Disclaimer: Der folgende Artikel besteht aus fast 10.000! Wörtern. Er stellt meinen Versuch dar nicht einfach nur auf 2 Seiten von auf einem Träger startenden und landenden Flugzeugen zu schreiben, sondern soll viel mehr die Erfahrungen und Gefühle vermitteln die wir anlässlich eines Besuches auf einem im Einsatz befindlichen Flugzeugträger im November 2000 gemacht haben. Wir, das sind Sabine Heda für das schweizer Magazin "Cockpit", Georg Mader für "Jane's Defense Weekly" und "Air Forces Monthly" und meine Wenigkeit für "www.airpower.at". Die überwiegende Mehrzahl der Leser wird wohl niemals in die "Verlegenheit" kommen selbst einen Fuß auf das Deck eines im Betrieb befindlichen US-Trägers zu setzten. Primär für diese habe ich mich bemüht - so gut es mir eben möglich ist - dieses Schiff, den Job, die Leute die dort arbeiten und deren Beweggründe so ausführlich wie möglich zu beschreiben.

"When word of a crisis breaks out in Washington, it's no accident that the first question that comes to everyone's lips is: 'Where's the nearest carrier?'"

Präsident Bill Clinton 12. März 1993 an Bord der USS Theodore Roosevelt

 

Der Flug auf einen Flugzeugträger ist, obwohl er mit einer alten und schwer in Mitleidenschaft gezogenen C-2A durchgeführt wird, für einen an neutrale mitteleuropäische Verhältnisse und Größenordnungen gewöhnten Österreicher wie ein Flug durch ein Wurmloch in ein Paralleluniversum. Nicht nur die technischen Kapazitäten sprengen die gewohnten Dimensionen, auch Denken und Handlungsweise der beteiligten Personen kommt "vom anderen Stern". Martin Rosenkranz erfuhr für www.airpower.at was gemeint ist, wenn jemand im Oval Office des Weißen Hauses die Frage stellt:

"Where are the Carriers?"


Die Reiserote zur GW.
Wien - Mailand - Catania - Sigonella - 36°12"N, 17°20"E


Unser Taxi zur GW, die C-2A "Greyhound"
Foto: US Navy


C-2A "Greyhound" im Endanflug auf den Flugzeugträger
Foto: US Navy


Die Landesignaloffiziere überwachen den schwierigen Anflug auf den Träger und geben strenge Noten.
Foto: Martin Rosenkranz


"BEWARE OF JET BLAST PROPELLERS AND ROTORS"
Diese Warnung steht hier nicht ohne Grund!
Wer nicht aufpasst wird günstigstenfalls über Bord geblasen, schlimmstenfalls gebraten oder geschnetzelt!
Foto: Martin Rosenkranz

Doch zuerst muss man einmal hinkommen, zur C-2A. Für uns heißt das zuerst mit Alitalia nach Catania in Sizilien und dort weiter zu NASSIG (Naval Air Station Sigonella / Karte / NASSIG-Homepage ).
Der Taxifahrer sieht uns von oben bis unten an und fragt zweimal nach ob wir uns nicht geirrt haben und wirklich ins "Sigonella Inn" wollen? Uns Zivilisten stuft er offensichtlich in die Kategorie "Touristen" ein und bietet uns das "Catania Inn" als Fahrtziel an - Nein, nein, wir wollen wirklich ins Sigonella Inn, Ok?

Wer "Sigo" auf der Landkarte sucht wird Pech haben, einen Ort Sigonella gibt es nicht auf Sizilien, stattdessen findet der Taxifahrer zwei gewaltige Militärbasen am Fuße des Ätna. "NASSIG One" ist jener Teil der Basis der hauptsächlich dem Wohnen des in Sizilien tätigen US-Navy Personals dient, und das heißt bei den Amis nicht nur Unterkünfte sondern von Schule bis Einkaufszentrum und von "Barracks" bis Einfamilienhaus, eine richtige kleine Stadt - die ganze Palette. Das Einzige zu dem Zivilsten hier noch Zutritt haben ist das Hotel "Sigonella Inn" und eine kleine Ansammlung von Lokalen die sich rund um die Einfahrt des Militärstützpunktes angesammelt haben.

Es gibt dort ganz genau drei Kategorien von Menschen, Soldaten die außerhalb der Basis ihre knappe Freizeit verbringen, die einheimische Weiblichkeit die mit ihnen ihren Spaß haben möchte und Menschen die damit ihr Geld verdienen. 15km weiter "NASSIG Two", der militärische Teil der Basis. Neben den dort stationierten P-3C "Orion" U-Boot-Jägern und den mächtigen MH-53E "Seadragon" Transporthubschraubern findet man dort auch den Logistikhub für die 6th Fleet. Und, für uns noch wichtiger, ein kleiner Flughafenterminal.

