1970/91 - der Weg zum Draken
 
 

Düsentrainer satt Überschalljets

(Bilder aus dem Buch von Wolfgang Hainzl: "Die Luftstreitkräfte Österreichs von 1955 bis heute")
Doch auch diese Vorkommnisse reichten nicht aus um endlich Konsequenzen zu ziehen und bei der fliegenden Truppe jene Kapazitäten zu schaffen, die eine Wahrung der Lufthoheit ermöglicht hätten. Statt dem geforderten Einstieg in die Überschallfliegerei wurden 1970 nochmals 20 Saab 105XT geordert, Maschinen die eigentlich für Zimbabwe vorgesehen waren und deshalb um nur 300 Millionen abgegeben wurden. Diese Entscheidung besiegelte für eineinhalb Jahrzehnte das Schicksal der österreichischen Jetfliegerei - man war zu einer Luftwaffe mit 40 Düsentrainern aber ohne Kampfflugzeuge geworden. Wie sehr die Entwicklung der Luftstreitkräfte auf eine schiefe Bahn geraten war, zeigt sich bis heute am Argumentarium des Bundesheeres. Nur weil man Düsentrainer ohne Bordwaffen und bar jedweder Kampfelektronik mit Kanonenpods, ungelenkten Raketen und Fotobehältern behängte, behauptete man Jagdbomber und Aufklärer sein Eigen nennen zu können. Ein Blick ins unmittelbare Ausland oder nach Vietnam, wo gerade ein Luftkrieg großen Ausmaßes tobte, musste selbst wenig bewanderten Personen die Wahrheit offenbaren.

Zwangsweise musste die Diskussion rund um die Luftraumüberwachung weitergehen, immerhin konnten die neuen Jets nicht einmal einem zivilen Airliner der staatlichen Fluglinie AUA folgen. Der fortschreitende Ausbau der Radarüberwachung ermöglichte zwar das aufspüren von unidentifizierten Kontakten auf elektronischem Weg ein "abfangen" war aber nur relativ selten möglich man war schlicht zu langsam. Eine der wenigen Ausnahmen, die dann auch Niederschlag in der Presse fand war dann ein erfolgreicher Interzept mit erzwungener Landung einer türkischen "Transall". Der Abschneider eines türkischen Militärtransporters wurde aufgrund der Suezkrise zum "Neutralitätsfall".

Mitte der 70er Jahre kam es zu großen Fortschritten. So viel 1974 der Entschluss ein "System zur Flugverkehrskontrolle und Luftraumüberwachung", bestehend aus einer zivilen Ebene mit 3 ortsfesten Mittelbereichsradarstationen sowie einer militärischen Ebene bestehend aus 3 ortsfesten und 2 mobilen Mittelbereichsradarstationen sowie 4 Tiefflugerfassungsradargeräten und den dazugehörigen Daten- und Fernmeldeübertragungseinrichtungen samt Betriebszentralen, zu errichten (das System ist heute unter der Bezeichnung "Goldhaube" bekannt).
Und 1975 wurde die Luftraumüberwachung per Entschließung des Nationalrates als "unbedingt notwendiges Instrument der militärischen Landesverteidigung" festgeschrieben.
Doch während am Boden wirklich mit dem Aufbau des Systems begonnen werden konnte, führte dieser Entschluss bei den fliegenden Elementen nur zu einer Umgliederung. Das Jabo-Geschwader wurde zweigeteilt und eine Hälfte der Flugzeuge dem neu gegründeten Luftraumüberwachungsgeschwader zuführt.
Allerdings bot man in der Luft trotz der organisatorischen Neuregelung nach wie vor ein sehr mageres Schauspiel. Man konnte mit der unterschallschnellen Saab 105, die weder ein Radargerät noch eine Bordwaffe besitzt, kaum einem Verkehrsflugzeug folgen.
Statt dessen erstellte man wieder einmal ein Pflichtenheft, führte Studien durch und ging auf die Suche nach einem geeigneten Abfangjäger - all das ohne das die Politik auch nur ansatzweise budgetäre Vorkehrungen für einen späteren Ankauf traf.

Draken-Ankauf



Flugzeuge über die nachgedacht wurde und die teilweise auch im Flug getestet wurden, waren Northrop F-5E, Dassault Mirage F-1C, Saab 37 "Viggen", IAI Kfir C2, General Dynamics F-16, Dassault Mirage 50, BAC Lightning und eben der Saab J-35 Draken.
Das modernste und leistungsfähigste Flugzeug damals war zweifellos die F-16, doch man entschied sich aus verschiednen Gründen gegen die neueste Generation. Die Politik wollte nicht die notwendigen finanziellen Mittel dafür aufbringen und bei den Verantwortlichen der Luftstreitkräfte befürchtete man, mit der komplexen Technik nicht zurecht zu kommen.
Und so dauerte bis Oktober 1984 (!) bis eine Beschaffung von Luftraumüberwachungsflugzeugen - Anforderungsseitig hingetrimmt auf Gebrauchtgerät - endlich ausgeschrieben wurde. 24 Maschinen sollten angekauft werden um "zu jeder Tageszeit (wenn wettermäßig möglich) aus jeder Richtung ein unbekanntes Flugzeug zu identifizieren und gegebenenfalls Waffen zum Einsatz zu bringen".
Die militärische Beurteilung gewann die imposante BAC Lightning. Gekauft wurde dann von der damaligen SPÖ/FPÖ-Koalition, nach langen politischen Quereelen, aus politischen aber auch Kostengründen der Saab Draken. Noch vor der Stationierung in Österreich kam es dann zu Protesten der Anrainer möglicher Einsatzflugplätze.
Allen voran der steirische Landeshauptmann Krainer, der als ÖVP-Landeshauptmann gegen die inzwischen in Regierungsverantwortung stehende Bundespartei und den parteieigenen Verteidigungsminister antrat. Und auch die Medien taten ihr übriges. Als "Schrottvögel" bezeichnete der Kurier die Draken und in der Kronen Zeitung war von "fliegendem Sondermüll" zu lesen.

Zwar gelang es letztendlich nicht, den Ankauf der Flugzeuge und deren Indienststellung zu verhindern, sehr wohl hat aber die personelle Struktur massiv darunter gelitten. Eine unglaubliche Welle der Gehässigkeit und gemeiner Psychoterror, ausgeübt durch die aufgehetzte Bevölkerung, schlug den Draken-Piloten und ihren Familienmitgliedern entgegen. Konsequenz daraus war, dass binnen kürzester Zeit 21 der insgesamt 30 fertig ausgebildeten Draken-Piloten den Dienst quittierten. Dieser Aderlass an qualifiziertem Schlüsselpersonal war so schnell nicht gutzumachen.

Und so stand das Überwachungsgeschwader mit nur 9 Piloten für die 24 Draken da, als im Juni 1991 die Slowenienkrise akut wurde.

    
Ab 1988 flogen die Draken über Österreich. Die Bedingungen unter denen das geschah waren aber alles andere als optimal. Enormer politischer und medialer Druck führte dazu, dass das sowohl ausgebildete Personal als auch deren Familienmitglieder Anfeindungen aus der Bevölkerung ausgesetzt waren und deshalb letztendlich binnen kurzer Zeit mehr Piloten den Dienst quittierten als das Überwachungsgeschwader verkraften konnte.
Fotos: © Bundesheer