und mittellos von Anderen fordern zu müssen (siehe Zeitungsausschnitte von 1954 rechts).
Georg Mader und Martin Rosenkranz für www.airpower.at über den jahrzehntelangen Kampf für eine funktionierende Luftraumüberwachung.

Die U-2 über Österreich

Schon kurz nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit kam es zu den ersten Luftraumverletzungen. Bestens dokumentiert sind solche Überflüge in CIA-Dokumenten die erstmals 1996 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Daraus geht hervor, dass am 2. Juni 1956, bei den CIA-Missionen 2009 und 2010, der zweiten und dritten operationellen CIA Mission mit von Lockheed gemieteten U-2 Aufklärern, der Österreichische Luftraum wissentlich und mit voller Absicht dreimal gequert wurde.
Ahnung hatte in Österreich davon allerdings niemand. Lag doch die Flughöhe der U-2 weit über allen Möglichkeiten der Republik. Anklicken zum vergrößern

Bild und Grafik aus

Lockheed U-2 Dragon Lady (Warbird Tech Series Volume 16) von Dennis Jenkins

1955/56 begann man mit einigen russischen Yak Propellerflugzeugen und einem Bell-47G2 Hubschrauber einen kleinen Schulbetrieb zu organisieren, Hauptaufgabe war es eher die auserwählten Flugplätze in einen halbwegs verwendungsfähigen Zustand zu bringen. An "Radargeräte", schon 10-15 Jahre davor im 2. Weltkrieg war damit der Luftkrieg über Europa gelenkt worden, war vorerst gar nicht zu denken. Zukunftspläne auf Papier mussten herhalten um zumindest mit einem Ziel vor Augen arbeiten zu können. Vorstellungen bewegten sich in einem Unfang von 6.000-10.000 Mann und etwa 200 bis 300 Luftfahrzeugen, ein Ziel das man in 10 bis 15 Jahren erreichen wollte.

Ungarn-Krise

Mit gerade mal 8 Yak und dem einen Hubschrauber sahen sich die Luftstreitkräfte mit der Ungarn-Krise konfrontiert. Nur mit "Erkundungsflügen" konnten die jungen Luftstreitkräfte beauftragt werden, für mehr rechten die Kräfte nicht.

Schon sehr früh lernte das unabhängige Österreich, dass es sich ohne unwiderlegbare Beweise nicht einmal lohnt, wegen der Verletzung seiner Souveränität zu protestieren.

So wurde der Österreichischen Gesandtschaft in Budapest als Antwort auf einen Protest wegen Grenzverletzung mitgeteilt, dass "...ein ungarisches Flugzeug, im Gegensatz zu den erwähnten Angaben der Verbalnote der geschätzten Gesandtschaft, nicht über österreichisches Hoheitsgebiet geflogen ist...".     (Download, pdf, 617kb)

Ouelle: Österreichisches Staats Archiv, Archiv der Republik
via Wolfgang Hainzl

Suez-Krise

Absolut gar nichts konnte man einige Monate später während der Suez-Krise, angesichts fortgesetzter Luftraumverletzungen, machen. Kapazitäten zur Luftraumüberwachung waren nicht einmal im Ansatz vorhanden. Und schlimmer noch, selbst im Angesicht der eigenen Hilflosigkeit waren auch entsprechende Budgetmittel, wenigstens um das Loch ansatzweise zu füllen, nicht absehbar.
Aus den, für damalige Zeiten, vergleichsweise tollen Angeboten - die Amerikaner boten 36 F-86F "Sabre", die Tschechei MiG-15bis Lizenzkopien und England bis zu 130(!) "Vampire" Mk.50 konnten gerade einmal drei De Havilland DH-115 TMk.55 "Vampire" Düsentrainer, mit aus Krediten übrig gebliebenen Geldern, realisiert werden. Und damit ging's ab in die nächste Krise.

Operation Blue Bat

Auf Befehl von US-Präsident Dweight D. Eisenhower soll unter Codename "Operation Blue Bat" die pro-westliche libanesische Regierung unter President Chamoun gestützt sowie der Flughafen und der Hafen Beiruts gesichert werden.
Die Kräfte für Operationen in Nahost stellte laut Notfallplan "(EP) 201" das USAREUR (US Army Europe) bereitstellte. Deren Kapazitäten dafür war die Army Task Force 201, stationiert in Deutschland, bestehend aus zwei Luftlande-Kampfgruppen aufgeteilt in fünf Transportstaffeln (Force ALPHA bis Force ECHO). Insgesamt waren 14.100 Mann, 8.500 Army und 5.600 Marines, daran beteiligt.
Operation Blue Bat dauerte vom 15. Juli 1958 bis zum 20. Oktober 1958.

Drei Vampire geführt mit Horchgeräten waren alles was Österreich 1957 aufzubieten hatte.
(Foto aus dem Buch von Wolfgang Hainzl: "Die Luftstreitkräfte Österreichs von 1955 bis heute")

Libanon-Krise

1957 entwickelte sich in Nahost einer der ersten Stellvertreterkonflikte im kalten Krieg. Syrien wandelt an der Grenze zum Kommunismus. Um die Grenzen von Türkei, Jordanien und des Irak zu schützen lässt Präsident Eisenhower Kampfflugzeuge von Deutschland nach Adana verlegen.
Die Krise löste sich schnell auf, und machte Platz für die Nächste. 1958 rebellierten libanesische Moslems, als das Gleichgewicht zwischen dem Christentum und dem Islam in der Regierung ins Wanken geriet. Am 14. Juli 1958 ermordeten linksextreme irakische Offiziere den irakischen König und dessen Premierminister. Der Präsident Libanons und der König von Jordanien erbaten daraufhin die Hilfe der Vereinigten Staaten.

Und obwohl der Konflikt 2.000km von Österreich entfernt war, war Österreichisches Hoheitsgebiet voll betroffen. Die Flugroute der luftverlegbaren Komponenten führte direkt über Österreich. Von 15. bis 20. Juli kam es zu andauernden Luftraumverletzungen denen die kaum vorhandenen Fliegerkräfte des noch jungen Bundesheeres vollkommen hilflos gegenüberstanden.

Mit drei "Vampire" und zwei Yak-11 verlegte man nach Innsbruck, gleichzeitig sperrte man "per Verordnung" den Luftraum. Theoretisch wäre es möglich gewesen mit den Vampire's die Flughöhe und Geschwindigkeit der Transporter zu erreichen, in der Praxis fehlte es am Führungsmittel "Radar". Die Horchgeräte(!) mit denen man es stattdessen versuchte waren kein adäquater Ersatz. Und so blieb es bei Patrouillenflügen und anhaltenden Luftraumverletzungen - klassischer Anschauungsunterricht, dass Gesetze und Verordnungen der Legislative nicht real vorhandene Kapazitäten der Exekutive ersetzen können.

Erst ein Protest der Sowjetunion führte dann dazu, dass sich die USA für die Überflüge entschuldigten. Dass im Frühjahr 1959 der sowjetische Verteidigungsminister das Angebot unterbreitete, bei der Luftraumüberwachung "gerne zu helfen" war dann vielleicht der Ansporn, den man brauchte um sich endlich verstärkt dem Aufbau der Luftraumüberwachung zu widmen.