Nachdem wir zum x-ten Mal einem ziemlich ratlosen Gesicht erklärt haben, dass wir zu PR-Zwecken auf einem Flugzeugträger "gebucht" haben, sind wir nun bereit um abgeholt zu werden. Gleich wird mir deutlich in welche Dimensionen wir vorgestoßen sind. Aktives- und Ex-US-Militärpersonal kann mit den Linienflügen des Military Airlift Command weltweit kostenlos verreisen - deswegen sieht es hier wie auf einem richtigen kleinen Flughafen aus - Check in, Röntgen, Passkontrolle etc. Es kann zwar 2, 3, 4 Tage dauern bis man derart nach Elmendorf AB, Alaska oder Kunsan AB, Korea oder eben auch jede andere US-Airbase der Welt kommt, aber man kommt hin - und zwar "for free"!

Das steh ich nun, denk über Größenordnungen in Militärbudgets nach und rechne Short Skyvans in jene C-5A "Galaxy" hinein die draußen am Apron steht. Schließlich erlöst mich ein Kleinbus von meinen frustrierenden Gedankengängen und bringt uns zu unserer kleinen Transportmaschine. Das Leben ist so gemein - denk ich mir, als wir an zwei geparkten U-2 vorbeirollen und mich an das Fotografierverbot hier auf NASSIG erinnere - was haben diese USAF Bird's hier zu suchen?

Man sitzt gegen die Flugrichtung in den Flugzeugen des COD-Service (Carrier Onboard Delivery). Die sicherste Art des Fliegens wie uns erklärt wird, bevor man uns einen aufblasbaren Schwimmkragen mit Bauchgurt inkl. Pfeife, Taschenlampe, Signalpulver fürs Meerwasser sowie einen Helm samt Kopfhörer, Schutzbrille und Ohrenstöpsel aushändigt. Die Notausstiegsluke in der C-2A befindet sich im Kabinendach, einfach am Hebel ziehen dann springt sie auf, keine Angst das Flugzeug wird eine Weile schwimmen. Das Wasser hat fast 15°C und das reicht um vier bis sechs Stunden zu überleben, nur ja nicht Kleidung und Schuhe ausziehen das hält warm. Zum Schluss wird einem noch gezeigt wie der Vierpunkt-Gurt funktioniert der einem in den Sitz schraubt. Na bravo, das kann ja lustig werden.

Das sitz ich also und schau mir die beiden Lademeister an, die sich abmühen die Laderampe zu schließen, während das ganze Flugzeug dröhnt und vibriert vom Warmlaufen der beiden Turboprops. Vom Flug zum Träger krieg ich nicht viel mit, es gibt nur zwei kleine vergitterte Fenster in der Kabine und ich sitze nicht bei einem dieser Fenster. Ein paar mal rumpelt es ganz heftig weil die Flughöhe nicht allzu hoch ist und zwei, drei mal schlägt die C-2A Haken wie ein Hase in die Flugroute, bevor auf einmal die beiden Lademeister, vor mir in der letzten Reihe des kleinen Transporters, die Hände in die Höhe reißen und "here we go" schreien.

Dass der Anflug auf den Träger in Gegenrichtung zur Fahrtrichtung unseres schwimmenden Flughafens beginnt und ein 180° Linksturn den Endanflug einleitet weiß ich. Was ich nicht erwartet habe ist, dass unser Pilot sich in einem Fighter wähnt und die C-2A mit gut 3G's in Richtung Träger reißt. Überrascht schnappe ich nach Luft und drücke meinen Kopf gegen die Lehne während ich mit einem etwas mulmigen Gefühl im Bauch psychisch auf den "Impact" vorbereite. Wir werden jetzt gleich in einem irrwitzigen Winkel aufs Deck eines Schiffes prallen und binnen etwa 150m von über 200km/h auf Null abgebremst. Unter "normalen" Umständen würden wir dazu die zehnfache Distanz benötigen - ein "Evel Knevel"-Stunt!
Doch statt dem erwarteten "Bäng" reißen die beiden Lademeister abermals die Hände hoch und vollführen kreisende Bewegungen während sie wieder "here we go" schreien. Abbruch. Den LSO's (Landesignaloffiziere) war unser Anflug nicht gut genug, also noch mal das Ganze. Auch beim zweiten mal will das Manöver nicht klappen. Noch während ich beim dritten Versuch "Langsam wird's fad" denke, wird mein Kopf fast von der Lehne gerissen, als die Turboprops auf einmal volle Leistung liefern und im nächsten Augenblick presst es mich tief in den Sitz - Touchdown.

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Letzte Aktualisierung: 17.02.2001